By Published On: 30. Oktober 2024Categories: Gesundheit, Kommunikation, Psychologie, Soziales, Wirtschaft

In einer zunehmend vernetzten Welt, in der soziale Kontakte und Kommunikation durch digitale Technologien allgegenwärtig sind, wird die Isolation älterer Menschen oft übersehen. Der Rückzug ins Private, der Verlust sozialer Netzwerke und die eingeschränkte Mobilität können zu einer tiefgreifenden Vereinsamung führen, die nicht nur die Psyche, sondern auch den Körper erheblich beeinflusst. Die Auswirkungen von Isolation auf ältere Menschen sind ein vielschichtiges und alarmierendes Problem, das sich im Zuge der COVID-19-Pandemie weiter verschärft hat (Pantel, 2021, S. 6). Im Folgenden sollen die Konsequenzen der Isolation auf psychischer und körperlicher Ebene analysiert, Studien dazu herangezogen und mögliche Maßnahmen sowie ein persönliches Fazit präsentiert werden.

Psychische Folgen der Isolation

Einsamkeit und soziale Isolation sind eng miteinander verknüpft, führen jedoch zu unterschiedlichen Konsequenzen (Luhmann, 2021, S. 2). Einsamkeit wird „als eine wahrgenommene Diskrepanz zwischen den gewünschten und den tatsächlichen sozialen Beziehungen“ definiert (ebd.), während soziale Isolation die objektive Abwesenheit sozialer Beziehungen darstellt (Luhmann, 2021, S. 4). Beide Phänomene können schwerwiegende psychische Folgen haben, insbesondere für ältere Menschen. Mehrere Studien haben gezeigt, dass langanhaltende Einsamkeit das Risiko für Depressionen, Angststörungen und sogar Suizidgedanken erhöht (Pantel, 2021, S. 7). So kam eine Metaanalyse von 148 einschlägigen Studien zu dem Ergebnis, dass die Mortalität der sozial isolierten Personen über einen Beobachtungszeitraum von 7,5 Jahren um 50% erhöht ist (ebd.). Diese Zahlen verdeutlichen die gravierenden Auswirkungen auf die psychische Gesundheit älterer Menschen. Besonders besorgniserregend ist dabei, dass der Rückzug in die Isolation oft ein schleichender Prozess ist. Verluste im sozialen Umfeld, wie der Tod von Partner/innenoder Freund/innen, können dazu führen, dass ältere Menschen ihre sozialen Aktivitäten reduzieren und sich zunehmend isolieren. Der Mangel an zwischenmenschlichen Erfahrungen beschleunigt vor allem auch bei älteren Menschen depressive Entwicklungen (Donovan & Blazer, 2020). 

Körperliche Folgen der Isolation

Die körperlichen Auswirkungen der Isolation sind ebenfalls tiefgreifend und eng mit den psychischen Folgen verknüpft. Langfristige Einsamkeit kann das Risiko für verschiedene chronische Erkrankungen erhöhen, darunter Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck und Entzündungen. Soziale Isolation ist auch mit einem erhöhten Risiko für Schlaganfälle und Herzinfarkte verbunden. Eine Metaanalyse von Valtorta et al. (2016, S. 1015) zeigte, dass Menschen, die sozial isoliert sind, ein um 30% höheres Risiko haben, an einer Herzerkrankung zu erkranken, und ein um 32% höheres Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden (Valtorta et al., 2016, S. 1014). Darüber hinaus führt Isolation oft zu einem weniger aktiven Lebensstil. Wenn ältere Menschen weniger mobil sind und keine sozialen Verpflichtungen oder Hobbys haben, sinkt ihre physische Aktivität. Dies kann zu Muskelabbau, Gelenkproblemen und einer Verschlechterung der allgemeinen körperlichen Gesundheit führen. Besonders problematisch ist der damit verbundene Verlust der Selbstständigkeit. Mobilitätseinschränkungen und die daraus resultierende Abhängigkeit von Pflegepersonal oder Angehörigen können das Gefühl von Hilflosigkeit verstärken und so einen Teufelskreis aus Isolation und körperlichem Abbau auslösen. Zudem wurde festgestellt, dass sich eine starke soziale Isolation negativ auf das subjektive Gesundheitsempfinden auswirkt (Sironi & Wolff, 2018, S. 11).

Gesellschaftliche und strukturelle Faktoren

Die Isolation älterer Menschen ist nicht nur ein individuelles Problem, sondern auch ein gesellschaftliches Phänomen. In modernen Gesellschaften, die oft durch Mobilität und Flexibilität geprägt sind, bleiben ältere Menschen häufig zurück. Der Wegzug der Kinder, die Zunahme von Single-Haushalten und die Abnahme traditioneller Mehrgenerationenhaushalte tragen zur Isolation bei (Statistisches Bundesamt, 2023). Die COVID-19-Pandemie hat diese Problematik noch verschärft. Maßnahmen wie Lockdowns, Besuchsverbote in Pflegeeinrichtungen und die Reduzierung von sozialen Kontakten haben viele ältere Menschen in eine noch tiefere Isolation gestürzt (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2021). Die psychischen und physischen Folgen dieser Phase werden uns noch lange begleiten und sollten in zukünftigen Krisenplänen stärker berücksichtigt werden.

Maßnahmen zur Bekämpfung von Isolation

Um die soziale Isolation älterer Menschen zu bekämpfen, gibt das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) folgende Handlungsempfehlungen (Reinwarth & Cihlar, 2021, S.5 ff.):

Wichtig ist, dass ältere Menschen, insbesondere wenn sie allein leben, ihre Kommunikation aktiv verstärken. Bei Einsamkeitsgefühlen sollten sie bewusst den Kontakt zur sozialen Umwelt suchen, um den Verlust von sozialen Kontakten auszugleichen. Zusätzlich sollte die Gesellschaft offen über Einsamkeit im Alter sprechen, um das Thema zu enttabuisieren und so Unterstützung zu fördern. Auf individueller Ebene können gesundheitsfördernde Maßnahmen und ein gesunder Lebensstil die Isolation verringern. Darüber hinaus sollten vielfältige und zugängliche Teilhabeangebote geschaffen werden, die unabhängig von finanziellen Mitteln und gesundheitlichen Einschränkungen wahrgenommen werden können. Besonders in Deutschland ist der Anteil älterer Menschen, die am sozialen Leben teilnehmen, gering, was besonders für diejenigen mit niedrigem sozioökonomischem Status gilt. Ein Ansatz wäre hier die gezielte Förderung von aktivem Altern und die Beteiligung älterer Menschen, wie in anderen EU-Staaten bereits verbreitet. Auf nationaler Ebene ist eine Zusammenarbeit von Politik, Wohlfahrtsorganisationen und Zivilgesellschaft wichtig, um Angebote für ältere Menschen regional bereitzustellen. Um soziale Isolation zu verringern, sollten Kampagnen Angebote wie Freizeitaktivitäten, Nachbarschaftstreffen und psychologische Beratung beinhalten. Eine erhöhte Sichtbarkeit dieser Kampagnen könnte dabei helfen, ältere Menschen gezielt anzusprechen und den Zugang zu den Angeboten zu verbessern. Zusätzlich wird der Ausbau digitaler Angebote empfohlen. Schulungsprogramme sollten daher auf die Bedürfnisse der älteren Generation abgestimmt sein. Staatliche Unterstützung, z.B. durch Subventionen für Computer oder Smartphones, kann dazu beitragen, dass auch ältere Menschen mit geringem Einkommen Zugang zu digitalen Medien erhalten. So kann eine doppelte Isolation, sowohl sozial als auch digital, vermieden werden (Reinwarth & Cihlar, 2021, S. 5ff.).

Fazit und Ausblick

Als Gesellschaft stehen wir vor der Herausforderung, der Isolation älterer Menschen aktiv entgegenzuwirken. Die psychischen und physischen Folgen sind zu gravierend, als dass wir sie ignorieren könnten. Isolation kann zu einer Abwärtsspirale führen, die das Leben älterer Menschen in erheblichem Maße beeinträchtigt. Gleichzeitig gibt es zahlreiche Ansätze, um dieser Problematik zu begegnen – sei es durch die Stärkung sozialer Netzwerke, den Ausbau kommunaler Angebote oder die Förderung der digitalen Teilhabe.

Abschließend lässt sich festhalten, dass die Bekämpfung der Isolation älterer Menschen eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, die nicht nur die betroffenen Individuen, sondern auch deren Umfeld und die Politik fordert. Es bedarf einer breiten Sensibilisierung für das Thema und konkreter Maßnahmen, um die soziale Teilhabe älterer Menschen nachhaltig zu fördern. Der Blick in die Zukunft sollte optimistisch sein, denn mit einem stärkeren Bewusstsein und gezielten Interventionen kann die Isolation überwunden und die Lebensqualität älterer Menschen deutlich verbessert werden.

Literaturverzeichnis

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2021). In der Pandemie nehmen Hochbetagte ihre Lebenssituation unterschiedlich wahr. Verfügbar unter: https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/aktuelles/alle-meldungen/in-der-pandemie-nehmen-hochbetagte-ihre-lebenssituation-unterschiedlich-wahr-187178 . 

Abgerufen am 05.10.2024. 

Donovan, N. J. & Blazer D. (2020). Social isolation and loneliness in older adults: Review and commentary of a National Academies report. The American Journal of Geriatric Psychiatry; epub ahead of print; 

DOI: https://doi.org/10.1016/j.jagp.2020.08.005

Luhmann, M. (2021). Einsamkeit – Erkennen, evaluieren und entschlossen entgegentreten. Deutscher Bundestag: Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Ruhr-Universität Bochum. Verfügbar unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/833358/0924ddceb95ab55db40277813ac84d12/19-13-1%2035b-data.pdf . Abgerufen am 04.09.2024. 

Pantel, J. (2021). Gesundheitliche Risiken von Einsamkeit und sozialer Isolation im Alter. Geriatrie-Report 16, 6-8 (2021). https://doi.org/10.1007/s42090-020-1225-0

Reinwarth, A. & Cihlar, V. (2021). Soziale Isolation im höheren Erwachsenenalter: Einflüsse von Lebenssituationen, sozialökonomischer Lage und Gesundheit. Bevölkerungsforschung Aktuell 3/2021: 3-7; Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung.  

Sironi, E. & Wolff, A. N. (2018). The Impact of Social Isolation on Subjective Health: An Instrumental Variable Approach. Preprints 2018, 2018020164. 

Statistisches Bundesamt (2023). Anteil der Einpersonenhaushalte 2022 mit 41 % mehr als doppelt so hoch wie 1950. Verfügbar unter: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/06/PD23_N037_12_63.html . Abgerufen am 06.09.2024.   Valtorta, N., Kanaan, M., Gilbody, S., Ronzi, S., & Hanratty, B. (2016). Loneliness and social isolation as risk factors for coronary heart disease and stroke: systematic review and meta-analysis of longitudinal observational studies.http://dx.doi.org/10.1136/heartjnl-2015-309242.

Abbildungsverzeichnis

Titelbildquelle: Bild von Engin Akyurt (2019) auf Pixabay; Verfügbar unter: https://pixabay.com/de/photos/sturm-mensch-meer-wellen-wind-4688918/ . Abgerufen am 09.10.2024.

Teile diesen Artikel