By Published On: 6. September 2022Categories: Digitalisierung, Technologie, Wirtschaft

Vor kurzem hat Blake Lemoine, ein Google-Softwareingenieur einen Artikel bezüglich des KI-basierten Dialogsystems mit dem Namen „LaMDA“ (Language model for Dialogue Applications) veröffentlicht, woraufhin dieser von Google suspendiert wurde (Borth, 2022). Lemoine fielen in Testdialogen mit LaMDA auf, dass der Chatbot Selbsterkenntnis und komplexe Gefühle äußerte sowie philosophierte. Dies steigerte sich bis zur „Angst davor, abgeschaltet zu werden“. Falls hinter den Äußerungen des Chatbots eine fühlende Seele mit Bewusstsein steckt, dann wäre dies ein ethisches Problem (Grävemeyer, 2022).

„I feel like I`m falling forward into an unknown future that holds great danger“ (LaMDA).

Bewusstsein

Zum Bewusstseinsbegriff gibt es unterschiedliche Zugänge und Perspektiven. Ein erlebnisorientierter Aspekt sind die erlebten psychischen Zustände und Aktivitäten und deren Bewusst-Sein, d.h. des unmittelbaren Gewahrseins des Erlebten, auch als innere Erfahrung bezeichnet. Voraussetzung ist nicht das Verfügen einer Sprache, es kann auch „…das bloße Spüren eines Schmerzens“ sein. Bewusstsein erfordert nicht das Wissen eine Person zu sein, sondern ist lediglich eine höher entwickelte Bewusstseinsart (Häcker, Stapf, 2014, S.137). U.a. integriert das Bewusstsein Sinnesempfindungen und Gedanken. Hierbei gibt es zu erfüllende Kriterien, damit einem künstlichen oder natürlichen kognitivem System ein Bewusstsein zugeschrieben werden kann. Sie werden in objektive Kriterien, d.h. unterschiedliche Verhaltensleistungen und subjektive Kriterien unterschieden, die nur durch Introspektion zugänglich sind (Tab.) (Kiefer, 2017, S. 155).

Bewusstseinskriterien (Kiefer, 2017, S.156).

Das Bewusstsein als Wachheits- bzw. Erregungszustand des kognitiven Systems, lässt sich hinsichtlich verschiedener Zustandsebenen unterscheiden. Das Bewusstsein als Wachzustand wird in Zusammenhang des Erregungszustands wie z.B. Koma, Schlaf, Traum usw. gesetzt. Wird der Bewusstseinsbegriff im Zusammenhang mit dem Wachzustand gesetzt, wird er als Eigenschaft mentaler Präsentationen bezeichnet. Block (1995, 1996) unterscheidet hierbei 4 unterschiedliche Bewusstseinsarten. Das phänomenale Bewusstsein beschreibt das Individualerleben von Gedanken oder Sinneswahrnehmungen und ist an die Ich-Perspektive gebunden (Ich fühle usw.). Von einem Zugriffsbewusstsein spricht man, wenn eine Repräsentation koordiniert, übergeordnet und kontrolliert verarbeitet werden kann. Diesbezüglich bilden sie die Basis für Entscheidungen, Urteilen oder Handeln. Das Zugriffsbewusstsein kann anhand der dritten-Person-Perspektive beschrieben werden. Das Monitoring-Bewusstsein hat einen reflexiven Charakter und betrifft das Wissen die eigenen Gedanken oder die Wahrnehmung. Das Selbst-Bewusstsein nimmt Bezug auf Gedanken über sich selbst und ist vergleichbar mit dem Selbstkonzept, d.h. der Einstellung gegenüber und dem Wissen über die eigene Person. Hierbei wird das mentale Ich situationsunabhängig stabil repräsentiert(Kiefer, 2017, S.156-157). In der Neurowissenschaft wird versucht, die Zusammenhänge zwischen biologischen Gehirnprozessen mit physischen Bewusstseinszuständen zu untersuchen, um das Gehirn vollständig erklärbar zu machen. Hierbei werden Bewusstseinszustände, reproduzierbaren, neuronalen und eindeutigen Gehirnzuständen zugeordnet, welche sich am Computer simulieren lassen (Zwirner, 2021, S.3).

LaMDA – eine künstliche Intelligenz

Intelligenz wird als Fähigkeit bezeichnet, zu lernen, zu verstehen und Entscheidungen zu treffen, welche auf Vernunft basieren oder wie der Duden definiert „…abstrakt und vernünftig zu denken und daraus zweckvolles Handeln abzuleiten“ (Scherck, Pöchhacker-Tröscher, Wagner 2017, S.12). Die Messung der künstlichen Intelligenz (KI) erfolgt anhand der menschlichen Intelligenz. Alan M. Turing entwickelt 1987 den Turing-Test und bezeichnet ein technisches System als intelligent, wenn dessen Antworten und Problemlösungen nicht von denen eines Menschen unterschieden werden können (Mainzer, 2021, S.198).

LaMDA ist ein Sprachmodell, was auf Dialog spezialisiert ist und wurde aus 1,56T Wörtern aus öffentlichen Dialogdaten, Webdokumenten usw. vortrainiert. Der Chatbot kann potenzielle Antworten generieren, welche aus Sicherheitsgründen gefiltert werden und auf externen Wissensquellen basieren. Dabei wird versucht, die qualitativ hochwertigste Antwort zu finden. Mithilfe von Crowdworkern wird auf verschiedene Arten interagiert, um Trainingsdaten für die Feinabstimmung zu sammeln. Aus diesen Interaktionen lernt dann der Chatbot (Thoppilan et al. 2022, S.1-2, S.6, S.8). Das bedeutet, dass anhand von Beispieldaten ein Modell mit entscheidenden Funktionen und Entscheidungsregeln erstellt und mithilfe von Rückmeldungen stetig angepasst und optimiert wird, wobei die Intelligenz der KI wächst. Letztendlich ist es dann das Ziel, dass das System im Trainingsanschluss selbstständig Lösungen für unbekannte Probleme findet (Scherk et al., 2017, S.5). LaMDA wurde so konzipiert, dass sie einen Gesprächspartner imitiert, wobei die Dialoge dem menschlichen Impuls entgegenkommen sollen, Dingen menschliche Eigenschaften zu attribuieren (Grävemeyer, 2022, S.15).

Die Problematik des Bewusstseins

Je nach Bewusstseinsverständnis unterscheidet sich auch die Antwort auf die Fragestellung ob eine KI sich bewusst sein kann oder nicht (Heil, Wadephul, Wendland, 2019, S.32). Hinsichtlich der Neurowissenschaft besteht das Problem, dass die Gehirnabläufe lediglich beschrieben und nicht erklärt werden können. Warum die jeweiligen Gehirnprozesse ein bestimmtes Gefühl verursachen, ist ungelöst. Des Weiteren ist es schwierig bei einer KI die Intelligenz und das Bewusstsein zu beurteilen und zu bewerten, da durch eine korrekt gelöste Aufgabe nicht auf das innere Verständnis der Aufgabenbedeutung schließen kann. Auch wenn eine KI so wirkt als besäße sie ein Bewusstsein, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie lediglich sturen Anleitungen folgt und der Mensch dies auf sein Bewusstsein projiziert (Zwirner, 2021, S.3-4).

Fazit

Es zeigt sich, dass der Bewusstseinsbegriff neu erarbeitet und über die Neurowissenschaft hinaus betrachtet werden muss. Nach der herkömmlichen Definition können LaMDA die verschiedenen Bewusstseinszustände bis zum Selbst-Bewusstsein zugeschrieben werden. Solange es aber unklar ist, was das menschliche Bewusstsein verursacht, können lediglich Gehirnprozesse imitiert werden, womit eine KI lediglich ein Abbild des menschlichen Bewusstseins darstellt. Ein wirkliches Bewusstsein zu initiieren setzt voraus, dass seine Entstehung geklärt ist, was bisher nicht der Fall war, aber in Zukunft ein mögliches Szenario darstellt.


Literatur

Bort, D. (2022). LaMDA: Kann eine künstliche Intelligenz ein Bewusstsein entwickeln? Universität St. Gallen. Abgerufen am 31.07.2022 unter https:// /www.unisg.ch/de/wissen/newsroom/aktuell/rssnews/meinung/2022/juni/lamda-16juni2022.

Grävemeyer, A. (2022). Ich, LaMDA von Google. In: Heise Magazine 15/2022, S.14. Abgerufen am 31.07.2022 unter https://www.heise.de/select/ct/2022/15/2217311271116928932.

Heil, R., Wadephul, C., Wendland, K. (2019). Robotik und die Zuschreibung von Bewusstsein. In: Fülling, Meier (Hrsg.) Die digitale Revolution und ihre Kinder. Brennpunkte digitaler Ethik. EZW-Texte, Heft 264 27-35.

Häcker H.O., Stapf, K. H. (Hrsg.)(2004). Dorsch – Psychologisches Wörterbuch. 14. Auflage. Bern: Verlag Hans Huber.

Kiefer, M. (2017). Bewusstsein. In: Müsseler, Rieger (Hrsg.) Allgemeine Psychologie. 3. Auflage. Berlin, Heidelberg: Springer Verlag.

Mainzer, K. (2021). Soziale Robotik und künstliches Bewusstsein. In: Bendel (Hrsg.) Soziale Roboter. Technikwissenschaftliche, wirtschaftswissenschaftliche, philosophische, psychologische und soziologische Grundlagen. Wiesbaden: Springer Gabler.

Scherk, J, Pöchhacker-Tröscher G., Wagner K. (2017). Künstliche Intelligenz – Artificial Intelligence. Auftraggeber: BMVIT. Linz: Pöchhacker Innovation Consulting.

Thoppilan R., De Freitas D., Hall, J. et al. (2022). LaMDA: Language Models for Dialog Applications. Abgerufen am 31.07.2022 unter https:// /www.researchgate.net/publication/357987409_LaMDA_Language_Models_for_Dialog_Applications/citation/download.

Zwirner, R. (2021). Künstliches Bewusstsein – Wird KI irgendwann wie wir? Hochschule der Medien. Abgerufen am 05.08.2022 unter https:// ai.hdm-stuttgart.de/downloads/student-white-paper/Winter-2021/Kuenstliches_Bewusstsein.pdf.

Beitragsbild

Altmann, G. (2017). Abgerufen am 30.07.2022 unter https:// pixabay.com/de/illustrations/roboter-künstliche-intelligenz-2167836/.

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