Der zunehmende Einsatz von Social Media hat in den letzten Jahren signifikante Veränderungen im Leben vieler Menschen bewirkt, insbesondere bei jüngeren Generationen. Kinder und Jugendliche sind heutzutage viele Stunden täglich in sozialen Netzwerken wie Instagram, TikTok und Snapchat aktiv. Diese Plattformen bieten ein umfangreiches Angebot von Inhalten, von Unterhaltung über Bildung bis hin zu sozialen Interaktionen. Doch obwohl Social Media positive Aspekte hat, gibt es auch viele potenzielle negativen Auswirkungen, insbesondere auf die Konzentrationsfähigkeit und die psychische und physische Gesundheit von Kindern. Dieser Artikel beleuchtet die Auswirkungen des Social Media Konsums auf das psychische und physische Wohlbefinden von Kindern. Dabei werden wissenschaftliche Studien und Erkenntnisse herangezogen, um ein umfassendes Bild dieses wachsenden Problems zu zeichnen.
Die Rolle von Social Media im Leben von Kindern
Kinder und Jugendliche wachsen in einer digitalisierten Welt auf, in der soziale Medien eine zentrale Rolle spielen. Bereits im Grundschulalter besitzen viele Kinder ein Smartphone und haben Zugang zu sozialen Netzwerken. Laut aktuellen Statistiken nutzen über 20 % der Kinder im Alter zwischen sechs und neun Jahren und über 60 % der Kinder zwischen zehn und 13 Jahren in Deutschland regelmäßig Social Media Plattformen (Statistia, 2024). Social Media bietet eine Form des Austausches und der Kommunikation. Es entsteht der Eindruck, dass damit viele Lebensbereiche gleichzeitig bedient werden können. Es gibt Lösungen für schulische Probleme, es gibt Communities, um sich weniger alleine zu fühlen. Für ausreichend Unterhaltung wird im großen Ausmaß gesorgt, Videos, Spiele, Chats, so kann Langeweile nicht aufkommen. Alles kann mit Social Media abgedeckt werden. Aber durch diese permanente Reizüberflutung, gerade bei Kindern und Jugendlichen können enorme gesundheitliche Folgen entstehen (Spitzer, 2017, S. 23-25).
Auswirkungen auf psychische und physische Gesundheit
Einer der Hauptkritikpunkte an der intensiven Nutzung von Social Media ist, dass sie die Konzentrationsfähigkeit von Kindern beeinträchtigen kann. Kinder und Jugendliche, die viel Zeit auf diesen Plattformen verbringen, sind ständigen Reizen ausgesetzt, die ihre Fähigkeit, sich über längere Zeit auf eine Aufgabe zu konzentrieren, verringern können. Die ständige Verfügbarkeit neuer Inhalte in sozialen Netzwerken führt zu einer Überflutung von Informationen. Diese Flut von Reizen verlangt ständig nach Aufmerksamkeit und lässt nur wenig Raum für tiefe Konzentration. Ein Phänomen, das mit der Nutzung von Social Media in Verbindung gebracht wird, ist das „Multitasking“. Viele Kinder neigen dazu, beim Lernen oder bei Hausaufgaben gleichzeitig auf Social Media aktiv zu sein, was ihre Fähigkeit zur Fokussierung erheblich einschränkt. Schlechte Leistungen, Konzentrationsschwächen sowie kognitive Einschränkungen sind die Folgen (Spitzer, 2017, S. 67-72; Spitzer, 2014, S. 227-235).
Der Einfluss von Dopamin auf das Belohnungssystem
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Rolle des Dopamins im Gehirn. Social Media Plattformen sind so gestaltet, dass sie durch „Likes“, Kommentare und Benachrichtigungen sofortige Belohnungen bieten. Diese sozialen Bestätigungen aktivieren das Belohnungssystem im Gehirn und setzen Dopamin frei, was ein Gefühl der Zufriedenheit und des Wohlbefindens erzeugt. Kinder entwickeln dadurch ein Verlangen nach immer mehr sozialer Bestätigung, was zu einer Abhängigkeit führen kann. Dies führt wiederum dazu, dass sie Schwierigkeiten haben, Aufgaben zu bewältigen, die nicht sofort belohnt werden, wie etwa Schularbeiten oder das Erlernen neuer Fähigkeiten, die längerfristigen Einsatz erfordern (Spitzer, 2014, S. 242-246).
Vergleich mit anderen
Soziale Netzwerke leben von der Selbstdarstellung. Kinder und Jugendliche sind oft stark darauf fixiert, wie viele „Likes“ oder Follower sie haben und vergleichen sich mit anderen Nutzern, die scheinbar ein perfektes Leben führen. Dieser ständige Vergleich kann das Selbstwertgefühl negativ beeinflussen und zu Minderwertigkeitsgefühlen führen (Spitzer, 2014, S. 246-248). Eine Befragung der Royal Society for Public Health im Jahr 2017 zeigt, dass ein Großteil der 18- bis 24-jährigen jungen Frauen, sich aufgrund der Nutzung von Social Media Plattformen oft, bezogen auf ihren Körper, schlecht fühlen oder gar unzufrieden damit sind. Über 70 % der Befragten wünscht sich einen schönheitschirurgischen Eingriff (S. 10).
Diese Vergleiche sind besonders gefährlich, da die Inhalte auf Social Media oft stark bearbeitet und idealisiert sind. Kinder und Jugendliche, die diese Perfektion als real empfinden, entwickeln ein verzerrtes Bild von der Realität und ihrem eigenen Leben. Dies kann das Selbstbewusstsein und die psychische Gesundheit erheblich beeinträchtigen.
Cybermobbing und sozialer Druck
Ein weiterer Aspekt, der zur psychischen Belastung beiträgt, ist das Phänomen des Cybermobbings. Soziale Medien bieten eine Plattform, auf der Mobbing anonym und rund um die Uhr stattfinden kann. Kinder, die Opfer von Cybermobbing werden, leiden häufig unter Angstzuständen, Depressionen und einem starken Rückgang des Selbstwertgefühls (Kowalski, Giumetti, Schroeder & Lattanner, 2014, S. 1074; Spitzer, 2020, S. 28-31). Zudem üben soziale Medien oft einen enormen sozialen Druck aus. Kinder fühlen sich gezwungen, ständig online präsent zu sein und auf Nachrichten oder Kommentare sofort zu reagieren, um nicht das Gefühl zu haben, etwas zu verpassen (FOMO – „Fear of Missing Out“). Dieser ständige Druck, immer „up-to-date“ zu sein, kann zu chronischem Stress führen und die psychische Gesundheit beeinträchtigen (Przybylski, Muayama, DeHaan & Gladwell, 2013, S. 1842; RSPH, 2017, S. 12).
Schlafstörungen, Übergewicht und Stoffwechselstörungen
Ein weiterer häufiger Effekt des übermäßigen Social Media Konsums ist Schlafmangel. Viele Kinder und Jugendliche nutzen ihr Smartphone auch spät in der Nacht, was den natürlichen Schlafrhythmus stört. Das blaue Licht der Bildschirme unterdrückt die Produktion von Melatonin, dem Hormon, das den Schlaf-Wach-Rhythmus reguliert. Schlafmangel hat weitreichende Folgen für die Konzentration, die emotionale Stabilität und das allgemeine Wohlbefinden von Kindern. Langfristig kann chronischer Schlafmangel zu ernsthaften gesundheitlichen Problemen führen, einschließlich Depressionen und Angstzuständen (Levenson, Shensa, Sidani, Colditz & Primack, 2017, S. 6; Spitzer, 2020, S. 26-27). Durch die entstandenen Schlafstörungen kann es zusätzlich zu weiteren Stoffwechselstörungen wie Diabetes, Bluthochdruck oder auch Herzkrankheiten kommen. Studien zeigen, dass bei Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 17 Jahren bei regelmäßigem Social Media Konsum ein erhöhter Blutdruck zu verzeichnen ist. Durch den exzessiven Konsum bleiben Kinder und Jugendliche meist körperlich inaktiv und durch den entstanden Bewegungsmangel und ungesunden Lebensstil häufen sich Übergewicht und Adipositas im Kinder- und Jugendalter (Spitzer, 2020, S. 25-27).
Maßnahmen zur Reduktion der negativen Auswirkungen
Angesichts der zahlreichen negativen Auswirkungen des Social Media Konsums auf die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen ist es wichtig, Maßnahmen zu ergreifen, um diese Risiken zu minimieren. Eltern sollten ihre Kinder dabei unterstützen, einen bewussten und verantwortungsvollen Umgang mit sozialen Medien zu erlernen. Dies kann durch klare Regeln und zeitliche Beschränkungen geschehen. Der Fokus liegt hier auch in der Aufklärung. Kinder sollten schon frühzeitig über die Risiken von Social Media informiert werden und lernen, wie sie diese Plattformen sicher und verantwortungsvoll nutzen können. Medienkompetenz ist in einer zunehmend digitalisierten Welt unerlässlich, um Kinder vor den negativen Einflüssen zu schützen und sie zu selbstbewussten und reflektierten Nutzern zu machen (Spitzer, 2017, S. 319-323). Es ist wichtig, dass Kinder alternative Freizeitbeschäftigungen finden, die sie von sozialen Medien fernhalten. Sport, Hobbys oder kreative Aktivitäten bieten eine gesunde Möglichkeit, sich auszudrücken und soziale Interaktionen auf positive Weise zu erleben.
Fazit
Die Nutzung von Social Media hat tiefgreifende Auswirkungen auf die Konzentration und das psychische Wohlbefinden von Kindern. Die ständige Informationsflut, der soziale Vergleich und der Druck, online präsent zu sein, können zu Konzentrationsproblemen, Schlafstörungen und psychischen Belastungen führen. Eltern, Pädagog*innen und andere Bezugspersonen sollten sich dieser Risiken bewusst sein und Maßnahmen ergreifen, um den Social Media Konsum von Kindern und Jugendlichen zu regulieren und sie in ihrem Umgang mit digitalen Medien zu unterstützen. Nur so können die negativen Auswirkungen minimiert und die positiven Aspekte des digitalen Zeitalters voll ausgeschöpft werden.
Literatur
Kowalski, R. M., Giumetti, G. W., Schroeder, A. N. & Lattanner, M. R. (2014). Bullying on the digital age: A critical review and meta-analysis of cyberbullying research among youth. Psychological Bulletin, 140(4), 1073-1137. doi: https://www.doi.org/10.1037/a0035618
Levenson, J. C., Shensa, A., Sidani, J. E., Colditz, J. B. & Primack, B. A. (2017). The association between social media use and sleep disturbance among young adults. Prev Med (author manuscript), 85, 1-13. doi: https://www.doi.org/10.1016/j.ypmed.2016.01.001
Przybylski, A. K., Murayama, K., DeHaan, C. R. & Gladwell, V. (2013). Motivational, emotional, and behavioral correlates of fear of missing out. Computers in Human Behavior, 29, 1841–1848. doi: https://www.doi.org/10.1016/j.chb.2013.02.014
Royal Society for Public Health (RSPH) (2017). #StatusOfMind. Social media and young people’s mental health and wellbeing. Zuletzt abgerufen am 30.11.2024. Verfügbar unter https://www.rsph.org.uk/static/uploaded/d125b27c-0b62-41c5-a2c0155a8887cd01.pdf
Spitzer, M. (2020). Die Smartspone Epidemie. Gefahren für Gesundheit, Bildung und Gesellschaft (2. Auflage). Stuttgart: Klett-Cotta.
Spitzer, M. (2017). Cyberkrank! Wie das digitalisierte Leben unsere Gesundheit ruiniert. München: Droemer.
Spitzer, M. (2014). Digitale Demenz. Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen. München: Droemer.
Statista (2024). Umfrage zur Nutzung von TikTok, Instagram oder Snapchat von Kindern in Deutschland nach Geschlecht im Jahr 2024. Zuletzt abgerufen am 30.11.2024. Verfügbar unter https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1497583/umfrage/social-media-nutzung-von-kindern-in-deutschland-nach-geschlecht/
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