By Published On: 8. August 2022Categories: Gesundheit, Psychologie

Schon zu Beginn des 20ten Jahrhunderts waren sich Forscher uneinig, was die Ursache für Diabetes ist (Vgl. Schlich, 1993, S. 411-441). Oscar Minkowski vermutete die Ursache in den Organen des Verdauungstraktes. Hunde, denen er die Bauchspeicheldrüse entfernte, entwickelten einen Diabetes. Als Gegenprobe implantierte er den diabeteskranken Hunden wiederum die Bauchspeicheldrüse von gesunden Hunden. Das Ergebnis zeigte, dass die gesunde Bauchspeicheldrüse die Arbeit wieder aufnahm und als Folge eine Normalisierung der Blutzuckerwerte verzeichnet werden konnte. Eduard Pflüger und auch Claude Bernard hingegen sahen Diabetes und dessen Ursache im Nervensystem. Im Rahmen des Experiments „Zuckerstich“ wurden bei Kaninchen bestimmte Regionen im Hirnstamm durch eine Nadel punktiert. Symptome, die danach auftraten waren erhöhte Blutzuckerwerte und Diabetes. Im Anschluss wurden die Nervenbahnen zwischen Leber und Gehirn durchtrennt und die Symptome verschwanden. Pflüger war sicher, dass eine Veränderung des Gehirns eine gestörte Leberfunktion verursacht und diese dazu führt, dass sich eine erhöhte Konzentration von Glukose im Blut zeigt (Vgl. Mani, 1964, S. 97-128).

Doch die hervortretende Ära der Organotherapie, bei welcher menschliches und tierisches Gewebe zur Krankheitsbehandlung eingesetzt wird und dessen Anwendung auf die Bauchspeicheldrüse liessen Pflügers Erkenntnisse in den Hintergrund rücken. Das Ziel sollte es sein das Sekret, welches sich in der Bauchspeicheldrüse befindet zu entnehmen und in der Therapie von Diabetespatienten einzusetzen. Banting und Best gelang dies Jahre später und sie nannten das Sekret Insulin (Vgl. Peters et. al., 2011, S.119-130). Die Bauchspeicheldrüsen von Schweinen und Rindern dienten, im Rahmen von Industrieverfahren, in den kommenden Jahren als Spender großer Mengen von Insulin zu Therapiezwecken. Pflügers Ideen waren bereits gänzlich in Vergessenheit geraten.

Heute zeigt sich in Deutschland folgende Situation. Jedes Jahr erkrankt rund eine halbe Million Menschen allein in Deutschland an Diabetes. Insbesondere die Neuerkrankungen des Diabetes mellitus Typ 2 zeigt mit den Jahren eine erhöhte Prävalenz (Vgl. Zylka-Menhorn, 2017, S.748). Die Zukunftsprognose zeigt eine deutliche Zunahme der Krankheitslast.

Wenn die Energieverteilung im Körper nicht mehr gut funktioniert, gerät das System nach und nach mehr aus dem natürlichen Gleichgewicht. Wie wir bereits in einem vorherigen Blogbeitrag näher beschrieben, ist das Gehirn sehr sensibel was ihren eigenen Energiehaushalt betrifft (Vgl. Peters et al., 2004, S.143-180). Ist das System der Energieverteilung gestört, kommt ein neuer Energieversorger zum Einsatz, es wird mehr gegessen und Glukose ist fürs Gehirn mit wenig Aufwand im Überfluss verfügbar und die Krise erstmal abgewehrt. Die Folgen sind allerdings dramatisch, es entsteht ein ständiges Überangebot an Energie, der Blutzucker ist häufig stark erhöht und der Körper muss die überschüssige Energie lagern. Erste Anlaufstelle ist das Fettgewebe doch auch dieses ist irgendwann voll und als letzte Option bleibt die Ausscheidung über die Niere, um einen weiteren Anstieg des Blutzuckers zu vermeiden.

Der Energielieferant Zucker wird spätestens jetzt zu einem echten Problemstoff im Körper, der vom Stoffwechsel wie Müll behandelt wird, wenn dauerhaft zu viel davon vorhanden ist. Das gesamte Gefässsystem leidet schwer, es können sich Glukosemoleküle an den Gefässwänden ablagern und daraus resultiert je nach Schwere eine dauerhafte Schädigung.

Alles scheint also im Kopf zu beginnen! Kommt das Gleichgewicht der Energieversorgung und somit auch der Regulierung der Gehirnenergie aus dem Gleichgewicht, nimmt das Gehirn langfristige Schädigungen am Körper in Kauf, um wieder in die Homöostase zu gelangen.

Bekommt ein Mensch dann die Diagnose „Diabetes mellitus Typ 2“ werden die meisten früher oder später Insulin spritzen. Dies senkt zwar kurzfristig den Blutzucker, es gibt jedoch einen „Verlierer“, das Gehirn bekommt, nicht mehr ausreichend Energie. Wird Insulin künstlich eingeschleust, zwingt es die schon übervollen Depots weiter Energie aufzunehmen. Die Energieversorgung gerät also durch den zusätzlichen externen Impulsgeber in die Irritation. Das Gehirn erleidet dann im schlechtesten Fall eine Glukosekrise (Neuroglukopenie), welche auch zu Bewusstlosigkeit führen kann. Es muss vermehrt große Anstrengungen in Kauf nehmen, um Energie anzufordern und sich überhaupt noch durchsetzen zu können. Adrenalin ist dauerhaft erhöht was zusätzlich das Herz- und Kreislaufsystem belastet. Trotz dieser Tatsache werden seit über drei Jahrzehnten mithilfe von künstlichem Insulin die Blutglukosewerte von Patienten streng gesenkt.

Ein Versuch zeigt, wie es Menschen ergeht, die trotz eines Diabetes mellitus Typ 2 nicht mit Insulin behandelt werden. Looker untersuchte, die im Vergleich häufig und deutlich früher an Diabetes erkrankenden Menschen, eines Indianerstammes im US-Bundesstaat Arizona (Vgl. Looker/Knowler/Hanson, 2001, S. 1917-1922). Zunächst zeigten die Betroffenen einen üblichen Krankheitsverlauf, sie legten an Körpergewicht zu und zeigten klassische Symptome von Diabetes. Mit der Zeit wurden die Probanden allerdings wieder dünner und trotz jahrzehntelanger hoher Blutglukosewerte starben sie offenbar auch nicht früher (Vgl. Kim et. al., 2008, S. 488-492).

Die Forschungen von Looker werden in Fachkreisen häufig mit dem Hauptargument der möglichen außergewöhnlichen genetischen Disposition kritisiert.

Aber auch die Todesfälle im Rahmen der Diabetesstudie ACCORD bei der Blutzuckerwerte von Diabetes mellitus Typ 2 Erkrankten ohne Kompromisse auf Glukosenormwerte gesunder Menschen fixiert wurden, brachten einige Fragen hinsichtlich der lang vertretenen Blutzuckertheorie auf (Vgl. ACCORD Study Group, 2008, S. 2545-2559).

Doch auch trotz eines provokanten Artikels des amerikanischen Science Magazin als Reaktion auf die ACCORD Studie blieben die breiten Diskussionen aus.

Die Erkenntnisse aus der ACCORD Studie und die aktuelle Forschung haben bisher jedoch keinen grossartigen Einfluss auf die Therapiekonzepte von Diabetes mellitus Typ 2.

Doch wenn die Ursache der Ursache für eine Diabetes mellitus Typ 2 Erkrankung vermutlich eine dauerhafte Bewältigungsstrategie des Gehirns ist, um die Energieversorgung in einer langanhaltenden Krise zu verbessern und schließlich ein neues Gleichgewicht anzustreben, könnte eine Therapie vor allem in einer sehr frühen Phase der Stoffwechselerkrankung helfen und die Entstehung von neuen Erkrankungen vermeiden.

Ein potenzielles Training wurde bereits von Laurel Mellin entwickelt. Viele Jahre arbeitet er schon mit Patienten, die durch Stress und vermehrtes Essen übergewichtig und unglücklich wurden. Ziel des Therapieansatzes ist es sich selbst und seine eigenen Bedürfnisse, Wünsche und Gefühle wahrzunehmen (Vgl. Mellin/Slinkard/Irwin, 1987, S.333-338). Eine Anleitung in englischer Sprache gibt es zu Mellins Ansatz seit 1997 (Mellin, 1997)

Fazit:

Ich könnte mir vorstellen, dass bei der deutlichen Zunahme der Stressoren für die Menschen, präventive Trainings auch in Unternehmen sowie auch im privaten Bereich einen deutlichen Beitrag leisten können. Zum einen sollten diese das Bewusstsein schaffen, wie unser Körper und unser Gehirn in einen Krisenmodus verfallen kann, welche deutlichen Anzeichen und Symptome dies mit sich bringen kann und wie man diesem Zustand selbst entgegenwirken kann und für sich selbst sorgen kann. Ein Schulfach, welches zur frühen Aufklärung und Prävention dient, sollte es aus meiner persönlichen Sicht schon lange geben.

Literaturverzeichnis

The ACCORD Study Group (2008), Effects on Intensive Glucose Lowering in Type 2 Diabetes, The New England Journal of Medicine 358, S. 2545-2559.

Mani, N. (1964), Die Entdeckung des Glykogens durch Claude Bernard, Zeitschrift für Klinische Chemie, 2 Jahrgang, Berlin.

Mellin, L. M., (1997), The Solution: 6 Winning Ways to Permanent Weight Loss, n. A., New York.

Mellin, L. M./Slinkard, L. A./Irwin, C. E., (1987), Adoloscent obesity intervention: validation of the SHAPETOWN program, Journal of the American Dietetic Assiciation 87, S. 333-338.

Peters, A. (2011), Das egoistische Gehirn, 4. Aufl., Berlin.

Schlich, T. (1993), Making mistakes in science: Eduard Pflüger, his scientific and professional concept of physiology, and his unsuccessful theory of diabetis (1903-1910), S. 411-441.

Zylka-Menhorn, V. (2017), Diabetes mellitus: Inzidenz und Prävalenz steigen in Deutschland, In: Deutsches Ärzteblatt, S. 748

Medienquellen:

Abbildung 1: Beitragsbild – Quelle: istockphoto In: https://www.istockphoto.com /de/vektor/diabetes-klinische-behandlungskonzept-vektor-illustration-ergebnis-des-gm1250141820-364526948)

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