By Published On: 9. Dezember 2024Categories: Gesundheit, Psychologie

Im Zeitalter der körperlichen (Selbst-)Optimierung, die für mehr Leistungsfähigkeit und körperliche Fitness steht, wird der Begriff des „Übertrainings“ immer wichtiger. Schon lange ist es kein Begriff mehr nur in der Welt der Profisportler*innen. Auch im ambitionierte Hobbysport wird der Begriff immer bekannter. Doch was passiert, wenn der Sport überhandnimmt und der Körper keine ausreichende Zeit zur Regeneration erhält? Im Fokus dabei steht die körperliche Belastung durch übermäßige Trainingseinheiten, weniger Beachtung wird dabei den daraus resultierenden psychischen Folgen gegeben. Die sportliche Überanstrengung hat nicht nur erhebliche Auswirkungen auf den Körper, sondern auch auf die Psyche. Dieser Beitrag widmet sich dem Thema Sport und Psyche, die Auswirkungen des Übertrainings auf die psychische Gesundheit und warum ein Gleichgewicht zwischen Belastung und Erholung entscheidend ist.

Übertraining – was es heißt, übertrainiert zu sein?

Grundsätzlich lässt sich körperliche Belastung durch Sportaktivitäten in drei Kategorien einteilen. Dabei wird von der Beanspruchungsintensität gesprochen, die in unterschiedlich intensiven Stufen stattfindet (niedrig, moderat und hoch). Bei der niedrigen Beanspruchungsintensität wird von aerober (Verstoffwechslung von Sauerstoff für Muskelkraft) körperlicher Anstrengung gesprochen. Die moderate körperliche Beanspruchung sorgt dafür, dass die Muskeln zusätzlich durch Laktatbildung Energie verstoffwechseln. Also, über den aeroben Bereich hinaus. Und wird von der hohen Belastungsintensität gesprochen, so ist ein enormer Leistungsanspruch gegeben, so dass die Atmung intensiviert wird und durch die zu hohe Laktatbildung die körperliche Leistung nur über einen gewissen Zeitraum erhalten werden kann (Brand & Schweizer, 2019, S. 140-141). Es kommt zum Übertraining. Die folgende Grafik zeigt, wie ein Übertrainingssyndrom in der Trainingsphase entsteht (Armstrong & VanHeest, 2002, S. 187):

Abb. 1: Trainingsphasen im sportlichen Leistungsbereich (Armstrong & VanHeest, 2002, S. 187; eigene Darstellung)

Übertraining beschreibt somit einen Zustand, in dem die Belastung im Training die Regenerationsfähigkeit des Körpers übersteigt. Es wird zwischen funktionellem Übertraining und dem pathologischen Übertrainingssyndrom unterschieden. Während das funktionelle Übertraining durch geplante Regenerationsphasen reversibel ist und der Leistungssteigerung dient, ist pathologische Übertraining ein chronischer Zustand, der Wochen bis Monate anhalten kann (Armstrong & VanHeest, 2002, S. 187-188).

Ursachen von Übertraining und dazugehörende Symptome

Viele verschiedene Faktoren können ein Übertraining auslösen. Übertraining selbst ist charakterisiert durch einen Zustand, in dem die körperliche Belastung über einen längeren Zeitraum so groß ist, dass der Körper keine ausreichenden Regenerationsphasen mehr erhält. Dies führt zu einer chronischen Erschöpfung, die sich sowohl physisch als auch psychisch bemerkbar macht. Durch den dazu führenden Leistungseinbruch können Symptome wie Schlafstörungen Reizbarkeit bis hin zu depressiven Verstimmungen auftreten (Beckmann & Ehrlenspiel, 2018, S. 421). Im Gegensatz zur akuten Ermüdung oder Erschöpfung (eng. Overreaching), die nach intensiven Trainingseinheiten auftritt und nach einer Erholungsphase oder Ruhepause wieder abklingt, ist Übertraining ein längerfristiger Zustand, welcher oft zu unterschiedlichen sowohl körperlichen und auch psychischen Reaktionen führen kann (Meeusen et al., 2013, S. 187).

Zu den wichtigsten Symptomen zählen eine zu hohe Trainingsintensität, zu kurze Regenerationszeiten und eine unzureichende Ernährung. Körperlichen Beschwerden wird meist die größere Beachtung zuteil. Weniger Aufmerksamkeit findet sich bei den psychischen Beschwerden, die durch Übertraining bei Sportler*innen ausgelöst werden (Kreher & Schwartz, 2012, S. 129). Die psychischen Symptome von Übertraining sind vielfältig und betreffen verschiedene Bereiche des psychischen Wohlbefindens. Einige der häufigsten Symptome sind Stimmungsschwankungen, die zu Gereiztheit und Frustration führen kann. Dadurch entsteht zusätzlich ein Motivationsverlust, der Sportler*innen in ein emotionales Tief bringen kann. Weitere kognitive Einschränkungen finden sich in der Konzentrationsfähigkeit oder auch beim fokussierten Arbeiten (Meeusen et al., 2013, S. 188). Bei Halson (2014) heißt es zusätzlich, geringe Regeneration nach dem Training fördern Schlafstörungen. Ein- und Durchschlafproblemen führen unvermeidbar zu Erschöpfungszuständen (S. 140-141).

Gerade leistungsorientierte Sportler*innen übersehen in intensiven Trainingsplänen oft die notwendigen Ruhephasen. Nicht zuletzt werden diese oft als Schwäche angesehen, was das Risiko für Übertraining erhöht. Sportler*innen überschreiten oft unbewusst ihre körperlichen und psychischen Grenzen, was langfristig zu einer Dysbalance im autonomen Nervensystem führt (Meeusen et al., 2013, S. 191). Übermüdung, Schlafstörungen oder Motivationsverlust sollten nicht ignoriert, sondern als Warnsignale betrachtet werden. Der Körper benötigt ausreichend regenerative Phasen und eine ausgewogene Ernährung, um die durch das Training verursachten Belastungen zu kompensieren und sich gesund zu erholen (Kehrer & Schwartz, 2012, S. 135-136).

Stress – Ursache und Folge von allem?

Stress ist sowohl Ursache als auch Folge bei übermäßigem Training. Auf physischer Ebene bewirkt intensives Training eine Freisetzung des Stresshormons Cortisol, welches in Maßen nützlich ist, dennoch bei chronischer (Über-)Produktion jedoch negative Auswirkungen auf das psychische Befinden hat. Auf psychischer Ebene führt der hohe Leistungsdruck oft zu einer zusätzlichen Belastung, die das Risiko für Übertraining erhöht. Besonders in Wettkampfsituationen kann der mentale Stress den Körper in einen permanenten Alarmzustand versetzen, was die Regeneration behindert und zusätzlich das Risiko für psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Angstzustände steigert. (Meeusen et al., 2013, S. 187-188). Zwei der am besten wissenschaftlich beschriebenen Folgen des Übertrainings sind Depressionen und Burnout, unter denen (Leistungs-)Sportler*innen oft leiden.

Depressionen – sportliche Erschöpfung

Studien haben gezeigt, dass ein Zusammenhang zwischen Übertraining und Depression besteht. Sportler*innen im Übertraining, zeigen häufig depressive Symptome wie Antriebslosigkeit, Interessenverlust und pessimistische Zukunftsaussichten (Armstrong & VanHeest, 2002, S. 186). Dies liegt vor allem daran, dass das chronische Übertrainingssyndrom zu einer dauerhaften Erschöpfung des Körpers führt, was wiederum das Risiko für psychische Erkrankungen erhöht. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Isolation, die oft mit dem Übertraining einhergeht. Sportler*innen, die sich völlig auf ihr Training fokussieren, ziehen sich häufig sozial zurück, was das Risiko für depressive Verstimmungen verstärken kann. Dieser Teufelskreis kann nur durch eine bewusste Reduktion der Trainingsbelastung und die gezielte Förderung sozialer Kontakte durchbrochen werden (Gerber & Schilling, 2018, S. 98; Wunsch & Gerber, 2018, S. 347; Weber & Lehmann, 2020, S. 56).

Burnout im (Leistungs-)Sport

Burnout ist nicht nur in der Arbeitswelt präsent: (Leistungs-)Sportler*innen sprechen immer öfter von Erschöpfungszuständen und sportbedingtem Burnout. Bei Gustafsson, Kenttä, Hassmen, Lundqvist & Durand-Bush (2007) heißt es, dass aufgrund von Stress und Überforderung im Training, vor allem wenn es zu Übertraining und der daraus resultierenden psychischen Folgen kommt, es zum sogenannten sportlichen Burnout kommen kann (S. 389). Ausschlaggebend sind dafür geringe Regenationsphasen zwischen zu intensiven Trainingseinheiten. Dabei erleben Sportler*innen im Übertraining dieselben Symptome wie bei einem Burnout: Leistungseinbruch, Erschöpfungszustände und Stimmungsschwankungen (Gustafsson et al., 2007, S. 389-390). Das Burnout-Syndrom ist eine bekannte Folge von chronischem Stress und Überforderung. Sportler*innen verlieren aufgrund von Übertraining und psychischer Belastung die Motivation und Freude am Sport und erleiden dadurch einen chronischen Erschöpfungszustand. Sport wird nicht mehr als Bereicherung empfunden und Sportler*innen distanzieren sich von der sportlichen Tätigkeit. Zusätzlich berichten Sportler*innen oft über das Gefühl der Überforderung und der Angst Erwartungen des Umfelds nicht mehr gerecht werden zu können (Gustafsson et al., 2007, S. 390; 408-409).

Prävention und Erholung

Um Leistungseinbrüche und gar Übertraining präventiv vorzubeugen, ist die Balance zwischen Belastung und Erholung unumgänglich. Dabei kann durch sportpsychologische Maßnahmen ein optimaler Trainingsplan gestaltet werden und auf Frühwarnsymptome geachtet werden. Dazu gehören eine unerklärliche Leistungsstagnation, Müdigkeit trotz ausreichendem Schlaf und eine negative Stimmungslage (Meeusen et al., 2013, S. 199). Vorbereitung im Training und ausreichend geplante Regenationsphase sind der Schlüsselfaktor für eine ausgewogene und gesunde körperliche Belastung, um im (Leistungs-)Sport Übertraining und anhaltende zu hohe Trainingseinheiten vorzubeugen (Brand & Schweizer, 2019, S. 152-153; Halson, 2014, S. 145). Präventiv können Sportler*innen in anstehenden Wettkampfphasen durch mediative Sportarten (Yoga, autogenes Training) und Entspannungsübungen dem vorprogrammierten Stress entgegenhalten, diesen reduzieren und aktiv solche Regenationsphase gestalten. Um die Balance zwischen Belastung und Erholung optimal zu nutzen, ist es für Sportler*innen wichtige ihre eigenen Grenzen kennen zu lernen und dadurch die körperlichen Signale wahrzunehmen (Beckmann & Ehrlenspiel, 2018, S. 429).

Fazit

Übertraining ist nicht nur ein körperlicher Zustand, sondern hat ebenfalls weitreichende Auswirkungen auf das psychische Wohlbefinden von (Leistungs-)Sportler*innen. Chronischer Stress, depressive Verstimmungen und das Risiko für einen Burnout sind ernstzunehmende Folgen, die das Leben stark beeinträchtigen können. Um Übertraining und die draus resultierenden negativen Auswirkungen vorzubeugen, ist eine ausgewogene Balance zwischen Training und Regeneration sowie das Respektieren von physischen wie psychischen Grenzen unerlässlich. Langfristig sind dies Faktoren, um eine stabile Gesundheit und Leistungsfähigkeit gewährleisten zu können. Übertraining und die Folgen sowie Präventionsprogramme sind in der sportpsychologischen Forschung ein präsentes Thema, sowohl im Leistungs- als auch im Hobbysport.

Literatur

Armstrong, L. E., & VanHeest, J. L. (2002). The unknown mechanism of the overtraining syndrome: Clues from depression and psychoneuroimmunology. Sports Medicine, 32(3), 185-209. doi: https://doi.org/10.2165/00007256-200232030-00003

Beckmann, J. & Ehrlenspiel, F. (2018). Strategien der Stressregulation im Leistungssport. In R. Fuchs & M. Gerber (Hrsg.), Handbuch Stressregulation und Sport (S. 417-433). Berlin: Springer.

Brand, R. & Schweizer, G. (2019). Sportpsychologie. Verständnisgrundlagen für mehr Durchblick im Fach (2. Auflage). Wiesbaden: Springer.

Gerber, M. & Schilling, R. (2018). Stress als Risikofaktor für körperliche und psychische Gesundheitsbeeinträchtigungen. In R. Fuchs & M. Gerber (Hrsg.), Handbuch Stressregulation und Sport (S. 94-122). Berlin: Springer.

Gustafsson, H., Kenttä, G., Hassmen, P., Lundqvist, C & Durand-Bush, N. (2007). The process of burnout: a multiple case study of three elite endurance athletes. Int. J. Sport Psychol., 38:388-416. Verfügbar unter https://www.researchgate.net/publication/258383084

Halson, S. L. (2014). Monitoring training load to understand fatigue in athletes. Sports Medicine, 44(2), 139-147. doi: https://doi.org/10.1007/s40279-014-0253-z

Kreher, J. B. & Schwartz, J. B. (2012). Overtraining syndrome: a practical guide. Sports Health, 4(2), 128-138. doi: https://doi.org/10.1177/194173811434406

Meeusen, R., Duclos, M., Foster, C., Fry, A., Gleeson, M., Nieman, D., Raglin, J., Rietjens, G., Steinacker, J. & Urhausen, A. (2013). Prevention, diagnosis, and treatment of the overtraining syndrome: joint consensus statement of the European College of Sport Science and the American College of Sports Medicine. Medicine & Science in Sports & Exercise, 45(1), 186-205. doi: https://doi.org/10.1249/MSS.0b013e318279a10a

Wunsch, K. & Gerber, M. (2018). Sportaktivität, Stress und Burnout. In R. Fuchs & M. Gerber (Hrsg.), Handbuch Stressregulation und Sport (S. 343-374). Berlin: Springer.

Bildnachweis

depositphotos_349017606 – verfügbar unter https://depositphotos.com/de/photo/tired-exercise-workout-overtraining-concept-exhausted-woman-lying-floor-breathing-349017606.html

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Trainingsphasen im sportlichen Leistungsbereich

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