By Published On: 25. September 2024Categories: Gesundheit, Soziales

Einführung

Der Arbeitsplatz ist einer der Orte, an denen viele Menschen einen Großteil ihres Lebens verbringen. Büroarbeitende sind oft mit diversen Optionen konfrontiert, wie das Unternehmen die Arbeitsstätte einrichtet. Insbesondere die Gestaltung der Büroräume und Arbeitsplätze kann hierbei von klassischen Einzel- oder Zweierbüros bis zum, beispielsweise aus Fernsehserien bekannten, Großraumbüro reichen. Doch ist diese Aufteilung der Arbeitsplätze auch mit gesundheitlichen Risiken oder Leistungsunterschieden verbunden? Dieser Beitrag soll beleuchten, welche Probleme durch die Nutzung von Mehrpersonen- oder Großaumbüros ausgehen können und wie diese möglicherweise entschärft werden können.

Zahlen und Fakten

Die Idee der offenen Büros stammt in den USA von dem Unternehmen DuPont, die bereits 1967 ein solches Design der Arbeitsstätte in Delaware einführten, um den angeblich besonderen Bedürfnissen von hochqualifizierten Beschäftigten (Knowledge Workers) zu entsprechen (Musser, 2023, S. 25)
. Die Entwicklung dieses Konzepts liegt also bereits knapp 60 Jahre zurück und konnte sich in dieser Zeit einer großen Interessensgemeinschaft und Anhängerschaft erfreuen: nach den Ergebnissen der US Workspace Survey 2020 arbeiteten 42 % der Befragten in einem Großraumbüro, weitere 12 % in einem Mehrpersonenbüro mit drei bis sechs Personen (Gensler Research Institute, S. 25). Für Deutschland finden sich geringfügig unterschiedliche Zahlen: nach einer von der Jobbörse Indeed Deutschland GmbH in Auftrag gegebener Befragung von 1049 Berufstätigen in Deutschland im Jahr 2017 ergab sich, dass 64,6 Prozent dieser Personen in Einzel- oder Zweierbüros tätig waren. 20, 5 Prozent arbeiteten dagegen in Mehrpersonenbüros mit maximal 5 Personen. und weitere 15 Prozent in Großraumbüros mit mehr als 5 Personen (Indeed Deutschland GmbH, 2017, S. 3). Auch hier findet sich ein Anteil von knapp über einem Drittel ebenfalls in Mehrpersonen- oder Großraumbüros wieder.

Das Konzept scheint also bei Unternehmen sehr beliebt zu sein. Was könnten dafür Gründe sein?

Vorteile

Ökonomische Vorteile von Großraumbüros

Es scheint aus baulicher Perspektive grundsätzlich einfacher, in einem Unternehmensgebäude mehrere große Räumlichkeiten einzurichten, als sich architektonische Gedanken über sinnvolle Raumaufteilung machen zu müssen. Hierzu zählt das Minimieren von Fluren, Trennwänden, elektrischen Leitungen und Sanitäreinrichtungen und durch das Fehlen dieser Strukturen auch ein deutlich erhöhtes Platzangebot. Selbstverständlich ist auch in Großraumbüros auf ein ausreichendes Maß an Arbeitsfläche zu achten, aber dennoch wird sich mehr Platz schaffen lassen als in einzelnen Büros. Ferner könnte das Einführen einer freien Platzwahl noch mehr Möglichkeiten schaffen, die Räumlichkeiten flexibel nutzbar zu machen. Eine Ausstattung der Mitarbeitenden mit Mobilgeräten könnte sie überall arbeitsfähig machen und keine dedizierten Schreibtische erfordern.

Soziale Vorteile von Großraumbüros

Festinger et al. betonen für das Entwickeln sozialer Kontakte den Einfluss physischer Nähe. So scheint der durch diese Nähe begründete passive Kontakt zwischen Personen für die Ausbildung einer Freundschaft essentiell zu sein. Durch bauliche Gegebenheiten wird die Wahrscheinlichkeit für diesen Kontakt deutlich moderiert oder gänzlich unterbunden (1963, S. 35–36). Aus dieser Perspektive wirkt ein Großraumbüro folglich als optimal für das Ausbilden solider Zusammengehörigkeit, Teamgefühls und sozialen Kontakten am Arbeitsplatz. Nach einer weiteren Theorie, der der sozialen Leistungsaktivierung (Social Facilitation Hypothesis) kann die Anwesenheit von anderen Personen die Leistung bei Routinetätigkeiten steigern (Brennan et al., 2002, zitiert nach Ramantswana et al., 2024, S. 266). Bei der objektiven Betrachtung dieser sozialpsychologischen Phänomene müssten Großraumbüros also beliebt bei Beschäftigten und Führung sein und für außerordentlich positive Effekte im Vergleich zu traditionellen architektonischen Designs bieten.

Das Gegenteil scheint der Fall zu sein.

Gesundheitliche Risiken und Probleme von Großraumbüros

Eine Studie aus Norwegen (Nielsen & Knardahl) konnte nach einer Befragung von 6328 norwegischen Büroangestellten im Alter von 19-70 Jahren (weiblich=57 %, männlich=43%)  feststellen, dass die Beschäftigung in einem Großraumbüro die Wahrscheinlichkeit, innerhalb eines Jahres krankheitsbedingt arbeitsunfähig zu sein, um 12 %, bei der Beschäftigung in einem geteilten Büro um 18 % im Vergleich zu Beschäfigten in herkömmlichen Büros anstieg (Nielsen & Knardahl, 2020, S. 330–333; 2020, S. 330–333). Ein solch unterschiedlicher Wert scheint stark mit der Architektur des Arbeitsplatzes zu korrelieren. In dieser Studie wird zwar nicht explizit auf möglicherweise begleitende Determinanten, wie Mobbing etc., eingegangen, aber der große Unterschied lässt auf eine direkte Korrelation schließen. In einer Metaanalyse diverser Studien bis zum Jahr 2023 untersuchten Mauss et al. ebenfalls den Einfluss von Großraumbüros auf die Gesundheit der Beschäftigten. Es wurde nach verschiedenen Schlagwörtern wie Krankenstand, Störungen durch Umgebungseinflüsse oder Zufriedenheit gesucht. Die Analyse wurde schließlich mit 13,277 Teilnehmenden Beschäftigten im Alter von 21-70 Jahren, vorwiegend aus dem skandinavischen Raum, durchgeführt. Die Autoren konnten bei allen Studien diverse Nebenfaktoren herausfinden, die alle möglichen Einfluss auf die Ergebnisse haben könnten. Allerdings fand sich in allen Studien eine erhöhte Krankheitsrate bei Beschäftigten in Großraum- und Mehrpersonenbüros (Mauss et al., 2023, S. 176–177). Die bereits genannte Studie von Nielsen & Knardahl war hier auch inkludiert. Es liegt bei allen Ergebnissen also eine gewisse Unsicherheit der Resultate durch unklare Einflüsse vor, die Richtung ist aber eindeutig: die Großraumbüros haben Einfluss auf die Gesundheit in Form des erhöhten Krankenstands.

Ursachen

Es könnten hier unzählige Ursachen vorliegen. Medizinisch gesehen scheint es logisch, dass eine erhöhte Personenzahl in einem Raum mit derselben Luft, denselben sanitären Einrichtungen und eventuell flexiblen Arbeitsplätzen schlicht ein höheres Infektionsrisiko durch Erreger bietet. Weiterhin könnte Lärm und Unruhe einen Einfluss haben. Psychologisch gesehen kann der Umgang mit Belastung am Arbeitsplatz mit der Persönlichkeit und Einstellung der Person einhergehen. So scheinen Menschen mit ausgeprägten reaktiven Persönlichkeitsstrukturen eher mit unberechenbaren Umgebungen umgehen zu können, während proaktiv eingestellte Menschen eher mit stabilen Umgebungen umgehen können (Ramantswana et al., 2024, S. 267) . Es könnte also sein, dass manche Menschen mit Großraumbüros schlicht nicht umgehen können, andere davon aber profitieren.

Lösungsvorschläge und Fazit

Hier einige Punkte, die Abhilfe gegen die Probleme der Großraumbüros schaffen könnten:

  1. Infektionsschutz durch erhöhten Reinigungsaufwand
  2. Schaffung flexibler Arbeitsplätze und die Möglichkeit des Rückzugs in begrenzte Bereiche zur Entspannung von dem geschäftigen Großraum
  3. Möglichkeit zur mobilen Arbeit durch Mobilgeräte oder Home Office

Diese Punkte können nur einen kleinen Ansatz zur Bewältigung problematischer Verhältnisse schaffen. Es scheint hier eine Abwägung zwischen den recht deutlichen ökonomischen sowie den z.B. durch Festinger et al. postulierten sozialpsychologischen Vorteilen von größeren Räumen und den negativen Aspekten nötig zu sein, sodass insbesondere der Gesundheitsschutz erhalten bleibt. Verschiedene Branchen, wie z.B. IT-Firmen, könnten verstärkt auf mobiles Arbeiten setzen und damit bauliche Veränderungen nicht nötig machen. Aus wissenschaftlicher Perspektive ist eine intensivierte Forschung zu genauen Einflussfaktoren auf die Gesundheit durch das Konstrukt des Großraumbüros sinnvoll, da das Phänomen einen hohen Anteil aller Berufstätigen betrifft.

Literaturverzeichnis

Brennan, A., Chugh, J. S. & Kline, T. (2002). Traditional versus Open Office Design. Environment and Behavior, 34(3), 279–299. https://doi.org/10.1177/0013916502034003001

Festinger, L., Schachter, S. & Back, K. (1963). Social pressures in informal groups: A study of human factors in housing. (2. Aufl.). Stanford University Press. https://archive.org/details/socialpressuresi00fest

Gensler Research Institute (Hrsg.). U.S. WORKPLACE SURVEY 2020. https://www.gensler.com/doc/gensler-us-workplace-survey-2020

Indeed Deutschland GmbH (Hrsg.). (2017). Arbeitsplatz-Umfrage: Wie arbeitet Deutschland? https://www.presseportal.de/pm/110144/3603213

Mauss, D., Jarczok, M. N., Genser, B. & Herr, R. (2023). Association of open-plan offices and sick leave-a systematic review and meta-analysis. Industrial health, 61(3), 173–183. https://doi.org/10.2486/indhealth.2022-0053

Musser, G. (2023). Why People Hate Open Offices. Scientific American, 328(4). https://www.scientificamerican.com/article/fixing-the-hated-open-design-office/#:~:text=An%20early%20open%2Dplan%20office,was%20intended%20to%20boost%20productivity.

Nielsen, M. B. & Knardahl, S. (2020). The impact of office design on medically certified sickness absence. Scandinavian journal of work, environment & health, 46(3), 330–334. https://doi.org/10.5271/sjweh.3859

Ramantswana, T., Mmamabolo, L. B. & Appel-Meulenbroek, R. (2024). Open-plan office employees’ perceived mental and social well-being. Journal of Corporate Real Estate, 26(3), 262–277. https://doi.org/10.1108/JCRE-10-2023-0042     

Abbildungsverzeichnis

Beitragsbild: LYCS Architecture (2018). Unsplash.com. Abgerufen am 16.09.2024. https://unsplash.com/de/fotos/manund-mansitzen-auf-dem-tisch-U2BI3GMnSSE.

 

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