Einsamkeit ist ein universelles Gefühl, das die psychische Gesundheit tiefgreifend beeinflussen kann. Parallel dazu zeigt sich ein gesellschaftlicher Trend, in dem das Single-Dasein zunehmend akzeptiert und bewusst gewählt wird. Diese Entwicklung wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst, darunter zählen wirtschaftliche Unabhängigkeit, der Wunsch nach persönlicher Entfaltung und der eigene, idealistische Karriereweg. Doch während viele das Single-Leben als erstrebenswert empfinden, gibt es auf der anderen Seite die nicht freiwillig gewählte Einsamkeit, die zur sozialen Isolation führen kann. Die moderne Gesellschaft, trotz ihrer Vernetzung durch Technologie, erlebt eine Epidemie der Einsamkeit. Die Gründe dafür können vielfältig sein, von beruflichem Stress und urbaner Isolation bis hin zu persönlichen Verlusten und Beziehungsproblemen. Social Media spielt dabei eine zentrale Rolle, sowohl als Verstärker von Einsamkeit als auch als Plattform für den Austausch und die Pflege sozialer Kontakte. In diesem Blogartikel wird untersucht, wie diese drei Phänomene – Einsamkeit, der Trend zum Single-Sein und die Nutzung von Social Media – miteinander verbunden sind und welche psychologischen Effekte daraus entstehen.
Einsamkeit – Definition und Dimensionen
Einsamkeit beschreibt das subjektive Gefühl, dass soziale Bindungen unzureichend sind. Sie ist nicht gleichzusetzen mit physischer Isolation (hier auch als objektive Isolation bezeichnet), sondern kann auch Menschen betreffen, die von anderen umgeben sind. Wichtig ist auch zu verstehen, dass Einsamkeit von der Tatsache des alleine sein zu differenzieren ist. Das Alleinsein an sich ist ein aktiv gewählter Zustand von Personen, um etwa konzentriert an Projekten zu arbeiten oder sich bewusst eine Auszeit zu gönnen (Krieger & Seewer, 2022, S. 3).
Einsamkeit kann somit in drei Gruppen unterteilt werden (Heinrich & Gullone, 2006, S. 698-700; Krieger & Seewer, 2022, S. 4):
Emotionale bzw. intime Einsamkeit, die durch den Mangel an engen, intimen Beziehungen entsteht wie Eltern-Kind-Beziehungen, Partnerschaften oder enge Freundschaften.
Soziale bzw. rationale Einsamkeit, die auf das Fehlen eines sozialen Netzwerks zurückzuführen ist. Hier greifen alle persönlichen Beziehungen und Freundschaften.
Kollektive Einsamkeit bezieht sich auf das Fehlen von Zugehörigkeit in Gruppen, Gemeinschaften oder dergleichen.
Statistiken zeigen, dass Einsamkeit weltweit zunimmt. In Deutschland fühlen sich im Durchschnitt 15 % der Bevölkerung einsam. Dieser Wert nahm während der Corona-Pandemie um mehr als das Doppelte zu und erreichte knapp 40 %. Heinrich und Gullone (2006) werteten Studien aus und konnten eine Prävalenzspanne von 15-30 % erheben (S. 700). Festzuhalten ist aber, dass diese Zahlen nur Momentaufnahmen darstellen.
Psychologische und gesundheitliche Auswirkungen
Einsamkeit ist mit einer Vielzahl von negativen gesundheitlichen Auswirkungen verbunden. Soziale zwischenmenschliche Beziehungen sind die Basis emotionaler Entwicklung und gehören zu den menschlichen Grundbedürfnissen. Sind diese beeinträchtigt, kann es zu Depressionen, Angstzustände oder auch zu sozialer Phobie kommen (gerade bei sozialer Isolation), aber es finden sich auch physiologische Reaktionen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Schlafstörungen. Chronische Einsamkeit erhöht zudem das Risiko für eine vorzeitige Sterblichkeit (Holt-Lunstad, Smith & Layton, 2010, S. 12; Bücker, 2022, S. 8-11). Es zeigt sich, wie wichtig soziale Beziehungen für ein gesundes psychisches Wohlbefinden sind.
Trend zum Single-Sein – Gesellschaftliche Ursachen
Der Trend zum Single-Sein ist in vielen Industrieländern deutlich erkennbar. In Deutschland etwa gab es 2023 17 Mio. Menschen, die alleine lebten. Das entsprich knapp 41 % aller Haushalte gesamt in Deutschland. In Österreich zeigen die Zahlen ein ähnliches Bild: 2024 sind 38 % aller Haushalte Ein-Personen-Haushalte (Statista, 2024; WKO Statistik, 2024). Diese hohen Zahlen zur Tendenz des Single-Trends, sind gekoppelt mit unterschiedlichen Faktoren. Zum einen tendiert die moderne Gesellschaft zum Individualismus, zur Entfaltung persönlicher und beruflicher Ziele, Freiheitsgefühl, Autonomie und Unabhängigkeit. Der Wandel zu flexiblen Lebensstrukturen drängt das traditionelle Familiengebilde in den Hintergrund (Kislev, 2023, S. 5). Neben diesen vermeidlich positiven Aspekten birgt das Single-Sein dennoch auch einige negative Faktoren, die das Risiko zur Einsamkeit erhöhen können. Das Fehlen von körperlicher Nähe oder das Gefühl des Ausschlusses im persönlichen Netzwerk sind nur einige. Auch das unfreiwillige Single-Dasein aufgrund gescheiteter Beziehungen oder Gewalterfahrungen in solchen zählen zu den negativen Faktoren (Kislev, 2023, S. 6; Cacioppo & Patrick, 2008, S. 102-103).
Social Media – Chance und Fluch der Einsamkeit
Social Media ist aus dem heutigen Alltag nicht mehr wegzudenken. Bietet es die Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen und zu pflegen, unabhängig von räumlichen oder zeitlichen Einschränkungen. Plattformen wie Facebook, Instagram und TikTok können insbesondere für Singles eine wichtige Bezugsquelle sein, um soziale Verbindungen aufrechtzuerhalten. Studien belegen, dass moderate Social-Media-Nutzung Einsamkeit reduzieren kann, indem sie den Austausch mit anderen fördert (Ellison, Steinfield & Lampe, 2007, S. 1151). Doch auf der anderen Seite kann die Nutzung von Social-Media ein Risikofaktor chronischer Einsamkeit sein. Menschen vergleichen sich auf sozialen Plattformen oft mit idealisierten Darstellungen anderer, was zu negativen Gefühlen, geringerem Selbstwert und Depressivität führen kann. Auch die oberflächliche Kommunikation im digitalen sozialen Netzwerk ist langfristig kein Ersatz für persönliche Gespräche (Huang, 2017, S. 347-348). Verstärkt wird durch die Social-Media-Nutzung das Phänomen von FoMO (Fear of Missing Out), bei welchem das Gefühl entsteht, etwas zu verpassen. Hier entsteht eine Abwärtsspirale, denn um so stärker das FoMO-Gefühl, um so intensiver verspüren Betroffene das Gefühl von Einsamkeit und Isolation (Przybylski, Murayama, DeHaan & Gladwell, 2013, S. 1842).
Einsamkeit – Single-Sein – Social Media – ein Zusammenspiel
Alle drei Faktoren Einsamkeit, Single-Sein und Social Media verstärken sich gegenseitig sowohl positiv als auch negativ: Singles, die sich einsam fühlen, neigen dazu, Social Media intensiver zu nutzen, um soziale Bindungen aufzubauen oder zu kompensieren (Ellison et al., 2007, S. 1148; Primack et al., 2017, S. 6). Studien zeigen dazu, dass Frauen und Männer Einsamkeit und Social-Media-Nutzung unterschiedlich erleben. Frauen neigen dazu, Social Media stärker zur Pflege sozialer Kontakte zu nutzen, während Männer die Plattformen für Freizeit- und Unterhaltungszwecke verwenden (Ellison et Huang, 2017, S. 35). Gleichzeitig kann die Nutzung von Social Media das Gefühl verstärken, ausgeschlossen zu sein, was die Einsamkeit weiter erhöht. Der gesellschaftliche Druck, Beziehungen online zu präsentieren, verstärkt den sozialen Vergleich und die Unzufriedenheit mit dem eigenen Lebensstil (Przybylski et al., 2013, S. 1842).
Möglichkeiten und Strategien zur Bewältigung der Einsamkeit
Einsamkeit und/oder soziale Isolation zu behandeln ist ein individuelles Vorgehen. Eine einzige Lösung dazu gibt es nicht. Unterschiedliche Ansätze und Therapiemöglichkeiten sind individuell abzustimmen. Folgende Möglichkeiten und Strategien können bei der Bearbeitung von Einsamkeitsgefühl und sozialer Isolation Betroffenen helfen, dysfunktionale Gedanken zu reduzieren, soziale Ressourcen zu stärken und auslösende Faktoren aufzudecken (Krieger & Seewer, 2022, S. 37):
Psychoedukation und Förderung sozialer Kompetenzen
Mit Psychoedukation kann Betroffenen klar gemacht werden, was Einsamkeit bedeutet und dass ein zeitlich limitiertes Einsamkeitsgefühl etwas völlig Normales ist, denn der Mensch gilt als soziales Wesen und will einer Gemeinschaft angehören. Dies gehört zum menschlichen Grundbedürfnis. Bei einem chronischen Einsamkeitsgefühl ist den Betroffenen zu erklären, dass sie selbst aktive werden müssen. Dabei soll motivierende Unterstützung angeboten werden, um Betroffene dahingehend zu stärken ein soziales Netzwerk aufzubauen. Ein wichtiger Ansatz dabei ist die Förderung sozialer Kompetenzen, zum Bsp. mit dem Soziale-Kompetenz-Training aus der Verhaltenstherapie (SKT), insbesondere für Menschen, die Schwierigkeiten haben, soziale Beziehungen fern ab von Online-Accounts aufzubauen. Workshops und psychologische Unterstützung können helfen, echte Verbindungen zu stärken (Krieger & Seewer, 2022, S. 38, 62, 68-71).
Bewusste Nutzung von Social Media
Ein bewusster Umgang mit Social Media kann dazu beitragen, die negativen Effekte zu minimieren und die Kommunikationsfähigkeit zu stärken. Betroffene sollen lernen, die online verbringende Zeit zu begrenzen, indem sie diese bewusst nutzen und sich auf sinnvolle Interaktionen zu konzentrieren (Huang, 2017, S. 351-352; Primack et al., 2017, S. 7).
Soziale Initiativen und Stärkung der Gruppenzugehörigkeit
Aktivitäten und Initiativen, die soziale Interaktion fördern, wie Interventionen im Gruppensetting können Einsamkeit reduzieren und das Gefühl der Zugehörigkeit stärken. Unterschiedliche Schwerpunkte der Gruppen können unter anderem die soziale Identität stärken, Ressourcen fördern, Bewusstsein für die eigenen Bedürfnisse schaffen. Aber auch Themen wie Konfliktlösung und Kommunikationsstrategien können gemeinsam mit Gleichgesinnten im Gruppensetting gefördert und erarbeitet werden. All diese Möglichkeiten bieten Betroffenen die Möglichkeit sich sozial zu integrieren und ihr Einsamkeitsgefühl zu reduzieren (Krieger & Seewer, 2022, S. 79-80).
Fazit
Einsamkeit, der Trend zum Single-Sein und die Rolle von Social Media stehen in einer komplexen Wechselbeziehung, welche sowohl Chancen als auch Risiken birgt. Während das Single-Sein Freiheit und Selbstverwirklichung bieten kann, erhöht es gleichzeitig das Risiko für Einsamkeit und soziale Isolation, insbesondere wenn soziale Bindungen fehlen. Social Media ist in diesem Kontext ein ambivalenter Aspekt. Zum einen bietet die Nutzung von Social Media die Möglichkeiten der sozialen Vernetzung und den Austausch mit anderen. Zum anderen verstärkt es das Gefühl der Einsamkeit und treibt Betroffene weiter in die soziale Isolation. Mit Unterstützung von ressourcenstärkenden und Bewusstsein schaffenden Interventionen können Betroffene lernen, besser im sozialen Umfeld zu agieren. Ein bewusster Umgang mit Social Media, die Förderung sozialer Kompetenzen und therapeutische Maßnahmen zur Stärkung von Gruppenzugehörigkeit sind essenziell, um die negativen Auswirkungen dieser Ambivalenz zu minimieren. Die Auseinandersetzung mit diesen Themen bleibt nicht nur für Einzelpersonen, sondern auch für die Gesellschaft als Ganzes von großer Bedeutung.
Literatur
Bücker, S. (2022). KNE Expertise: Die gesundheitlichen psychologischen und gesellschaftlichen Folgen von Einsamkeit. Zuletzt abgerufen am 29.11.2024. Verfügbar unter: file:///Users/alexanderfeiser/Downloads/KNE_Expertise10_221126.pdf
Cacioppo, J. T., & Patrick, W. (2008). Loneliness: Human nature and the need for social connection. New York: Norton & Company.
Ellison, N. B., Steinfield, C. & Lampe, C. (2007). The benefits of Facebook “friends”: Social capital and college students’ use of online social network sites. Journal of Computer-Mediated Communication, 12, 1143–1168. doi: https://doi.org/10.1111/j.1083-6101.2007.00367.x
Heinrich, L. M. & Gullone, E. (2006). The clinical significance of loneliness: A literature review. Clinical Psychology Review, 26, 695-718. doi: https://www.doi.org/10.1016/j.cpr.2006.04.002
Holt-Lunstad, J., Smith, T. B. & Layton, J. B. (2010). Social relationships and mortality risk: a meta-analytic review. PLOS Medicine, 7(7), 1-20. doi: https://www.doi.org/10.1371/journal.pmed.1000316
Huang, C. (2017). Time spent on social network sites and psychological well-being: A meta-analysis. Cyberpsychology, Behavior, and Social Networking, 20(6), 346-354. doi: https://www.doi.org/10.1089/cyber.2016.0758
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Krieger, T. & Seewer, N. (2022). Einsamkeit (1. Auflage). Göttingen: Hogrefe.
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Przybylski, A. K., Murayama, K., DeHaan, C. R. & Gladwell, V. (2013). Motivational, emotional, and behavioral correlates of fear of missing out. Computers in Human Behavior, 29, 1841–1848. doi: https://www.doi.org/10.1016/j.chb.2013.02.014
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Bildnachweis
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