By Published On: 26. Dezember 2016Categories: Psychologie, Wirtschaft

Wenn man sich mit den Themen Führung und

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Abb. 1: Wegweiser

Kompetenzen beschäftigt, wird man zunehmend mit dem Begriff der ‚emotionalen Intelligenz’ konfrontiert. Doch was genau ist überhaupt emotionale Intelligenz und kann sie den Erfolg von Führungskräften wirklich positiv beeinflussen?

 

Herkunft und Bedeutung

Die Psychologen Solvey und Mayer führten den Begriff der ‚emotionalen Intelligenz’ vor 25 Jahren in die wissenschaftliche Psychologie ein. Sie konzipierten die emotionale Intelligenz tatsächlich als Intelligenz – also als Fähigkeit.[1] Solvey und Mayer zufolge lässt sich die emotionale Intelligenz als mentales Prozessgeschehen auffassen, das vier Aspekte beinhaltet:[2]

  1. Wahrnehmung von Emotionen: Wahrnehmung, Bewertung und Ausdruck von Emotionen (Menschen mit einer hohen Ausprägung dieses Bereiches sind in der Lage, Emotionen bei anderen Menschen gut erkennen zu können beispielsweise an der Wortwahl, der Stimmlage und dem Verhalten.)
  2. Verwendung von Emotionen zur Unterstützung des Denkens: Kenntnis über Zusammenhänge zwischen Emotionen und Denken (Menschen mit einer hohen Ausprägung dieses Bereiches nutzen Emotionen als Gedächtnisstütze, zur Förderung der Berücksichtigung unterschiedlicher Standpunkte und als günstige Problemlösefähigkeit.)
  3. Verstehen von Emotionen: Emotionen verstehen und analysieren, Einsatz des Wissens über Emotionen (Menschen mit einer hohen Ausprägung dieses Bereiches sind fähig Emotionen exakt zu benennen, deren Beziehung und Sinngehalt zu erkennen und zu verstehen und somit sind sie sich der Übergänge zwischen Emotionen bewusst.)
  4. Umgang mit Emotionen: Reflektive Regulierung von Emotionen zur Förderung emotionalen und intellektuellen Wachstums (Menschen mit einer hohen Ausprägung dieses Bereiches können sich innerlich von einer spezifischen Emotion lösen und darüber reflektieren. Des Weiteren sind sie in der Lage, Emotionen bei sich selbst und anderen zu prüfen und zu beurteilen, ob die ausgedrückte Emotion typisch, beeinflusst oder unangemessen ist. Das ermöglicht diesen Menschen, mit den eigenen Emotionen und den Emotionen anderer umzugehen und sie zur Förderung emotionalen und intellektuellen Wachstums zu nutzen.)

Populär machte den Begriff der Psychologe und Journalist Goleman mit seinem 1995 erschienenen Bestseller ‚EQ – Emotionale Intelligenz’.[3] Goleman sieht in der emotionalen Intelligenz eine wichtige Voraussetzung für die berufliche Karriere und erfolgreiche Führung und orientiert den Begriff damit stärker an der Arbeitswelt. Goleman unterscheidet zunächst fünf grundlegende emotionale und soziale Kompetenzen:[4]

  1. Selbstwahrnehmung im Sinne der Fähigkeit, sich über eigene Gefühle und Stimmungen und über das, was uns antreibt, bewusst zu werden sowie eine realistische Einschätzung der eigenen Fähigkeiten und ein wohlbegründetes Selbstvertrauen zu besitzen.
  2. Selbstregulierung als Kompetenz, auf eine Weise mit Emotionen umgehen zu können, welche die Aufgabenerfüllung erleichtert. Dazu gehört nach Goleman auch die Fähigkeit, gewissenhaft zu sein und Entlohnung aufschieben zu können, um ein Ziel zu verfolgen sowie sich von emotionalen Belastungen gut zu erholen.
  3. Motivation als Bestreben, wichtige Ziele zu erreichen, sich zu verbessern sowie angesichts von Rückschlägen und Frustrationen nicht aufzugeben.
  4. Empathie im Sinne eines Gespürs dafür, was andere empfinden und der Fähigkeit, sich in ihre Lage zu versetzen sowie persönlichen Kontakt und enge Abstimmung mit vielen unterschiedlich geprägten Menschen zu pflegen.
  5. Soziale Fähigkeiten als Kompetenz, soziale Situationen und Beziehungsgeflechte genau zu erfassen, in Beziehungen reflektiert mit Emotionen umzugehen, um reibungslos mit anderen zu interagieren. Dazu gehören ausgefeilte Kommunikationsfähigkeiten ebenso, wie Fähigkeiten zu überzeugen und zu führen, zu verhandeln und Streitigkeiten zu schlichten.

Später fasste Goleman seine Theorie auf vier Aspekte zusammen: Selbstwahrnehmung (vormals der erste Aspekt), Selbstmanagement (vormals der zweite Aspekt), soziales Bewusstsein (vormals der vierte Aspekt) und Beziehungsmanagement (vormals der fünfte Aspekt). Der dritte Aspekt fiel größtenteils weg und wurde in andere Aspekte integriert.[5]

Durch die verschiedenen Aspekte wird deutlich sichtbar, dass mit der emotionalen Intelligenz Kompetenzen umschrieben werden, die die Intelligenz im Sinne rein kognitiver Fähigkeiten ergänzen und von außerordentlich hoher Bedeutung für die heutige Arbeitswelt sind.

 

Anwendung in der Praxis

Doch wie lässt sich nun die emotionale Intelligenz auf die Führungsqualitäten übertragen? Goleman unterschied zwischen persönlichen Kompetenzen (Selbstwahrnehmung und Selbstmanagement) und soziale Komponenten (soziales Bewusstsein und Beziehungsmanagement) sowie zwischen Wahrnehmung (Selbstwahrnehmung und soziales Bewusstsein) und Management (Selbstmanagement und Beziehungsmanagement).[6] Er schlug vor, dass gute Führungspersonen nachfolgend aufgelistete Eigenschaften aus dem Bereich der emotionalen Intelligenz aufweisen sollten:[7]

Persönliche KompetenzSoziale Kompetenz
WahrnehmungSelbstwahrnehmung Soziales Bewusstsein
• kennt die eigenen Emotionen und die möglichen Auswirkungen• nimmt Gefühle und Sichtweisen anderer Menschen wahr und beteiligt sich aktiv an ihren Gefühlen und Bedenken
• kennt eigene Stärken und Grenzen• erkennt und stillt die Wünsche anderer
• hat Selbstvertrauen• erfasst soziale Beziehungen am Arbeitsplatz
ManagementSelbstmanagementBeziehungsmanagement
• ist anpassungsfähig und flexibel im Umgang mit Veränderungen• ist Lenker und Inspirator einzelner Personen und Gruppen
• kann eigene Emotionen steuern in der Arbeit mit anderen • besitzt die Fähigkeit, anderen Menschen zu helfen und sie bei der Weiterentwicklung zu unterstützen
• ist aktiv, leistungsorientiert, strebt nach Verbesserung, ist vertrauenswürdig, integer und optimistisch• führt Veränderungen herbei, baut Bezie-hungen in der Organisation auf und fördert Teamarbeit

Gestützt wird die Aussage aus der obenstehenden Tabelle durch eine Studie mit Athletinnen und Athleten, die illustriert, wie Spieler mit einer hohen emotionalen Intelligenz ihre Fähigkeit nutzen können, Emotionen zu verstehen und zu regulieren, um damit den Umgang mit Stressoren zu bewältigen. Dabei wurde bei 30 männlichen Handballspielern die emotionale Intelligenz gemessen und sie wurden einer stressigen Erfahrung ausgesetzt. Dies geschah durch das Vorspielen einer Aufnahme mit negativen Aussagen wie ‚Ihre Motivation lässt nach’ zusammen mit Geräuschen einer aufgebrachten Menge. Die Auswirkungen wurden anhand der Herzfrequenz vor und nach dem Abspielen der Aufnahme gemessen. Athleten mit niedriger emotionaler Intelligenz wiesen Herzraten auf, die darauf hindeuten, dass sie beim Hören Stress erlebten. Spieler mit hoher emotionaler Intelligenz dagegen reagierten auf diesen Stressor kaum mit einer veränderten Herzrate.[1]

 

Emotionale Intelligenz durch selbstgesteuertes Lernen

Kann emotionale Intelligenz erlernt und gefördert werden? Goleman entwickelte mit dem US-amerikanischen Psychologen Boyatzis und anderen Forschern ein Programm, das Individuen am Arbeitsplatz durch einen Prozess der Selbstentdeckung führt.[2] Sie konnten zeigen, dass sich die Förderung der emotionalen Intelligenz mittels des nachfolgend beschriebenen Modells positiv bei postgraduierten Wirtschafts- und Managementstudenten auswirkt. Dieser Prozess wird als ‚selbstgesteuertes Lernen’ bezeichnet und beinhaltet fünf Aspekte:[3]

 

  1. Überlegungen in Bezug auf das ideale Selbst (wer möchte ich sein und was erwarte ich von meinem Berufs- und Privatleben?)
  2. Überlegungen in Bezug auf das reale Selbst und seine Beziehung zum idealen Selbst (Beurteilung des realen Selbst (wer bin ich tatsächlich?) durch mich selbst und Beurteilung durch Vorgesetzte oder Kollegen anschließender Abgleich zwischen realem und idealem Selbst)
  3. Erstellen eines Plans zur Annäherung des realen Selbst an das ideale Selbst (Planerstellung zur Weiterentwicklung mit allen Bedürfnissen, bevorzugten Lernstilen, Grad der Flexibilität, Ambitionen, Arbeitsstruktur, etc. um das reale Selbst dem idealen Selbst anzunähern)
  4. Verhalten entsprechend des Plans zur Annäherung des realen Selbst an das ideale Selbst (Entdeckung neuer Verhaltensweisen, Gedanken und Gefühle bei der Ausführung des Plans)
  5. Das selbstgesteuerte Lernen des Individuums unterstützt andere Leute und wird von diesen unterstützt (Ganzheitlicher Prozess zur Verbesserung des Arbeitsplatzes durch die Zusammenarbeit mit Kollegen, der Reflektion des eigenen Verhaltens und der Aneignung neuer Verhaltensweisen)

 

Wie Goleman et. al aufgezeigt haben, kann emotionale Intelligenz den Erfolg von Führungskräften positiv beeinflussen. Die Fähigkeit, die eigenen emotionalen Zustände zu identifizieren, damit umzugehen und diese zu kontrollieren wirkt sich enorm auf das eigene Handeln und die Fremdwirkung aus. Gepaart mit der Fähigkeit, die Emotionen anderer Personen zu beurteilen, dafür empfänglich zu sein und sie zu beeinflussen, um daraus Beziehungen aufzubauen uns zu erhalten, ergibt eine enorm hohe Führungsqualität.

 

Kritische Betrachtung

Zu den Kritikpunkten an der Theorie der emotionalen Intelligenz zählen, dass einige der verwendeten Ansätze unwissenschaftlich sind und dass sich emotionale Intelligenz nicht anhand von beobachtbaren äußeren Kriterien beurteilen lässt. Ein weiterer Kritikpunkt besteht im Fehlen an empirischen Befunden oder Vergleichen hinsichtlich der Programme zur persönlichen Weiterentwicklung. Entsprechende Studien sind schwierig durchzuführen, aufgrund mangelnder Mittelfreisetzung und Bereitschaft von Unternehmen und Bildungseinrichtungen. Dennoch scheint die Verbesserung des Humankapitals durch Golemans Modell der emotionalen Intelligenz und Boyatzis Theorie des selbstgesteuerten Lernens zu gelingen.[4]

 

Literatur

[1] Vgl. Gerrig, R. J.: 2015, S. 352.

[2] Vgl. Maltby, J./Day, L./Macaskill, A.: 2011, S. 739.

[3] Vgl. Maltby, J./Day, L./Macaskill, A.: 2011, S. 740f.

[4] Vgl. Maltby, J./Day, L./Macaskill, A.: 2011, S. 741f.

[1] Vgl. Paulus, J.: 2016, S. 75.

[2] Vgl. Maltby, J./Day, L./Macaskill, A.: 2011, S. 693f.

[3] Vgl. Paulus, J.: 2016, S. 75.

[4] Vgl. Goleman, D.: 1999, S. 387f.

[5] Vgl. Maltby, J./Day, L./Macaskill, A.: 2011, S. 699.

[6] Vgl. Maltby, J./Day, L./Macaskill, A.: 2011, S. 738.

[7] Vgl. Maltby, J./Day, L./Macaskill, A.: 2011, S. 738f.

 

Bildquellen

Abbildung 1: Wegweiser

URL/Link: https://pixabay.com/de/leuchtturm-alarm-wegweiser-signal-689566/ (19.07.2016)

Lizenz: CC0

Facebook Titelbild: Führung

URL/Link: https://pixabay.com/de/spielfigur-symbolik-anf%C3%BChrer-gruppe-598036/

(19.07.2016)

Lizenz: CC0

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