Die Digitalisierung ist immer mehr auf dem Vormarsch und viele Berufe sind ohne die Nutzung von Computern oder Mobiltelefonen kaum mehr denkbar. Auch in der Freizeit verbringen Menschen zunehmend mehr Zeit mit elektronischen Medien. Mehr als 10 Stunden täglich verbrachten Deutsche 2020 mit Medien, davon einen großen Teil in Verbindung mit elektronischen Geräten (Sevenonemedia, 2020). Im Zuge dessen nahm sich bereits 2019 jeder Zweite im Alter zwischen 14 und 29 Jahren vor Handy, Computer und Internet im kommenden Jahr weniger zu nutzen. Verglichen mit dem Jahr 2014 ist das ein Anstieg um fast 70 Prozent. Über alle Altersgruppen hinweg zeigte sich ebenfalls ein Anstieg von 15 auf 25 Prozent (Bodanowitz, 2019). Nicht selten sprechen Menschen, wenn sie sich auf das Reduzieren der Online-Zeit beziehen davon, dass sie einen Digital Detox ausprobieren wollen.
Was ist Digital Detoxing?
Unter einem Digital Detox wird eine Zeitspanne verstanden, in welcher eine Person auf jegliche elektronischen Geräte, wie beispielsweise das Tablet, den Laptop oder das Smartphone verzichtet (Newport, 2019, S.21). Die Dauer der Offlineperioden kann dabei einige Monate oder sogar weniger als einen Tag anhalten. Verwendet wird der Begriff generell, wenn es um die Bestimmung von Regeln für bildschirmfreie Zeit geht, bei größeren oder moderaten Veränderungen des digitalen Lebensstils oder im Zusammenhang mit der graduellen Reduktion der Mediennutzung (Syvertsen, 2020, S.2). Anwender versprechen sich vom Digital Detox, dass sich ihr Stress reduziert, eine Verbesserung im Bereich der sozialen Interaktionen eintritt und sich ihr Wohlbefinden erhöht (Welledits, Schmidkonz & Kraft, 2020, S.21). Subjektive Beschwerden in Bezug auf die verstärkte Nutzung von digitalen Medien dagegen sind verminderte Produktivität, ungewollte Unterbrechungen und negative Auswirkungen auf das private Leben (Syvertsen, 2020, S.2). Die Krankenkasse IKK Classic gibt in Bezug auf die physiologischen Folgen an, dass zu viel Bildschirmzeit dazu führe, dass Stresshormone ausgeschüttet werden, Verspannungen zunehmen und gesundheitsschädliche Folgen durch Bewegungsmangel entstehen können. Die positiven Effekte für die Gesundheit einer digitalen Auszeit dagegen werden als enorm beschrieben (IKK Classic, 2019). Inwieweit lassen sich diese Effekte allerdings wissenschaftlich belegen und was ist dran an der digitalen Auszeit?
Wirksamkeit von Digital Detoxing
Wenn es um die Produktivität im Zusammenhang mit elektronischen Geräten geht, so erscheinen Erkenntnisse zum Multitasking und dem Aufmerksamkeitsrückstand relevant. Studien zufolge sind weder Männer noch Frauen dafür geschaffen Multitasking zu betreiben, denn geschlechtsunabhängig werden mehr Fehler gemacht, wenn verschiedene Handlungen gleichzeitig ausgeführt werden (Kreutzer, 2020, S.49). Dies findet entsprechend auch Anwendung, wenn beispielsweise telefoniert und nebenbei im Internet gesurft wird oder beim Homeoffice nebenbei Fernsehsendungen geschaut werden. Ebenso wirkt sich der Aufmerksamkeitsrückstand negativ aus. Aufmerksamkeitsrückstand meint dabei, dass beim Wechsel zwischen Aktivitäten, noch über die vorherige Tätigkeit nachgedacht wird, obwohl bereits eine neue Tätigkeit begonnen wurde. Dieser Rückstand führt dann dazu, dass nicht die volle Konzentration für die neue Aufgabe verwendet werden kann. Dieser Effekt verstärkt sich sogar, wenn die Aufgaben dabei noch unerledigt sind (Kreutzer, 2020, S.49). Im Zusammenhang mit digitalen Medien sind dabei besonders Mitteilungen als negative Einflüsse zu benennen, die durch Vibrationen oder Geräusche dazu verleiten die Aufmerksamkeit von der Aufgabe zu lösen und stattdessen das E-Mail-Postfach oder die WhatsApp-Nachricht aufzurufen.
Neben den Auswirkungen auf die Produktivität wurden auch die Zusammenhänge zwischen Digital Detox und Stress untersucht. Dafür wurden die Probanden mit einem Armband ausgestattet, das ihre körperlichen Werte über zwei Wochen aufzeichnete. In der ersten Woche verwendeten die Teilnehmer ihr Smartphone so wie sie es gewohnt waren, während in der zweiten Woche Maßnahmen des Digital Detox angewendet wurden. Zusätzlich wurde auf den Smartphones der Probanden eine App installiert, um zu überprüfen, wie häufig sie dieses verwendeten und welche Funktionen genutzt wurden. Obgleich es sich um eine Pilotstudie handelte und eine relativ kleine Stichprobe untersucht wurde, konnten verringerte Stresslevel in der zweiten Woche festgestellt werden (Anrijs, et. al., 2018, S.356-363).
Eine weitere Untersuchung beschäftigte sich damit inwieweit Digital Detox Apps die problematische Smartphone Nutzung und das Wohlbefinden von 18-35-jährigen beeinflussen. Dabei zeigte sich, dass diejenigen Probanden, die keine Digital Detox App nutzten, einen positiven Zusammenhang mit problematischer Smartphone Nutzung und eine negative Korrelation mit dem Wohlbefinden aufwiesen. Diese Effekte traten bei Personen, die Digital Detox Apps verwendet hatten nicht auf (Schmuck, 2020, S.526-532). Daraus konnte geschlossen werden, dass Digital Detox Apps bei jüngeren Menschen eingesetzt werden können, um die negativen Effekte sozialer Netzwerkseiten auf das Wohlbefinden zu vermindern. Eine weitere Studie beschäftigte sich übergreifend mit dem Zusammenhang zwischen der Nutzung elektronischer Geräte und der Zufriedenheit von Jugendlichen. Diese ergab ebenfalls, dass Jugendliche, die mehr Zeit mit elektronischer Kommunikation und Bildschirmen verbrachten unzufriedener waren als Jugendliche, die größere Teile ihrer Zeit mit sozialer Interaktion, Sport und Printmedien verbrachten. Allerdings war diese Korrelation bei den 18-jährigen schwächer ausgeprägt als bei den 14-16-jährigen Teilnehmern, wodurch sich zeigt, dass sich der Umgang mit elektronischen Geräten für jüngere Jugendliche problematischer darstellt. Ferner ergab die Studie, dass Personen, die digitale Medien einige Stunden pro Woche nutzten dennoch glücklicher waren als Personen, die vollständig verzichteten (Welledits, et. al., 2020, S.25).
Fazit
Zusammenfassend lässt sich also bemerken, dass eine digitale Auszeit durch Digital Detoxing durchaus positive Effekte besitzt. Die Reduktion von Stress, die Erhöhung der Konzentrationsfähigkeit und Produktivität durch eine Verringerung von Ablenkungen und eine Erhöhung des Wohlbefindens sind dabei primär zu nennen. Die Gestaltung von Auszeiten kann zudem bereits durch Einstellungen zur Bildschirmzeit und Benachrichtigungen an den meisten handelsüblichen Smartphones durchgeführt werden (Kunze, 2019). Letztendlich ist ein vollständiger Verzicht auf digitale Medien nicht notwendig. Vielmehr sollte auf einen bewussten Umgang mit ihnen geachtet werden, um einerseits von den technologischen Fortschritten zu profitieren, ohne andererseits die negativen Auswirkungen übertriebener Nutzung befürchten zu müssen.
Literatur
Anrijs, S., Bombecke, K., Durnez, W., Van Damme, K. et al. (2018) MobileDNA: Relating Physiological Stress Measurements to Smartphone Usage to Assess the Effect of a Digital Detox. In: Stephanidis C. (eds) HCI International 2018 – Posters‘ Extended Abstracts. HCI 2018. Communications in Computer and Information Science, vol 851. Springer, Cham.
Kreutzer, R. (2020). Die digitale Verführung: Selbstbestimmt leben trotz Smartphone, Social Media & Co. Springer-Verlag.
Newport, C. (2019). Digitaler Minimalismus: Besser leben mit weniger Technologie. Redline Wirtschaft.
Schmuck, D. (2020). Cyberpsychology, Behavior, and Social Networking, Vol. 23, Issue 8, 526-532. http://doi.org/10.1089/cyber.2019.0578
Syvertsen, T. (2020). Digital Detox: The politics of disconnecting. Emerald Group Publishing.
Welledits, V., Schmidkonz, C. & Kraft, P. (2020). Digital Detox im Arbeitsleben. Methoden und Empfehlungen für einen gesunden Einsatz von Technologien. Springer, Wiesbaden.
Internetquellen
Bodanowitz, J. (2019). Gute Vorsätze bei jungen Leuten – jeder Zweite will weniger digitale Medien nutzen. Verfügbar unter: https://www.dak.de/dak/bundesthemen/gute-vorsaetze-2019-2112658.html#/
Zuletzt aufgerufen am: 27.01.2021
IKK Classic (2019). Digitalfasten in 5 Schritten. Verfügbar unter: https://www.ikk-classic.de/gesund-machen/digitales-leben/digital-detox-anleitung
Zuletzt aufgerufen am: 29.01.2021
Kunze, C. (2019). Digital Detox Tipps – 10 kreative Wege zu mehr Offline. Verfügbar unter: happyrituals.de/digital-detox-anleitung
Zuletzt aufgerufen am: 29.01.2021
Sevenonemedia (2020). Media Activity Guide. Verfügbar unter: https://www.sevenonemedia.de/research/mediennutzung/media-activity-guide Zuletzt aufgerufen am: 29.01.2021
Titelbild Quelle
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Von: Niekverlaan