Während der Corona-Pandemie hat die Onlinepsychotherapie in Deutschland einen großen Sprung gemacht, weil viele Menschen Angst vor sozialkörperlichen Kontakt hatten und/oder eine Therapiesitzung mit Maske als nicht angenehm empfanden (Eichenberg, 2021, S. 195). Internetbasierte Interventionsprogramme gibt es jedoch bereits seit Mitte der 1990er-Jahre (Ruwaard, Lange, Schrieken & Emmelkamp, 2011, S. 9). Seither hat sich im Bereich der klinischen Cyberpsychologie und Cybertherapie viel getan (Andersson, 2016, S. 157). Mithilfe dieses Artikels soll geklärt werden, was unter internetbasierten Interventionen verstanden wird.
Begriffsbestimmung Internetbasierte Interventionen
Bereits im ersten Abschnitt wurden verschiedenste Begriffe verwendet, um die im Internet durchgeführten Aktivitäten zur Prävention, Behandlung und Rehabilitation der psychischen und physischen Gesundheit auszudrücken. Hierfür hat sich der Oberbegriff Internet-Intervention etabliert (Berger, Bur & Krieger, 2019, S. 413). Weitere Begriffe sind u. a. E-Mental-Health, webbasierte Therapie, internetbasierte Intervention, E-Health, Cybertherapie, E-Therapie, E-Intervention, computervermittelte Intervention, Online-Therapie, Online-Beratung, Online-Psychotherapie, Remote-Therapie u. v. m. (Barak, Klein & Proudfoot, 2009, S. 4). Smoktunowicz und Kollegium (2020) beschreiben, dass diese Begriffe sehr differenziert betrachtet werden müssen und nicht synonym verwendet werden können. Weiterhin wird beschrieben, dass die vielen Begriffe und deren nicht einheitliche Definition zu Missverständnissen in der Kommunikation führen (Smoktunowicz et al., 2020, S. 2, 4). Berger und Mitarbeitende (2019) beschreiben, dass sich die einzelnen Begriffe in Subgruppen beschreiben lassen, wie z. B. Beschreibung von inhaltlichen Ansätzen, verwendetes Kommunikationsmittel oder die verschiedenen Interventionsformate (S. 413).
Worin sich jedoch alle Wissenschaftler aus diesem Forschungsgebiet einig sind, ist die Definition des Oberbegriffes internetbasierte Intervention. Barak und Kolleginnen (2009) beschreiben die web-based Intervention als „a primarily self-guided Intervention program that is executed by means of a prescriptive online program operated through a website and used by consumers seeking health- and mental-health related assistance. The intervention program itself attempts to create positive change and or improve/enhance knowledge, awareness, and understanding via the provision of sound health-related material and use of interactive web-based components” (Barak et al., 2009, S. 5).
Aus dieser Definition gehen drei verschiedene Formen von Interventionsprogrammen hervor: (1) Selbsthilfeprogramme; (2) TherapeutInnengestützte Selbsthilfeprogramme und (3) Internet allein als Kommunikationsmedium (Barak et al., 2009, S. 5). Berger und Kollegium (2019) haben die Interventionsformate zu einer 2-Dimensionalen-Skala erweitert, die in der obigen Abbildung zu sehen ist. Die erste Dimension betrachtet dabei den Grad der Automatisierung eines Programms und die zweite Dimension bezieht sich auf die Patienten-Therapeuten-Ebene. Bei der Automatisierung eines Programms wird betrachtet, inwiefern das Programm oder die App durch therapeutisches Personal begleitet wird. Bei einem ungeleiteten Selbsthilfeprogramm, vergleichbar einem Selbsthilfebuch, hat die beanspruchende Person keinen Kontakt zu therapeutischem Personal. Hingegen ist bei der E-Mail-, Chat-, oder Video-Therapie eine Eins-zu-eins-Betreuung, ähnlich der konventionellen Psychotherapie, möglich. Die Ebene der Distanz betrachtet, ob eine Therapie im Internet durchgeführt wird, eine Mischform besitzt oder komplett vor Ort stattfindet. Bei der Mischform wird von Blended Therapy gesprochen. Eine Blended Therapy ist immer eine Kombination aus einer face to face Kommunikation und einem Programm mit unterschiedlichen Automatisierungsgrad (Berger et al., 2019, S. 413–415).
Aus den bisherigen Ausführungen wurde bereits deutlich, dass die einzelnen internetbasierten Interventionen in verschiedenen Gruppen zusammengefasst werden. Entsprechend Bielinski und Berger (2020) beinhalten ungeleitete, geleitete und blended Formate webbasierte Selbsthilfeprogramme, die mit mehr oder weniger TherapeutInnenkontakt, online oder face to face, kombiniert werden. Darüber hinaus gibt es noch die Form der Online-Therapien, die über E-Mail, Chat oder eine Videokonferenz zwischen den PatientInnen und TherapeutInnen stattfindet (Bielinski & Berger, 2020, S. 68–69). Diese Differenzierung der einzelnen Formate ist sehr wichtig, da der Wirkungsgrad und die empirische Evidenz sich je nach Form unterscheiden (Berger & Krieger, 2018, S. 19).
Fazit
Die verschiedenen Begriffe, die für eine internetbasierte Intervention verwendet werden, sind bereits für Wissenschaftler und Fachpersonal schwer auseinanderzuhalten. Für den Laien ist dies unmöglich. Für die Zukunft ist es empfehlenswert, dass weiterhin an dem Vorschlag von Smoktunowicz und Kollegium (2020) gearbeitet wird, eine Art Lexikon für die verschiedenen Begrifflichkeiten ins Leben zu rufen. Dies führt zu mehr Konsistenz in der Sprache und zu weniger Missverständnissen (Smoktunowicz et al., 2020, S. 4). Eine klare Terminologie und somit eine bessere Zuordnung der einzelnen Verfahren kann außerdem dazu führen, dass Hausärzte und psychotherapeutisches Fachpersonal vermehrt auf internetbasierte Interventionen zurückgreifen und ihren Patienten hierfür ein Rezept ausstellen. Es gibt insbesondere für Selbsthilfeprogramme eine sehr gute Evidenz, jedoch sind die Studien mitunter durch die verschiedenen Termini schwer zu finden.
Literatur
Andersson, G. (2016). Internet-Delivered Psychological Treatments. Annual Review of Clinical Psychology, 12, 157–179. https://doi.org/10.1146/annurev-clinpsy-021815-093006
Barak, A., Klein, B. & Proudfoot, J. G. (2009). Defining internet-supported therapeutic interventions. Annals of behavioral medicine, 38(1), 4–17. https://doi.org/10.1007/s12160-009-9130-7
Berger, T., Bur, O. & Krieger, T. (2019). Internet-Interventionen in der Psychotherapie. Psychotherapie Psychosomatik Medizinische Psychologie, 69(09/10), 413–426. https://doi.org/10.1055/a-0963-9055
Berger, T. & Krieger, T. (2018). Internet-Interventionen: Ein Überblick. Psychotherapie im Dialog, 19(04), 18–24. https://doi.org/10.1055/a-0592-0282
Bielinski, L. L. & Berger, T. (2020). Internet Interventions for Mental Health: Current State of Research, Lessons Learned and Future Directions. Counseling Psychology and Psychotherapy, 28(3), 65–83. https://doi.org/10.17759/cpp.2020280305
Eichenberg, C. (2021). Onlinepsychotherapie in Zeiten der Coronapandemie. Psychotherapeut, 66(3), 195–202. https://doi.org/10.1007/s00278-020-00484-0
Ruwaard, J., Lange, A., Schrieken, B. & Emmelkamp, P. (2011). Efficacy and effectiveness of online cognitive behavioral treatment: a decade of interapy research. Studies in Health Technology and Informatics, 167(1), 9–14.
Smoktunowicz, E., Barak, A., Andersson, G., Banos, R. M., Berger, T., Botella, C. et al. (2020). Consensus statement on the problem of terminology in psychological interventions using the internet or digitial components. Internet Interventions, 21(2) [Onlinepublikation]. https://doi.org/10.1016/j.invent.2020.100331
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