By Published On: 14. Mai 2024Categories: Psychologie, Soziales

Mit dem zunehmenden Gebrauch von Smartphones ist das Versenden von Textnachrichten zu einer beliebten, wenn nicht sogar zur Hauptkommunikationsform für heutige Kinder und junge Menschen geworden. Das Versenden von Textnachrichten über das Internet per Mobiltelefonen oder Smartphones wird von ihnen als schnelle, einfache, bequeme und kostengünstige Art der Kommunikation wahrgenommen. Daher liegt es nahe, dass sie auf der Suche nach Hilfe bei mentalen Gesundheitsproblemen ebenso das Internet nutzen, weil es ihnen vertraut ist, leicht zugänglich ist, Anonymität bietet und zusätzlich ihrem Bedürfnis nach Unabhängigkeit und Autonomie entspricht (Efe, et al., 2023, S. 2; Knatz & Dodier, 2021, S. 33).

Junge Leute zeigen oft Bedenken, persönlich eine Praxis aufzusuchen, während sie sich mit Online-Medien leichter tun, da das ihrem gewohnten Kommunikationsstil entspricht. Die Nutzung von Online-Beratung und -Therapie kann hier sehr bedeutsam ein. Dies gilt auch für bestimmte Gruppen wie junge Geflüchtete, die oft unter posttraumatischen Belastungsstörungen leiden. Sie haben oft begrenzten Zugang zu traditionellen therapeutischen Ansätzen, wobei das Smartphone ihr bevorzugtes Kommunikationsgerät ist (Drda-Kühn, 2019).

Gemäß einer Studie bevorzugen Kinder und Jugendliche die schriftliche Onlineberatung gegenüber der telefonischen Beratung. Viele der Ratsuchenden gaben an, dass sie sich besser schriftlich als mündlich über ihre aktuelle Problemsituation ausdrücken können (Brehm & Lindl, 2010). Daraus ergibt sich, dass Beratungs- und Therapieangebote für junge Menschen möglicherweise deutlich wirksamer wären, wenn sie die Chance hätten, ihre vertrauten Kommunikationswege zu nutzen und die Beratungsumgebung nach ihren Wünschen zu gestalten (Drda-Kühn, Hahner, & Schlenk, 2018).

Die E-Healthplattform Krisenchat ist hier als Beispiel für eine mögliche Krisenberatung per Chat zu nennen. Die Plattform bietet jungen Menschen bis zum Alter von 25 Jahren eine kurzfristige Intervention in akuten Krisensituationen. Sie stellt unter anderem unterstützende Übungen zur Verfügung und hilft bei der Suche nach langfristiger Unterstützung. Während Krisenchat keine langfristige Betreuung bietet, stehen die Berater*innen jedoch immer mit einem offenen Ohr, Unterstützung und Anleitung zur Selbsthilfe in Krisenzeiten zur Verfügung. Als einzigartiges Online-Beratungsformat bietet Krisenchat rund um die Uhr per Chat Hilfe in Krisensituationen an (Krisenchat, 2023).

Aktuell sind in der psychosozialen Online-Beratung theoretische Ansätze in Bezug auf eine bestimmte Beratungsmethodik noch nicht weit verbreitet, und es gibt nur wenige fest etablierte Modelle. Die direkte Übertragung von Methoden aus der Face-to-Face-Beratung gestaltet sich oft schwierig und erfordert oft Anpassungen. Dies liegt daran, dass die Reaktion auf Textnachrichten eine grundlegend andere Struktur aufweist als die Interaktion mit einer physisch präsenten Person (Brunner, 2006; Kühne, 2006). Folglich müssen in der Chatberatung Methoden und Maßnahmen sorgfältig ausgewählt und auf die individuellen Hilfegesuche angepasst werden.

Da die Chatberatung textbasiert ist, konzentrieren sich die Hauptmaßnahmen zur Aktivierung von Ressourcen hauptsächlich auf Gesprächs- und Fragetechniken. Fragetechniken spielen eine bedeutende Rolle, um die Anliegen und Bedürfnisse der Ratsuchenden zu ermitteln. Sie sind daher als grundlegende Werkzeuge in der Beratung anzusehen (Hömens, 2016, S. 45). Hier sind besonders offene, systemische und Wunderfragen zu benennen ebenso wie sogenannte Copingfragen, welche auf bisherige Bewältigungsstrategien abzielen (Palesch, 2019). Auf diese Weise werden die Chatter*innen in ihrer individuellen Krise wahrgenommen, sie fühlen sich gesehen, um im besten Falle die akute Situation neu für sich einordnen zu können.

Die Chat-Beratung kann neben persönlicher Beratung eine ebenso wirksame und effektive Unterstützung bieten und stellt eine eigenständige Form der Beratung dar. Eine Zusammenstellung von internetbasierten klinisch-psychologischen Interventionen ergab, dass in den meisten Studien eine Wirksamkeit der psychosozialen Online-Beratung festgestellt wurde, insbesondere bei Panikstörungen, posttraumatischen Belastungsstörungen, Essstörungen, Adipositas und substanzbezogenen Störungen (Eichenberg & Ott, 2011, S. 9-10).

Während der Jugendjahre sind psychische Krisen häufig anzutreffen. Frühzeitiges Eingreifen erscheint von entscheidender Bedeutung, um das Risiko einer Verschlechterung, eines Rückfalls oder einer Chronifizierung von Symptomen zu mindern. Daher ist es wichtig, frühzeitig angemessene Unterstützung und Interventionen anzubieten, um Jugendlichen in Krisensituationen zu helfen und langfristige positive Ergebnisse zu fördern (Baldofski, et al., 2023). Baldofski et al. (2023) untersuchten die Auswirkungen der Nutzung des Beratungsdienstes „Krisenchat“ auf das spätere Hilfesuchverhalten von Jugendlichen. Die Ergebnisse bieten Einblicke in die Effektivität und den Nutzen des Krisenchat-Dienstes. Die am häufigsten empfohlenen Anlaufstellen für weitere Hilfe waren Psychotherapeut*innen, der Sozialpsychiatrische Dienst, Schulpsycholog*innen oder Schulsozialarbeiter*innen sowie die Eltern der Ratsuchenden. Viele Hilfesuchende gaben an, die empfohlene Weitervermittlung kontaktiert zu haben. Faktoren wie psychische Gesundheitskompetenz, Steigerung der Selbstwirksamkeit und Symptomerkenntnis wurden als unterstützend für das weitere Hilfesuchverhalten genannt. Eine Analyse der Subgruppen ergab, dass diejenigen, die weiterhin Hilfe suchten, signifikant höhere Selbstwirksamkeitswerte aufwiesen.

Es lässt sich demnach zusammenfassen, dass die psychosoziale Beratung über die Chat-Online-Beratung ein wirksames und niederschwelliges Tool ist, um Menschen in akuten Krisensituationen zu unterstützen.

Quellen:

  1. Baldofski, S., Kohls, E., Efi, Z., Eckert, M., Saee, S., Thomas, J., . . . Rummel-Kluge, C. (2023). The Impact of a Messenger-Based Psychosocial Chat Counseling Service on Further Help-Seeking Among Children and Young Adults: Longitudinal Study. JMIR Ment Health.
  2. Brehm, U., & Lindl, S. (2010). Online-Beratung bei Kindern und Jugendlichen – Ein Erfahrungsbericht von „147 Rat auf Draht“. e-beratungsjournal.net.
  3. Brunner, A. (2006). Methoden des digitalen Lesens und Schreibens in der Online-Beratung. e-beratungsjournal.net.
  4. Drda-Kühn, D. K. (02. 01 2019). Mit Online-Therapie Jugendliche und junge Menschen erreichen. (N. Waschke, Interviewer)
  5. Drda-Kühn, K., Hahner, R., & Schlenk, E. (2018). Mit Smartphone, Tablet und Sozialen Medien – Online-Beratung und -Therapie für die Generation der „Digital Natives“ 14 (1). e-beratungsjournal.net.
  6. Efe, Z., Baldofski, S., Eckert, M., Guenthner, L., Saee, S., Thomas, J., . . . Rummel-Kluge, C. (2023). Who are frequent chatters? Characterization of frequent users in a 24/7 messenger-based psychological chat counseling service for children and adolescents. Internet Interventions (33), 1 – 7.
  7. Eichenberg, C., & Ott, R. (2011). Klinisch-psychologische Intervention im Internet. Psychotherapeut , 1-12.
  8. Hömens, P. (2016). Professionelles Beraten will gelernt sein. Hamburg: Diplomica Verlag GmbH.
  9. Knatz, B., & Dodier, B. (2021). Mailen, chatten, zoomen: Digitale Beratungsformen in der Praxis. Stuttgart: Klett Cotta.
  10. Krisenchat. (2023). E-Learning Krisenchat. Abgerufen am 23. 04 2024 von https://krisenchat.reteach.io/courses
  11. Krisenchat. (2023). https://krisenchat.de/ueber-uns/faq. Abgerufen am 23. 04 2024 von https://krisenchat.de/ueber-uns/faq
  12. Kühne, S. (2006). Qualität und die Rechte von KlientInnen in der Online-Beratung. e-beratungsjournal.net.
  13. Palesch, A. (2019). Ambulante Pflegberatung. Stuttgart: Kohlhammer Verlag.

Bildquelle:

Fotograf*in Luisella Planeta

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