Ihr kennt sie alle: die grellen Rabattschilder im Supermarkt. Oder auch Online. Die Sale „Sale-“ und „Tiefpreis-Aufrufe“. Die Vergleichsportale, mit denen wir heutzutage in Sekundenschnelle das günstigste Angebot finden. Das preiswerteste Produkt unter vielen. Wir sind auf der Suche nach dem günstigsten Preis. Immer und überall.
Wirklich immer? Nicht ganz.
In manchen Situationen und bei manchen Produkten dreht sich der Spieß um. Dann zahlen wir hohe Preise, ohne mit der Wimper zu zucken. Und das, obwohl wir ein Produkt mit denselben Eigenschaften für weniger Geld erwerben könnten. Dann greifen wir sogar zu Produkten, deren Preis gerade erhöht wurde. Doch wie kommt es dazu?
Preiserhöhungen:
Preiserhöhungen implizieren Gewisse Dinge: Wir vermuten hinter ihnen in der Regel einen Grund. Und zwar nehmen wir nicht etwa an, dass ein Unternehmen die Preise seiner Produkte anhebt, weil es sich in finanzieller Not befindet oder dem Konsumenten einfach mehr Geld aus der Tasche ziehen möchte. Vielmehr vermuten wir, dass das betroffene Produkt fast ausverkauft ist und der Hersteller es sich deshalb erlauben kann, den Preis noch einmal zu erhöhen. Oder wir glauben, dass es sich bei einem Produkt um ein außerordentlich gutes handeln muss, schließlich haben schon viele andere Käufer vor uns darauf vertraut (Vgl. Kotler, P./Bliemel, F.: 2001, S. 871).
Hohe Preise:
Nicht nur bei Preiserhöhungen zahlen wir in gewissen Fällen gern hohe Preise. Auch in von Grund auf teure Produkte investieren wir unter bestimmten Bedingungen unser Geld, obwohl wir auch günstigere Produktalternativen mit gleichen Produktmerkmalen erwerben könnten.
Solche Entscheidungen liegen verschiedenen Einflüssen zugrunde:
Unser Geltungsbedürfnis: Wenn wir ein Produkt oder eine Dienstleistung erwerben, dann tun wir dies nicht immer nur wegen eines bestimmten Nutzen und wegen der vorherrschenden Produkteigenschaften, sondern oft auch deshalb, weil die Marke, das Produkt oder auch die zugehörigen Eigenschaften eine gewisse Einstellung oder einen Lebensstandard verdeutlichen (Vgl. Felser, G.: 2015, S. 395 f.). Uns ist es also wichtig, was wir der Welt da draußen durch unseren Konsum mitteilen. Deshalb greifen wir bei zwei identischen Produkten gerne auch mal zum teureren, da es als Statussymbol oder auch als Zeichen des guten Geschmacks gilt. In der Fachliteratur wird dieser Einfluss auf unser Kaufverhalten oft sogar als Snopeffekt bezeichnet. Schließlich sind auch Prunk und Protz sowie Luxus und Extravaganz Gründe dafür, dass wir gerne tiefer in die Tasche greifen. Es kommt immer ganz darauf an, über welche Werte man sich als Mensch definiert.
Die Preis-Qualitäts-Regel: Unter gewissen Bedingungen neigen wir als Konsumenten dazu, den Preis eines Produktes als Kriterium zur Bewertung seiner Qualität heranzuziehen (Vgl. Felser, G.: 2015, S. 393 ff.). Wir gehen dann also davon aus, dass teurere Güter und Dienstleistungen qualitativ hochwertiger sein müssen als günstigere. Dies geschieht unter folgenden Umständen:
- Es liegt ein geringes Involvement vor. Im Zusammenhang damit steht häufig, dass der Käufer nicht viele Informationen zum Produkt zur Verfügung hat, da er nicht aktiv nach ihnen sucht. Er besitzt deshalb oder aus anderen Gründen eine mangelnde Expertise.
- Die Preise eines Produkts sind stabil und schwanken nicht. Es gibt keine Sonderangebote. Daraus schließen wir, dass es der Anbieter des Produkts nicht nötig hat, die Preise zu verändern.
- Konkurrenzprodukte haben Preise, die sich in etwa im gleichen Abstand unterscheiden.
- Das Produkt hat einen hohen absoluten Preis.
- Die Käufer entstammen eher niedrigen sozialen Schichten und besitzen ein interdependentes Selbstbild.
- Es handelt sich um ein Produkt einer größeren Marke.
- Es besteht Zeitdruck.
Interessant ist, dass wir in bestimmten Situationen nicht nur vom Preis auf die Qualität eines Produktes schließen, sondern dieser Glaube an die Qualität sogar Einfluss auf unser Verhalten und unsere Wahrnehmung abseits des Kaufprozesses haben kann.
Dies zeigten Waber et al. 2008 in einem Experiment. In diesem verabreichten sie Versuchsteilnehmern in zwei Gruppen Placebo-Pillen und beschrieben diese zuvor als neues und sehr wirksames Schmerzmittel. Zudem nannten sie den Probanden die vermeintlichen Preise einer Pille: Gruppe A wurde davon in Kenntnis gesetzt, dass eine Pille des Schmerzmittels 0,10 Dollar kosten würde, Gruppe B hingegen sagte man, eine Pille koste 2,50 Dollar. Anschließend wurde das Schmerzempfinden der beiden Gruppen mithilfe von Elektroschocks getestet. Die Versuchspersonen vertrauten durch die Preis-Qualitäts-Regel so sehr auf die hohe bzw. niedrige Qualität der Pillen, dass Gruppe B eine sehr viel höhere Schmerzlinderung wahrnahm als Gruppe A.
Wir zahlen für unser Selbstbild: Jeder Mensch macht gerne Schnäppchen. Das wird keiner leugnen, denn wir alle kennen das Gefühl der Zufriedenheit, wenn wir weniger für ein Produkt bezahlen mussten als zuvor angenommen. Allerdings zahlen wir nur dann gerne einen aus unserer Sicht überdurchschnittlich niedrigen Preis, wenn dieser vom Verkäufer durch beispielsweise ein Angebot legitimiert wurde (Vgl. Felser, G.: 2015, S. 396 f.). Kommt es hingegen zu einer Situation, in der es uns erlaubt ist, den Preis, den wir für ein Produkt oder eine Dienstleistung zahlen möchten, selbst festzulegen, dann lässt es unser Selbstbild nicht zu, dass wir den Händler „ausnutzen“. Deshalb legen wir lieber etwas mehr Geld auf den Tisch.
Dieses Phänomen veranschaulichten zum Beispiel Gneezy et al. 2010 mit einem Experiment im Zuge einer Sightseeing Tour. Sie boten verschiedenen Probanden ein zu Beginn der Tour gemachtes Foto zu verschiedenen Preisen zum Verkauf an. Der einen Gruppe für 15 Dollar, einer anderen für einen Sonderangebotspreis von fünf Dollar und der letzten Gruppe für den Preis, den jeder persönlich für das Foto zu zahlen bereit wäre. In der ersten Gruppe (für 15 Dollar) kauften nur 23% der Probanden ein Exemplar des Fotos, in der zweiten Gruppe (für fünf Dollar) waren es 64%. Spannend wird es nun beim Ergebnis von Gruppe drei. Denn hier erwarben auch immerhin 55% der Versuchsteilnehmer ein Foto. Und sie zahlten im Durchschnitt 6,43 Dollar pro Bild, obwohl sie es nach den Regeln des Experiments auch für einen Dollar oder weniger hätten bekommen können.
Geschenke sind es uns wert: Wenn wir anderen Menschen Geschenke machen, sind wir bereit, deutlich mehr für ein Produkt zu zahlen, als wir es wären, wenn wir es für uns selbst kaufen würden (Vgl. Felser, G.: 2015, S. 397 f.). Dieses Phänomen hat zwei ganz einfache Gründe: Einerseits möchten wir unserem Gegenüber zeigen, dass er uns etwas bedeutet. Dies kann dadurch geschehen, dass wir ihm mit unserem Geschenk mitteilen, dass er uns eine für unsere Verhältnisse hohe Summe an Geld wert ist. Genauso könnte man seine Wertschätzung natürlich auch durch ein Geschenk ausdrücken, das man mit viel Mühe ausgesucht oder hergestellt hat. Allerdings besitzen wir Menschen in diesem Fall eine kleine Wahrnehmungsverzerrung. Wir gehen davon aus, dass andere materialistischer denken als wir selbst. Deswegen tendieren wir dazu, sicherheitshalber lieber auf teure Geschenke zu setzen.
Fazit:
Unter den in diesem Beitrag aufgeführten Bedingungen sind wir tatsächlich bereit, Geld auszugeben, das wir eigentlich einsparen könnten. Reflektiert doch in den nächsten Tagen euer Einkaufsverhalten einmal selbst. Nicht unbedingt, um etwas daran zu ändern. Sondern einfach darum, weil es spannend ist, zu sehen, in welchem Maße man selbst diesen Handlungsprinzipien mehr oder weniger unterlegen ist.
Literaturverzeichnis:
Felser, G.: Werbe- und Konsumentenpsychologie. 4. Auflage. Berlin 2015
Kotler, P./Bliemel, P.: Marketing-Management. 10. Auflage. Stuttgart 2001
Beitragsbild: pixabay