Was sind Graswurzelinitiativen?
Graswurzelinitiativen? Nie gehört? Ging mir genauso, als ich davon hörte.
Doch der spannende Untertitel
„Ohne Auftrag – mit Erfolg!
Wie Veränderungen aus der Mitte des Unternehmens entstehen –
und wie sie erfolgreich sein können“
half mir, den Ausdruck „Graswurzelinitiative“ in einen Kontext einzuordnen und machte mich neugierig auf das Thema und das Buch.
Der Begriff Graswurzelbewegung stammt ursprünglich aus der Politik und beschreibt neu entstehende Strukturen, die sich außerhalb des bisherigen Systems entwickeln. Sie werden von Menschen mit dem Anliegen aufgebaut, das bisherige System zu verändern. Es geht bei Graswurzelinitiativen in Unternehmen um Ideen, die nicht von oben durch das Management und die Führungskräfte entstehen, sondern durch die Mitarbeiter:innen selbst. Meistens arbeiten die Initiator:innen von Graswurzelbewegungen zuerst im “Verdeckten”, „unter dem Radar“ – ohne Budget und ohne offiziellen Auftrag.
Wesentliche Merkmale einer Graswurzelbewegung sind der Mut und die Risikobereitschaft, in den Konflikt mit bestehenden Strukturen, Prozessen und mit Führungskräften zu gehen, um Veränderungen zu bewirken.
Wer sind die Autor:innen?
„Graswurzelinitiativen“ erschien 2020 im Vahle-Verlag.1 Die Autor:innen des Buches sind Sabine und Alexander Kluge. Dem Autor:innenehepaar gehört die Unternehmensberatung Kluge + Konsorten GmbH mit den Themenschwerpunkten Transformation, New Work, Kollaboration und Digitalisierung. Sabine Kluge wurde vielfach ausgezeichnet, so z.B. als eine der 40 führenden deutschen HR-Köpfe in 2019. Sie zählt zu den Top-10 HR-Influencer:innen (2020) und erhielt 2017 den HR Excellence Award sowie den XING New Work Award in 2018.2 Ihr Mann Alexander Kluge ist seit mehr als 25 Jahren Berater, Begleiter, Unterstützer – aber auch Startup-Gründer, Interim Manager und Hochschul-Dozent.3
Dr. Thomas Sattelberger hält im Vorwort ein Plädoyer für Eigeninitiativen in Unternehmen, zu denen die Graswurzelinitiativen zu zählen sind. Dr. Sattelberger ist heute Mitglied des Deutschen Bundestags und war davor in verantwortungsvollen Positionen bei der Lufthansa AG, Continental AG und der Deutschen Telekom AG tätig.4 Er benennt sieben Handlungsfelder, die er als relevant für die deutsche Wirtschaft für die Zeit nach der Coronakrise einschätzt und attestiert einigen davon eine hohe Affinität zum Konzept der Graswurzelbewegungen.
Was sind die Inhalte?
In der Einleitung erklären die Autor:innen, dass das Buch entstanden ist, weil die sich rasch verändernden Arbeitsbedingungen im digitalen Zeitalter auch eine Veränderung der Arbeitswelt mit sich bringen. Sie leiten her, was sie unter Graswurzelbewegungen verstehen und warum diese unter dem Hintergrund der sich verändernden Arbeitsbedingungen so wichtig und unterstützenwert sind.
Im zweiten Abschnitt wird der Begriff Unternehmenskultur beleuchtet. Die Bedeutung des Begriffs wird erläutert, es wird nach der Veränderbarkeit gefragt, und es erfolgt die Herleitung, wie die Unternehmenskultur mit dem Titel des Buches – den Graswurzelbewegungen – in Zusammenhang steht.
Im Hauptteil des Buches wird beschrieben, wie Graswurzelinitiativen entstehen, was dafür notwendig ist und wie sie sich im Unternehmen weiterentwickeln können. Es geht außerdem darum, wie die Initiator:innen von Graswurzelbewegungen Multiplikator:innen, Sponsor:innen und Mentor:innen für ihre Initiativen gewinnen können und wie sie diese schlussendlich etablieren und nachhaltig im Linienbetrieb festigen können. Es wird aber auch nicht verschwiegen, dass es oftmals Widerstände gibt. Durch die zahlreichen praktischen Beispiele aus deutschen Großkonzernen wie z.B. Daimler AG, Siemens AG, Deutsche Telekom AG und Robert Bosch GmbH werden die Initiativen gut verständlich und für den eigenen Gebrauch nachvollziehbar.
Im Nachwort folgt dem praktischen Teil eine wissenschaftliche Einschätzung aus organisationssoziologischer Sicht von Judith Muster, die Organisationssoziologin an der Uni Potsdam ist. Sie kommt zu dem Schluss, dass Handeln ohne Auftrag in Organisationen fast immer problematisch ist. Sie widmet ihr Nachwort den ihrer Ansicht nach drei größten Problemen, mit denen Graswurzelinitiativen zu kämpfen haben, bietet aber auch einen Lösungsweg für diejenigen an, die nachhaltige Veränderungsimpulse setzen wollen.
Den Schlussteil des Buches bilden Interviews mit Graswurzelakteuren aus der Praxis sowie eine Literaturliste.
Für wen ist das Buch interessant?
Das Buch ist für Mitarbeiter:innen geschrieben, die gerne in ihrem Unternehmen arbeiten, aber Veränderungsbedarf sehen. Für Mitarbeiter:innen, die unbequem sind, die den Finger gerne in die Wunde legen und sich dabei auch schon einmal den einen oder anderen blauen Fleck zugezogen haben. Gerade jenen macht das Buch Mut, sich dennoch zu engagieren und weiter auszuprobieren, zu experimentieren. Es ist für Mitarbeiter:innen geschrieben, die sich trotz Rückschlägen nicht entmutigen lassen und zur Veränderung im Unternehmen beitragen wollen.
Für mich, die sich als genau so eine Mitarbeiterin versteht, waren besonders die Anleitungen wertvoll, die verhindern wollen, dass gute Initiativen bereits beim Aufkeimen erstickt werden, weil nicht klug und besonnen genug vorgegangen wird und wie wichtig der Aufbau eines Netzwerkes von Mitstreiter:innen und Unterstützer:innen ist.
Es ist jedoch auch für Entscheidungsträger:innen geschrieben. Auch ihnen soll das Buch Mut machen. Mut, loszulassen und den Mitarbeitenden mehr Freiraum, Vertrauen, Freiheit und Macht zu geben. Wo dieser Mut gezeigt wird, entstehen nach Ansicht der Autor:innen Räume für Eigeninitiativen und damit ein Nährboden, der Graswurzelinitiativen möglich macht.
Auch für Unternehmensberater:innen aus dem Umfeld der digitalen und agilen Transformation ist das Buch lesenswert. Es ermutigt dazu, Unterstützung für die von ihnen begleiteten Veränderungsprozesse nicht mehr nur im Top-Management zu suchen, sondern bei den Mitarbeiter:innen „aus der Mitte“. Es soll Ideen und Ansätze liefern, wie die von ihnen begleiteten Unternehmen anpassungsfähiger, schneller, besser informiert und kollaborativer in der Zusammenarbeit werden.
Meine drei Lieblingssätze aus dem Buch
„In einer Unternehmenskultur, die bereits auf Augenhöhe aufgebaut und mit entsprechenden Mitarbeitenden und deren Haltung gewachsen ist, ist die Graswurzel förmlich eingebaut.“
„Die Gründung einer Graswurzelinitiative ist ein ziemlich untrügliches Anzeichen, dass es Veränderungsbedarf, Unwohlsein, mitunter sogar massive Missstände im Unternehmen gibt, die aus Sicht eines oder mehrerer Mitarbeitenden verändert gehören.“
„Wir werden Veränderungen immer weniger top-down treiben können, wir müssen auf das Potenzial der Veränderung aus der Mitte setzen, wenn wir als erfolgreiches Unternehmen in komplexen Zeiten weiterhin eine Rolle spielen wollen.“
1 Kluge, S. & Kluge, A. (2020). Graswurzelinitiativen in Unternehmen: Ohne Auftrag – mit Erfolg. Vahlen.
2 https://www.kluge-konsorten.de/person/sabine-kluge/. Zugriff am 08.03.2021.
3 https://www.kluge-konsorten.de/person/alexander-kluge/. Zugriff am 08.03.2021.
4 https://thomas-sattelberger.de/uber-mich. Zugriff am 13.03.2021.
Titelbild: https://pixabay.coCm/images/id-3375052/. Zugriff am 13.03.2021.