By Published On: 26. August 2024Categories: Soziales

Rechte Skandale, Unbeständigkeit und innere Konflikte – und dennoch unvergleichlich erfolgreich. Die Alternative für Deutschland (AfD) ist so hoch im Kurs wie noch nie zuvor und das beunruhigt viele Deutsche. Ursprünglich eine konservativ-wirtschaftsliberale Partei, hat sich die Partei schnell in eine rechtspopulistische Partei transformiert, die von mehreren parteipolitischen Kursänderungen geprägt ist. Diese Veränderungen sind mit internen Konflikten und dramatischen Austritten aus der Partei verbunden. Die AfD zieht auch wiederholt durch Skandale aus dem rechtsextremen Spektrum Aufmerksamkeit auf sich (Bücker et al., S. 28). Doch wer wählt die AfD und warum?

Die AfD

Die AfD wurde offiziell am 06. Februar 2013 gegründet. Die Entwicklung der Partei aus einer sozialen Bewegung heraus erfolgte vor dem Hintergrund der gesellschaftlich-politischen Lage in Deutschland, die kurz vor der Gründung von Finanz- und Eurokrisen geprägt war. Diese Krisen boten der AfD ein wichtiges populistisches Momentum, das anti-EU-Ressentiments und rechtspopulistische Tendenzen in der Gesellschaft verstärkte. Trotz einer kurzen Gründungsphase und einem wenig ausgearbeiteten Parteiprogramm trat die AfD bei den Bundestagswahlen 2013 an und erzielte 4,7% (Bücker et al., S. 31–32). Seitdem hat sich diese Partei zu einer ernsthaften Konkurrenz für die bisher etablierten Parteien entwickelt. Trotz oder aufgrund ihrer Verschiebung nach rechts erweist sie sich als attraktiv für eine zunehmend breite Wählerschaft. Durch die Nutzung der Eurokrise und der Asyldebatte konnte sie an Bedeutung gewinnen. Die wachsende Unzufriedenheit unter den Wählenden spiegelt sich in den Ergebnissen der letzten Wahlen wider, bei denen die AfD stetig an Zustimmung gewann (Bücker et al., S. 35). Der aktuellste Erfolg zeigt sich bei den Europawahlen in Deutschland 2024: Die AfD erreichte als zweitgrößte Partei einen Stimmenanteil von 15,9%. Die CDU war mit 23,7% stärkste Kraft, gefolgt von der SPD auf dem dritten Platz mit 13,9% und den Grünen mit 11,9% auf dem vierten Platz (Europäisches Parlament, 2024).

Abbildung 1: Europawahl 2024 – Nationale Ergebnisse Deutschland
Quelle: Europäisches Parlament, 2024

Die Wählerschaft

Die AfD erhält weniger Unterstützung von Frauen und ist hauptsächlich auf männliche Wählende angewiesen. Der Unterschied in der Wahl von rechtsextremen und rechtspopulistischen Parteien zwischen Männern und Frauen wird als Radical Right Gender Gap bezeichnet (Berwing et al., 2019, S. 106). Ideologisch gibt es allerdings kaum Unterschiede in rechtsextremen Ansichten zwischen den Geschlechtern. Die Forschung hat gezeigt, dass die Wählerschaft der AfD sozial und politisch heterogen und aus der Mitte der Gesellschaft ist. Sie setzt sich aus Arbeitern (21%), Arbeitslosen (22%) und Personen mit niedrigem bis mittlerem Bildungsabschluss (16%), aber auch aus Besserverdienenden zusammen. Die starken Zugewinne der AfD in Ostdeutschland sind vor allem aus Industrieregionen zurückzuführen, ärmeren Stadtvierteln und ländlichen Gebieten, wo sich die sozioökonomischen Zukunftsaussichten verschlechtert haben. Generell profitiert die AfD in Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit, geringem Ausländeranteil und geringer Konzentration von Hochqualifizierten (Müller-Bohn, 2022, S. 266–267). Es finden sich Belege dafür, dass die Anhängerschaft der AfD eine überdurchschnittlich hohe Affinität zu menschenfeindlichen Einstellungen aufweist. Die Analyse der Daten zeigt, dass sie im Vergleich zur Gesamtbevölkerung eine höhere Zustimmungsrate zu Themen wie Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Sozialdarwinismus, Chauvinismus, Unterstützung einer rechtsextremen Diktatur und Relativierung des Nationalsozialismus aufweist. Des Weiteren konnten vermehrt rechtsextreme Einstellungen festgestellt werden (Schade et al., 2019, S. 152).

Erklärungsansätze

Die geschlechterspezifischen Unterschiede in der AfD-Wählerschaft lassen sich durch Konflikte in der sozialen Identität erklären. Viele Männer lehnen Gender-Politik ab oder zeigen Desinteresse, während moderne Frauen Schwierigkeiten haben, traditionelle Rollenbilder mit ihren Lebensvorstellungen in Einklang zu bringen. Ein weiterer Grund für die erhöht männliche Wählerschaft ist eine empfundene Bedrohung des männlichen Statusverlustes durch den gesellschaftlichen Wandel auf dem Weg zur Gleichberechtigung der Frau (Berwing et al., 2019, S. 110–111). Laut der Quest for Significance Theory ist der subjektiv empfundene Verlust an Bedeutung ein Antrieb, sich Gruppen anzuschließen, die persönliche Bedeutsamkeit bieten. Gesellschaftliche Veränderungen führen dazu, dass vor allem Männer einen stärkeren subjektiven Bedeutungsverlust erfahren und sich populistischen Parteien zuwenden (Berwing et al., 2019, S. 114). Durch die Digitalisierung und sozialen Medien ist zudem die emotionale Welt der Neuen Rechten ständig präsent und leicht zugänglich. Sie erscheint einladend und attraktiv für diejenigen, die anfangen, an die Politik und Medien zu zweifeln. Diese Personen können dort Ermächtigung, Zugehörigkeit, Schutz und Bestätigung erfahren (Spissinger, S. 259). Zudem kommt der Aufstieg der sozialen Medien dem provokativen Charakter der AfD besser entgegen als dem der etablierten Parteien (Müller-Bohn 2022, S. 273).Wenn dann noch die Botschaft vermittelt wird, dass die eigene Gruppe überlegen ist und die Macht hat, Veränderungen herbeizuführen, spricht dies direkt das Bedürfnis nach Selbstwertsteigerung und Selbstwirksamkeit an. Die AfD präsentiert sich also als eine Art heroische Protestpartei für unzufriedene Wählerschaft, die nun die Möglichkeit hat, aktiv zu werden (Jahnen, 2019, S. 127).

Fazit

Tatsächlich unterscheidet sich die AfD-Wählerschaft in Bezug auf ihre Bedürfnisse deutlich von anderen Wählergruppen. Soziale Abstiegsängste, subjektiv empfundene Statusverluste durch gesellschaftliche Liberalisierung oder fehlende Anerkennung von Lebensleistungen scheinen in der Wählerschaft ein gesteigertes Bedürfnis nach Bedeutsamkeit, Selbstwert und Selbstwirksamkeit zu wecken. Enttäuschung und Misstrauen gegenüber der parlamentarischen Demokratie, ihren Repräsentanten und den Medien führen zu Menschenfeindlichkeit und dem Wunsch nach einer homogenen Gesellschaft mit vermeintlicher Ordnung und klarer nationaler Identität (Müller-Bohn, 2022, S. 267). Die AfD bietet einfache Erklärungen für komplexe Probleme und suggestiert eine direkte Beeinflussbarkeit. Basierend auf aktuellen Forschungsergebnissen verdichten sich Hinweise auf eine Radikalisierung innerhalb der AfD selbst und deren Auswirkungen auf ihre Wählerschaft (Isemann und Walther, 2019, S. 170–171).

Abbildungsverzeichnis

Titelbild: Bild von Bernd Scheumann (Nutzername: flotty) (2016). Verfügbar unter: https://pixabay.com/de/photos/berlin-reichstag-deutschland-1826552/.

Abbildung 1: Europäisches Parlament (2024): Europawahl 2024 – Nationale Ergebnisse Deutschland. Verfügbar unter https://results.elections.europa.eu/de/nationale-ergebnisse/deutschland/2024-2029/.

Literaturverzeichnis

Berwing, Kerstin; Fischer, Charlotte; Kowalski, Juliane (2019): Mann wählt AfD: Psychologische Erklärungsansätze für den „Radical Right Gender Gap“. In: Eva Walther und Simon D. Isemann (Hg.): Die AfD – psychologisch betrachtet. Unter Mitarbeit von Claus Leggewie. Wiesbaden, Heidelberg: Springer, S. 105–120. DOI: 10.1007/978-3-658-25579-4_5 .

Bücker, Sinah; Schade, Sarah Maria; Wiegerling, Ulrike: Die AfD: Woher sie kommt, wie sie funktioniert, wer sie unterstützt. In: Walther, Isemann (Hg.) 2019 – Die AfD – psycholgisch betrachtet, S. 27–56. DOI: 10.1007/978-3-658-25579-4_2 .

Europäisches Parlament (2024): Ergebnisse nach nationaler Partei – 2024-2029. Deutschland – Amtliche Ergebnisse. Verfügbar unter https://results.elections.europa.eu/de/nationale-ergebnisse/deutschland/2024-2029/.

Isemann, Simon D.; Walther, Eva (2019): Wie extrem ist die AfD? Die Entwicklung der AfD und deren Wählerschaft als Radikalisierungsprozess. In: Eva Walther und Simon D. Isemann (Hg.): Die AfD – psychologisch betrachtet. Unter Mitarbeit von Claus Leggewie. Wiesbaden, Heidelberg: Springer, S. 157–177. DOI: 10.1007/978-3-658-25579-4_8.

Jahnen, Verena (2019): Die Sprache der AfD und wie sie sich verändert. In: Eva Walther und Simon D. Isemann (Hg.): Die AfD – psychologisch betrachtet. Unter Mitarbeit von Claus Leggewie. Wiesbaden, Heidelberg: Springer, S. 121–137. DOI: 10.1007/978-3-658-25579-4_6.

Müller-Bohn, Bjørn P. (2022): 12 Populist Politics and the Rise of the AfD in Germany. In: Carsten Schapkow und Frank Jacob (Hg.): Nationalism and Populism. Expressions of fear or political strategies? Berlin, Boston: De Gruyter Oldenbourg, S. 253–274. DOI: 10.1515/9783110729740-012.

Schade, Sarah Maria; Wiegerling, Ulrike; Bücker, Sinah (2019): Wer wählt AfD? Sozialpsychologische Merkmale einer heterogenen Gruppe. In: Eva Walther und Simon D. Isemann (Hg.): Die AfD – psychologisch betrachtet. Unter Mitarbeit von Claus Leggewie. Wiesbaden, Heidelberg: Springer, S. 139–155. DOI: 10.1007/978-3-658-25579-4_7.

Spissinger, Florian (2024): Die Gefühlsgemeinschaft der AfD. Narrative, Praktiken und Räume zum Wohlfühlen. Dissertation. Universität Leipzig. DOI: 10.3224/84743063.

Teile diesen Artikel