Aufgrund der wachsenden Anforderungen unserer Leistungsgesellschaft und den einhergehenden Leistungsdruck, wachsen Angebot und Nachfrage von Präparaten zur Leistungssteigerung. Hierbei nimmt das Neuroenhancement (Hirndoping, Verbesserung, Steigerung usw.) an Bekanntheit zu, was auch die Konsumbereitschaft erhöht (BT, 2018, S.4). Zudem häufen sich heutzutage zunehmend die Medienbeiträge, die eine erhöhte Einnahme dieser Mittel unter Studenten behauptet und dies in Verbindung mit dem Leistungsdruck im Studium thematisiert (Middendorff, Poskowsky, Isserstedt, 2012, S. 7). Ein Medikament was hier zur Sprache kommt, ist Ritalin, welches dem Betäubungsmittelgesetz unterliegt und zur Therapie von Aufmerksamkeitsstörungen und Hyperaktivität (ADHS) eingesetzt wird (BT, 2018, S.4).
Gründe zur Einnahmebereitschaft und Risikogruppen
Laut einer Umfrage unter Studenten sind Motive, für die Einnahme von leistungssteigernden Mitteln die Bekämpfung von Nervosität (48%), die allgemeine geistige Leistungsfähigkeit (35%), Schmerzbekämpfung (32%), Leistungs- und Konkurrenzdruck (30%) sowie sonstige Gründe (22%). Der häufigste Einsatz findet während der Prüfungsvorbereitung statt. Wer allerdings das Ziel der Leistungssteigerung verfolgt, nimmt seltener leistungssteigernde Substanzen, als Personen mit generellem Stress (Middendorff et al., 2012, S.30-33, S.35). Zu den Risikogruppen gehören kognitiv stark beanspruchte und leistungsbereite Menschen, welche sich aber gleichzeitig überfordert fühlen. Hierbei zeigt sich, dass mehr Frauen als Männer zu leistungssteigernden Mitteln greifen. Vor allem bei den 18- bis 29jährigen ist ein erhöhtes Risiko ersichtlich. (Hermet-Schleicher, Cosmar, 2014, S.5-6).
Eine geringe Gewissenhaftigkeit sowie ein hoher Neurotizismus-Wert sind individuelle Risikofaktoren, die eine Einnahme begünstigen (Middendorff et al., 2012, S.36). Dennoch lassen sich kaum wissenschaftliche Belege für die Verbesserung der kognitiven Leistung finden, wobei sich eine Widersprüchlichkeit der Datenlage hinsichtlich der Wirkungen und Nebenwirkungen zeigt (Kunz, 2010, S.475).
Was Ritalin ist und was es mit uns macht
Ritalin ist der Markenname des bekanntesten und ältesten Methylphenidat- (MPH) Medikaments und gehört zur Gruppe der Amphetamine (Walitza, 2022, S.2). Der Chemiker Leandro Panizzon sythetisierte 1944 MPH, wobei der Name der Substanz aus dem Namen seiner Ehefrau gebildet wurde (Rita). MPH wirkt durch die Hemmung der Dopamin-Wiederaufnahme zentralnervös (Konrad-Bindl, 2016, S.11-12). Durch MPH wird die Konzentration von Dopamin in spezifische Gehirnregionen erhöht, wobei die Reizaufnahme, -verarbeitung und –beantwortung verbessert bzw. normalisiert werden. Die Steigerung der Noradrenalin-Konzentration hat zur Folge, dass die Informationsweiterleitung von den Sinnesorganen zum Gehirn verbessert und die Reaktion auf nicht-relevante Reize verhindert wird. Auch die Mittelhirnfunktion wird beeinflusst: die Verarbeitung und Beantwortung von Emotionen sowie das emotionale Gedächtnis werden besser abgewandelt (Abb.) (Kohns, 2020, S.4-5).
Im Zusammenhang von Neuroenhancement werden MPH-haltige Mittel zur Steigerung der kognitiven Leistungsfähigkeit und zur Euphorisierung eingenommen. Hierbei kann die Verbesserung einer Fähigkeit mit der Verschlechterung einer anderen einhergehen, wobei die Wirkung individuell von der Person abhängig ist (BR, 2014, S.7). Die Nebenwirkungen sind meistens dosisabhängig, wobei sich das Auftreten in der Häufigkeit und der Ausprägung unterscheiden können. Vor allem bei einer schnellen Aufdosierung zu Beginn können Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel, Bauchschmerzen oder auch Verstimmung und Symptomverstärkung nach Wirkungsende, auftreten. In Einzelfällen führt die Einnahme zu Einschlafschwierigkeiten und Appetitminderung sowie einer Verstärkung von Tics, Stereotypen, Psychosen oder eine Erhöhung des Puls und Blutdruckst. Hinweise auf eine Überdosierung sind: Lethargie bis Apathie, depressive Verstimmung, Weinerlichkeit, Ängstlichkeit, das Fehlen altersentsprechender Fröhlichkeit oder ein ausgebremst-wirkendes Verhalten (Kohns, 2020, S.5-6). Des Weiteren besitzt MPH ein hohes Suchtrisiko. Das Verlangen, den entlastenden und angenehmen Effekt erneut zu erfahren, kann sich auch auf andere Stoffe mit ähnlicher Wirkung ausweiten. Bei gesunden Studierenden führt MPH nicht immer zur Aufmerksamkeitssteigerung, sondern sogar zu einer Verschlechterung der Leistungsfähigkeit bei guter Ausgangslage. Ebenfalls konnte keine positive Wirkung auf die Steigerung der Lerneffekte nachgewiesen werden (Glaeske et al., 2011, S.5-6).
Alternativen zu Ritalin
Die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit kann durch ausreichenden Schlaf gesteigert werden. Training, Yoga, Meditation sowie progressive Muskelrelaxation helfen beim Umgang mit Stress. Die Merk- und Konzentrationsfertigkeit kann durch Gedächtnistrainings gefördert werden. Ein gutes Zeitmanagement kann helfen Prioritäten zu setzen. Durch regelmäßige kurze Pausen wird die Aufnahmefähigkeit gefördert. Achtsamkeitstrainings verbessern die Wahrnehmung und Deutung der Körpersignale, um Überlastungen vorzubeugen. Regelmäßiger Sport lindert und beugt depressive Verstimmungen vor. Kurze Spaziergänge wirken regenerierend und stimmungsaufhellend. Eine ausgewogene Ernährung liefert einen Beitrag zum Erhalt der kognitiven Leistungsfähigkeit. Alkohol, Nikotin und bestimmte Medikamente sollten vermieden werden, da sie die Nervenzellen schädigen können. Spannungen können mithilfe von Gesprächen abgebaut werden. Auch soziale Aktivitäten wirken sich positiv auf das emotionale Wohlbefinden aus (Glaeske et al., 2011, S.7).
Fazit
Es gibt keine eindeutigen Beweise dafür, inwieweit Ritalin tatsächlich einen Beitrag zur Leistungssteigerung bieten kann, da dies individuell von der Person und deren Ausgangsvoraussetzungen abhängig ist. Nichtsdestotrotz sind hierbei die Risiken zu beachten, die einem leichtfertigen Umgang mit MPH entgegenstehen. Vor allem bei gesunden Menschen, können Nebenwirkungen das körperliche und geistige Wohlbefinden erheblich negativ beeinträchtigen. Desweitern ist das Suchtpotenzial ein wesentlicher Faktor, dem mehr Beachtung geschenkt werden sollte. Vor diesem Hintergrund sind Alternativstrategien zur Leistungssteigerung zu bevorzugen, die über den kognitiven Fähigkeiten hinaus zur Steigerung des Wohlbefindens führen.
Literatur
BT-Deutscher Bundestag (2018). Informationen zu Neuroenhancement. Dokumentation. WD 9–3000-060/18.
BR – Der Bundesrat (2014). Leistungssteigernde Arzneimittel. Bericht des Bundesrates. Bern: Schweizerische Eidgenossenschaft.
Glaeske G., et al. (2011). Hirndoping. Die Position der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (DHS). Hamm: Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen.
Hermet-Schleicher, V., Cosmar, M. (2014). Hirndoping am Arbeitsplatz – Einflussfaktoren und Präventionsmöglichkeiten für Unternehmen. 1. Auflage. Berlin: Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), AOK-Bundesverband, BKK Dachverband e.V., verband der Ersatzkassen e.v. (vdek).
Kohns, U. (2020). Wirkung und Nebenwirkung der Arzneimittel in der Therapie der ADHS. Fachbeiträge. Neue Akzente Nr.115 1/2020, 4-8.
Konrad-Bindl, D.S., (2016). Führt Methylphenidat zu Wesensänderungen? Eine Literaturstudie. Dissertation zum Erwerb des Doktorgrades der Medizin. München: Ludwig-Maximillians-Universität.
Kunz, E. (2010). Gehirndoping: Unheil oder Segen? Diskussions- und ggf. Regelungsbedarf auf dem Gebiet des „Neuro-Enhancements“. In MedR (2010) 28: 471-477).
Middendorff, E., Poskowsky, J., Isserstedt, W. (2012). Formen der Stresskompensation und Leistungssteigerung bei Studierenden. HISBUS-Befragung zur Verbreitung und zu Mustern von Hirndoping und Medikamentenmissbrauch. HIS: Forum Hochschule 01/2012.
Walitza, S. (2022). Die medikamentöse Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung ADHS. Psychiatrische Universitätsklinik Zürich.
Beitragsbild
Andrea (2016). Abgerufen am 15.08.2022 unter https://pixabay.com/de/photos/tabletten-drogen-apotheke-krank-1328802/.