Die Digitalisierung vernetzt den privaten und beruflichen Alltag immer flächendeckender. Dadurch genießen auch „neue Trends“ wie eSports und Serious Games steigende Aufmerksamkeit. Dieser Artikel orientiert sich an dem Werk „E-Sport – Perspektiven aus Wissenschaft und Wirtschaft“ von Dr. Markus Breuer (hrsg.) und Kollegen.
Für die Recherche dieses Beitrages, sprach ich Anfang 2019 mit Prof. Dr. Markus Breuer, Studiengangsleiter International Management and Leadership und General Management and Leadership an der SRH Hochschule Heidelberg. Als Herausgeber veröffentlichte er das Buch „E–Sport – Perspektiven aus Wissenschaft und Wirtschaft“. Dort werden aktuelle Studien und Zukunftsperspektiven rund um das Thema eSports und Serious Gaming aus verschiedenen Perspektiven dargestellt. Digitale Medien – in Form von Computer- und Videospielen – werden von 21 Millionen Menschen in Deutschland aktiv konsumiert. Das entspricht etwa jedem vierten Bundesbürger mit einem Alter von über 14 Jahren[1]. Gespielt wird vor allem auf dem Computer, Handy aber auch Konsolen und tragbaren Geräten. Aus dem gelegentlichen Spielen als Zeitvertreib entwickelt sich seit Jahren eine neue Disziplin: Der eSport. Als elektrischer Sport sind in dieser Disziplin vor allem Echtzeitstrategie Spiele, Shooter und Sport (Fußball) etabliert[2]. Aus dem Hobby „Videospiele“ entsteht damit ein Wettbewerb und aus Gamern werden „Pro-Gamer“. In Ländern wie Korea, den U.S.A, Russland oder China gilt eSports mittlerweile sogar als offizielle Sportart[3].
E-Sports und Serious Games
E – Sports, also elektronischer Sport, beschreibt das „wettbewerbsmäßige Spielen von Computer- oder Videospielen im Einzel- oder Mehrspielermodus“[4]. Die rasante Entwicklung des Internets führte zu immer mehr Spielergemeinschaften, um die sich zunehmend eine ganz eigene Fan – Kultur entwickelt, die wiederum durch eine eigene Sprache und steigenden Zuschauer- und Angehörigenzahlen auffällt[5].
Damit kann behauptet werden, dass sich Gaming und eSports von einem Nischenphänomen zu einem Massenphänomen entwickelt, was auch dadurch bekräftigt wird, dass Medien immer stärker auf diese „Szene“ aufmerksam werden. Hinzu kommen Video und Livestream Plattformen wie Twitch (zugehörig zu Amazon) oder YouTube (Google) wo täglich hunderttausende Menschen dabei zugucken, wie „Gamer“ oder „Streamer“ ihre Spiele übertragen. Dabei entstehen um die sowohl männlichen wie auch weiblichen Streamer/-innen, regelrechte Fan Kulturen und damit auch steigende Attraktivität für Marketing und Werbung.
Abb. 1: Prognose zum Umsatz von Videospielen, in: www.statista.de (am 11.12.2020)
Serious Games
Serious Games orientieren sich an ernsthaften Einsatzzwecken, wie beispielsweise in der Rehabilitation. Aus Wissenschaftlicher Sicht werden beim leistungsorientierten Spielen (E-Sports) spezifische Charakteristika einer motorischen Handlung erfüllt, die sich auf Variablen wie Wahrnehmungsprozesse, Analyseprozesse, Entscheidungsprozesse, Aktivierungsprozesse, Realisierungsprozesse und Kontrollprozesse betrachten[6]. Serious Games hingegen verbinden vor allem neueste technische Möglichkeiten nach dem pädagogischen Lehrsatz des Konfuzius:
„Erkläre mir, und ich werde vergessen. Zeige mir, und ich werde mich erinnern. Beteilige mich, und ich werde verstehen.”
Einige Studien orientieren sich an dem Einsatz von Serious Games in Seniorenheimen, um beispielsweise die Sturzanfälligkeit zu reduzieren, indem der Gleichgewichtssinn verbessert wird. Dabei konnten valide positive Ergebnisse erzielt werden[7]. Weitere Studien zeigen, dass auf koordinativer, perzeptiver und konditioneller Ebene sowie bei physiologischer und metabolischer Betrachtung positive Transfereffekte zu beobachten sind[8]. Dazu gehört beispielsweise die Steigerung des Energieumsatzes, die Verbesserung des „Taktikwissens, die Reduktion der Sturzanfälligkeit oder die Erhöhung von Kraftparametern. Jedoch sollte die Tragweite und Generalisierung der Ergebnisse auf Primärstudienebene sowie die methodischen Limitationen nicht unberücksichtigt bleiben“[9].
Vor allem aus pädagogischer Sicht wird das Spielen mit positiven Entwicklungsmöglichkeiten verknüpft. „Spielen wird zum Selbstzweck und zwanglos betrieben (intrinsische Motivation), kann zu Flow-Erlebnissen führen, ist scheinhaft – fiktiv. Man kann die Realitätsbezüge zwanglos wechseln. Das Spiel ist zugleich offen bezüglich Verlaufs und Ausgang, aber auch geschlossen bezüglich der Regeln und Spielbedingungen. Spiele haben gewöhnlich einfache Zielstrukturen. Spiele vermitteln ein Gefühl der Unmittelbarkeit, indem auf alle Spielaktionen unmittelbare Reaktionen erfolgen. Spiele motivieren und aktivieren; sie können – Ritual – ähnlich – beliebig oft wiederholt werden. Spiele tragen in dieser Sichtweise zu einer gesunden Entwicklung bei“[10].
Transfereffekte
Die Wissenschaft rund um den Forschungsgegenstand „Gaming“ wie auch „Serious Games“, steckt noch in den Kinderschuhen. Erste Ergebnisse dieser dennoch jungen wissenschaftlichen Disziplin präsentiert Dr. Markus Breuer. Vor allem nachweisbare Transfereffekte offenbaren interessante Bereiche, die für die Forschung zukünftig neue Ansätze darstellen könnte[11]. Hinsichtlich von Ablauf- und Bewältigungsprozessen lässt sich vermuten, dass durch das Computerspielen eine „Förderung von kognitiven und sensomotorischen Fähigkeitsbereichen sowie auch der sozialen Kompetenz, der Medienkompetenz und der persönlichkeitsbezogenen Kompetenz als möglich erachtet wird“[12]. Genauer gesagt bedeutet das für die Kognitiven Fähigkeiten, dass die Wahrnehmung, die Aufmerksamkeit, die Konzentration, das Gedächtnis, die Abstraktion, das Schlussfolgern, das Struktur- und das Bedeutungsverständnis, die Handlungsplanung, das Lösen neuer Aufgaben und das Problemlösen als förderbare Faktoren dargestellt werden[13]. Um die Transfereffekte von digitalen Spielen zu untersuchen wurden in seinem Werk insgesamt 24 vorhandene Studien betrachtet. Vor allem im Setting von Gleichgewichtsübungen mit dem Schwerpunkt auf Sturzprophylaxe bei Senioren, konnten positive Transfereffekte erzielt werden[14].
Die Nutzung von Videospielen, egal ob professionell – leistungsorientiert oder als Freizeitgestaltung, verlagert sich immer stärker in Multiplayer Spiele, wo man weltweit gemeinsam mit anderen Spielern mit- / und gegeneinander spielt. Dadurch steigt zum einen die Kommunikation innerhalb des Spiels – darüber hinaus auch in sozialen Netzwerken und auf Streaming Plattformen, wo ein regelmäßiger Austausch stattfindet[15]. Auch die Integration von Spielern in soziale Netzwerke unterstützt das psychische Wohlbefinden und beugt sozialer Isolation vor[16]. Doch der Faktor von einer möglicherweise verfließenden Realität, durch virtuelle und reale Welt ist als kritisch anzusehen. So kann auch hinsichtlich der sozialen Isolation ein Konflikt dargestellt werden: auch wenn Spieler virtuell vernetzt sind, besteht gleichzeitig das Risiko, dass sie anders als in ihrem virtuellen sozialen Netzwerk, das reale Netzwerk wiederum vernachlässigen, was zur Grundform der Isolation führen kann[17]. Darüber hinaus spielt der Suchtfaktor eine nach wie vor sehr hohe Rolle im Bereich von Videospielkonsum.
Bisherige Untersuchungen zeigen, dass die Nutzung elektronischer Spiele sowohl Medienkompetenzen als auch technologische Kompetenzen fördert. Wie stark die aufgezählten Effekte wirklich ausgeprägt sind und gefördert werden, bedarf allerdings noch weiteren Untersuchungen.
Kritische Einordnung
Vor allem Serious Games könnten zukünftig verstärkt in Bereichen wie der Gesundheitsförderung, Prävention und Rehabilitation etabliert werden, um beispielsweise bei der Bewohnerbetreuung von Pflegeeinrichtungen zum Einsatz zu kommen. Neben vielen – inzwischen auch empirisch belegten – positiven Effekten und Auswirkungen, sollten aber auch immer wieder die negativen Effekte wie z.B. die Suchtentwicklung thematisiert werden. Einen Vorstoß wagt hier die AOK, die gezielt eSportler, Vereine und Clans betreut[18].
Professor Doktor Markus Breuer antwortete in dem Gespräch 2019 auf die Frage nach einer Prognose für die zukünftige Entwicklung von Gaming und E-Sport: „Es wird sich wohl darin entscheiden und messen lassen, ob aktive Spieler langfristig auch zu aktiven Konsumenten werden“. Daneben werden aber auch technologieabhängige Faktoren und innovative Konzepte – seitens Soft- und Hardware Entwickler – darüber entscheiden, ob die digitalen Medien zu einer noch stärkeren Wirtschaftsgröße werden können. Das Buch „E-Sport – Perspektiven aus Wissenschaft und Wirtschaft“ gibt dabei sehr interessante Einblicke aber gleichzeitig auch Anstöße, für die zukünftige Forschung auf dem durchaus komplexen und vielversprechenden Gebiet von (Serious/ Pro- ) Gaming.
[1] Vgl. Breuer, M. (2012), S. 37
[2] Vgl. Breuer, M. (2012), S. 137
[3] Vgl. Eichgrün, M. (2017) in: Sport1 (hrsg.), www.sport1.de (am 11.12.2020)
[4] Breuer, M. (2012), S.7 nach Müller – Lietzkow
[5] Vgl. Breuer, M. (2012), S. 119
[6] Vgl. Breuer, M. (2012), S. 38
[7] Vgl. Breuer, M. (2012), S. 31
[8] Vgl. Breuer, M. (2012), S. 31
[9] Breuer, M. (2012), S. 31
[10] Wiemayer, J. (2010), in: www.germanjournalsportsmedicine.com (10.11.2020)
[11] Vgl. Breuer, M. (2012), S. 14
[12] Breuer, M. (2012), S. 39
[13] Vgl. Breuer, M. (2012), S. 39
[14] Vgl. Breuer, M. (2012), S. 31
[15] Vgl. Breuer, M. (2012), S. 71
[16] Vgl. Breuer, M. (2012), S. 71
[17] Vgl. Breuer, M. (2012), S. 72
[18] Link: https://esports.nordwest.aok.de/allgemein/mission/ (am 27.08.2020)
Quellen
Breuer, M. (2012), E-Sport – Perspektiven aus Wissenschaft und Wirtschaft,
Werner Hülbusch Verlag, Glückstadt 2017.
Eichgrün, M. (2017) in: Sport1 (hrsg.),Wie eSport ganze Kulturen prägt.
URL: https://www.sport1.de/esports/2017/10/laender-im-esports-pro-gaming-als-teil-der-kultur
Statista (2017), VentureBeat (hrsg.), Prognose zum Umsatz im Markt für
Videogames weltweit von 2011 bis 2020 nach Segment
URL:
Wiemeyer, J. (2010), Gesundheit auf dem Spiel? – Serious Games in
Prävention und Rehabilitation.
Wulf, C. (o.J.), Auf die Millennials folgt Jugend forsch
URL:
https://www.pwc.de/de/handel-und-konsumguter/so-tickt-die-generation-z.html
Bildquelle: https://pixabay.com/de/illustrations/videospiel-80er-jahre-essen-hunger-1332694/