Die Art und Intensität, wie Menschen äußere Reize und Erlebnisse verarbeiten, kann sehr unterschiedlich sein. Wer sehr empfindsam auf Geräusche, Lichtreize und soziale Reize reagiert wurde früher oft als Sensibelchen oder überempfindlich bezeichnet. Diese Personen sind hochsensibel, allerdings ist dieses Merkmal erst wenig bekannt und erforscht. Nun beschäftigt sich die Wissenschaft mit dem Thema der Hochsensibilität. Was ist dieses Merkmal eigentlich und wodurch zeichnet es sich aus?
Es sind Menschen, die, wie wir heute wissen, hochsensibel reagieren. Das bedeutet, sie sind schlechter oder gar nicht in der Lage äußeren Einflüsse zu filtern, sie brauchen auch länger, um zu verarbeiten, was sie wahrnehmen.
Zum Glück für Betroffene hat das Thema der Hochsensibilität in den letzten Jahren immer mehr Aufmerksamkeit erreicht und auch die Wissenschaftler haben sich intensiv damit beschäftigt. Dabei hat wurde herausgefunden, dass Hochsensibilität ein Temperament oder Persönlichkeitsmerkmal ist, welches circa 15-20% der Bevölkerung aufweisen. Es handelt sich dabei weder um eine Persönlichkeitsstörung noch um eine Krankheit oder psychologische Störung.[1] Menschen, die hochsensibel sind, werden von anderen oft als sehr empfindlich und auch als nicht belastbar gesehen, allerdings steckt mehr dahinter, als von außen wahrgenommen wird.
Den Anfang der Forschung machte Elaine Aron in den 90er Jahren. Sie prägte den Begriff der Hochsensibilität und beschrieb das Merkmal als „highly sensitive person“ (HSP), was übersetzt hochsensible oder -sensitive Person bedeutet. [2]
Hochsensible Menschen nehmen äußere und innere Reize viel mehr und deutlicher wahr als normalsensible Menschen. Das bedeutet die reizverarbeitenden Systeme sind anders ausgeprägt. Dabei gibt es vier maßgebliche Faktoren:
- Neigung zur Verhaltenshemmung: In neuen Situationen oder bei neuen Kontakten sind Hochsensible Personen eher abwartend oder ziehen sich sogar zurück
- Größere Sensitivität für Reize: Es werden feinste Wahrnehmungen aufgenommen
- Tiefe, ausgiebige Verarbeitung der Informationen (Reize): Durch die gründliche Verarbeitung von Reizen werden viele Informationen gespeichert
- Stärkere Neigung zu emotionaler und physiologischer Reaktivität: In reizintensiven Situationen kommt es leicht zu einer Überreizung, was sich als Anspannung oder Nervosität zeigt
Im Folgenden sind nochmal einige Beispiele für hochsensible Eigenschaften aufgelistet: [3]
- Sensorische Empfindlichkeit
- Schnelle Überreizung und Erschöpfung
- Situationen werden übermäßig durchdacht und analysiert
- Harmoniebedürftig
- Einfühlsam, die eigene Stimmung wird durch die anderer beeinflusst
- Erhöhte Schmerzempfindlichkeit
- Gutes Langzeit- und Detailgedächtnis
Es gibt noch viel mehr Eigenschaften die Hochsensiblen zugeschrieben werden und sie ausmachen.
Des Weiteren können Hochsensible in vier Arten unterteilt werden, nämlich in die sensorische, kognitive, spirituelle und emotionale Sensitivität. Das bedeutet, es gibt nicht die eine typische Person, sondern jeder hat unterschiedlich stark ausgeprägte Empfindungen. [4]
Demzufolge gibt es auch Hochsensible Menschen, welche risikofreundlich, gesellig und abenteuerlustig sind. Diese Form wird als HPS/HSS benannt und trifft auf rund 30% der Hochsensiblen zu. [5]
Lange wurden nur die schlechten und negativen Eigenschaften bei sehr empfindlichen Menschen gesehen, aber inzwischen werden auch die Stärken der Hochsensiblen wahrgenommen. Denn all die starken Empfindungen und intensiven Wahrnehmungen haben auch positive Charaktereigenschaften zur Folge. Hochsensible Menschen sind sehr empathisch und auch empfänglicher für die Stimmung anderer. Daher zeichnen sie sich vor allem aus durch ein offenes Ohr für ihre Mitmenschen und sind als gute Zuhörer bekannt. Durch die Aufnahme vielfältiger Reize, die Hochsensible intensiv überdenken und analysieren weisen sie häufig eine hohe Intelligenz und Kreativität auf. Dadurch sind sie in der Lage innovative Lösungen zu finden in den jeweiligen Interessengebieten. [6]
Ein weiteres Merkmal Hochsensibler ist ein perfektionistisches und gewissenhaftes Arbeiten, nach Möglichkeit der Rahmenbedingungen. Wenn etwas abgeliefertes als subjektiv nicht perfekt wahrgenommen wird, stört dies den eigenen Leistungsanspruch und die Ästhetik.
Die heutige Gesellschaft ist für Hochsensible besonders schwierig, da die Menge der Reize sich immer weiter steigert. Bei Filmen beispielsweise werden die Szenen immer schneller und es wird immer mehr Handlung in die Szenen gepackt. Aber auch das allgemeine Umfeld wird durch hellere Autolichter, Videowerbung an Hauswänden und vielem mehr immer Reizvoller. Dadurch ist es für Hochsensible sehr erschöpfend in einem solchen Umfeld zu sein, wodurch unter anderem Unruhe, Konzentrationsprobleme, Aggressivität oder auch Rückzugsphasen immer häufiger werden. Es liegt also eine Reizspirale vor, denn mit der Zeit nehmen auch die Reize immer mehr zu, was einem Teufelskreis gleichkommt. Gleichzeitig werden die Pausenzeiten immer geringer, wodurch wenig Zeit zur Erholung bleibt. [7]
Hochsensiblen Personen helfen Achtsamkeitsübungen, um mit Stress und Belastung besser umgehen zu können. Dazu gehören Meditationen oder auch Sportarten mit Achtsamkeitstechniken wie Pilates oder Yoga. [8]
Jeder Mensch ist unterschiedlich aufgrund von Erfahrungen oder auch Persönlichkeitsmerkmalen. Dabei hat jede Eigenschaft einer Person Vor- und Nachteile, hier ist es wichtig sich auch der positiven Eigenschaften bewusst zu sein. Auch wenn meist nur die negativen Eigenschaften wahrgenommen werden, ist es wichtiger die Stärken bewusst einzusetzen. Denn diese Stärken können im Umgang mit Menschen gut eingesetzt werden. Im Hinblick auf Hochsensible liegt ihre Stärke auf der Wahrnehmung von kleinsten Merkmalen. Dadurch kann im Umgang mit anderen Personen besser gehandelt werden, und dies ist auch im Hinblick auf Mitarbeitende ein großer Vorteil. So werden kleinste Zeichen von Unzufriedenheit wahrgenommen und es kann dementsprechend gehandelt werden.
[1] Vgl. Banek (2022) S. 13
[2] Vgl. Roemer (2017) S. 3
[3] Vgl. Roemer (2017) S.18-20
[4] Vgl. Roemer (2017) S.22
[5] Vgl. Roemer (2017) S.25-26
[6] Vgl. Roemer (2017) S.24
[7] Vgl. Roemer (2017) S. 28
[8] Vgl. Banek (2022) S.25
Literaturverzeichnis
Banek, N. (2022) Die Selbsterkenntnis der Hochsensibilität- Eine qualitative Studie am Beispiel hochsensibler Menschen im Übergang Schule-Beruf. Wiesbaden: Springer Fachmedien.
Roemer, C. (2017) Hurra, ich bin hochsensibel! Und nun?. Berlin: Springer Verlag.
Roemer, C. (2021) Abenteuerlustig & Hochsensibel- Wie sie als extravertierter Hochsensibler gut leben können. Wiesbaden: Springer Nature.
Bilderquellen
www.pexels.com/de-de/foto/graustufenfoto-des-mannes-der-gesicht-mit-seinen-handen-bedeckt-3601097/
www.pexels.com/de-de/foto/mann-paar-frau-sitzung-8057357/