By Published On: 4. Dezember 2024Categories: Wiki

Die Psychotherapie spielt eine entscheidende Rolle im Bereich der psychischen Gesundheit und des Wohlbefindens. In Österreich regelt das Psychotherapiegesetz die Ausübung dieses Berufsfeldes und legt die rechtlichen Rahmenbedingungen fest. Im Mai 2024 wurde in Österreich das neue Psychotherapiegesetz reformiert, welches für die Ausbildung zur Psychotherapeutin bzw. zum Psychotherapeuten maßgebliche Änderungen mit sich bringt. Mit dieser Gesetzesänderung wurde das Gesetz von 1990 den aktuellen Gegebenheiten der Gesellschaft angepasst. In diesem Artikel wird das neue Psychotherapiegesetz 2024 mit dem bis dahin seit 1990 gültigem Psychotherapiegesetz verglichen, Änderungen aufgezeigt und die potenziellen Auswirkungen auf die Psychotherapiepraxis diskutiert.

Neues Psychotherapiegesetz in Österreich – Hintergrund und Motivation

Das Psychotherapiegesetz in Österreich wurde erstmals 1990 verabschiedet und hat seitdem mehrere Änderungen durchlaufen. Die neueste Reformierung passierte heuer, im Mai 2024. Das Gesetz regelt Ausbildung inkl. Praktika, die Tätigkeit sowie alle damit verbundenen Berufspflichten von Psychotherapeut*innen. Es legt fest, welche psychotherapeutischen Methoden anerkannt sind und welche Ausbildungsstandards erfüllt werden müssen, um als Psychotherapeut*in in Österreich arbeiten zu dürfen (BMF, 2024a). Unumstößlich ist, dass das Gesetz dem Schutz der Patient*innen dient und sicherstellt, dass qualifizierte und ausgebildete Personen im Bereich der Psychotherapie tätig sind (Stumm, 2011, S. 32-33).

Die Neugestaltung des Psychotherapiegesetzes wurde lange diskutiert und Stimmen zur Änderung kamen dazu aus Fachkreisen und der Psychotherapiegesellschaften und- vereinen. Das gemeinsame Ziel der Änderung ist es, die Ausbildung zum/zur Psychotherapeut*in durch akademische Standards an andere Gesundheitsberufe anzupassen und dadurch die Ausbildungskandidat*innen besser auf den Umgang der komplexen Herausforderungen mit psychischen Erkrankungen vorzubereiten (BMSGPK, 2024).

Ausschlaggebende Änderungen im Psychotherapiegesetz (PthG 2024)

Mit dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes erhält die Psychotherapieausbildung eine der größten Änderungen: sie wird akademisiert. Ab 2026 wird die Ausbildung ausschließlich an Universitäten und Fachhochschulen angeboten und durchgeführt. Diese gliedert sich in drei Teilabschnitte: Der erste Teil wird in Form eines Bachelor-, der zweite Teil in Form eines Masterstudiums und der dritte Teil soll in Form einer postgraduellen Ausbildung umgesetzt werden. Wobei hier im postgraduellen Abschnitt bereits der Titel als Psychotherapeut*in in „Fachausbildung unter Lehrsupervision“ gilt und die selbständige Arbeit möglich ist (BMF, 2024b). Dadurch will der Gesetzgeber die Qualität der Ausbildung erhöhen und die Berufe im Gesundheitswesen auf eine gleichwertige Stufe stellen. Dadurch wird die Psychotherapieausbildung an akademische Mindestanforderungen gekoppelt und ermöglicht somit bessere internationale Anknüpfungen des psychotherapeutischen Berufes (BMBWF, 2024).

Bis jetzt teilte sich die Ausbildung in einen allgemeinen Teil, das psychotherapeutische Propädeutikum und einen spezifischen/besonderen Teil, das Fachspezifikum. Das psychotherapeutische Propädeutikum diente als Einstieg in die psychotherapeutische Ausbildung und stellte die Basis dar. Nach Absolvierung des psychotherapeutischen Propädeutikum, konnte unter bestimmten im Psychotherapiegesetz verankerten Voraussetzungen, mit dem Fachspezifikum begonnen werden. Hierbei wird sich für eine bestimme Psychotherapieschule entschieden, d.h. es wird eine Auswahl eines bestimmten Verfahrens bzw. einer Methode gewählt (BMSGPK, 2024). In Österreich gibt es derzeit 23 anerkannte Psychotherapie-Verfahren. Zu den bekanntesten Methoden zählen die Psychoanalyse, die Verhaltenstherapie, die systemische Psychotherapie, Gestalttherapie, Integrative Therapie, Existenzanalyse oder auch Psychodrama, um einige zu nennen (Stumm, 2011, S. 19). Demgegenüber werden in Deutschland derzeit nur vier psychotherapeutische Methoden (Verhaltenstherapie, tiefenpsychologisches Verfahren, Psychoanalyse und systemische Psychotherapie) anerkannt und von der Krankenkasse bezahlt (therapie.de, 2024, S. 9).

Eine weitere Neuerung im Gesetz regelt die erweiterten Zugangsvoraussetzungen. So ist es nun möglich, nicht nur für Absolvent*innen von psychologischen, pädagogischen oder gesundheitsnahen Studiengängen, eine psychotherapeutische Ausbildung zu beginnen. Dies soll durch eine Lockerung der bisherigen Beschränkungen für psychotherapeutische Methoden und eine Erweiterung jener, die psychotherapeutische Dienstleistungen anbieten dürfen, erreicht werden. Die Voraussetzung des Quellberufs entfällt sowie auch das Mindestalter für den Beginn des Fachspezifikums bzw. für die tatsächliche Ausübung des Berufs und Eintragung in die Psychotherapeut*innen-Liste des Sozialministeriums (BMF, 2024b)

Um die Ausbildung zum Psychotherapeuten bzw. zur Psychotherapeutin vor der Gesetzesänderung 2024 absolvieren zu können war eine der wichtigsten Voraussetzungen der Quellberuf. Das bedeutet, dass Auszubildende vor Beginn der Psychotherapieausbildung bereits einen Beruf erlernt haben müssen. Zu den Quellberufen zählen das abgeschlossene Studium der Medizin, der Psychologie, der Sozialen Arbeit, der Pädagogik, der Philosophie und der Publizistik/Kommunikationswissenschaften. Unter anderem kann aber auch eine Genehmigung zur Ausübung der Ausbildung durch das BMSGPK (nach Antragstellung und durch den Psychotherapiebeirat geprüft) unter Auflagen erteilt werden, sollte kein Quellberuf abgeschlossen worden sein (BMSGPK, 2024). Nicht zu übersehen ist hier aber, dass Personen, die sich für den psychotherapeutischen Beruf ausbilden lassen, bereits im Vorhinein meist eine akademische Ausbildung abgeschlossen haben müssen und somit additiv eine zusätzliche Ausbildung von Grund auf beginnen müssen.

Eine oft diskutierte neue Regelung findet sich in der praktischen Ausbildung zum Psychotherapeuten. Laut dem neuen Psychotherapiegesetz (PthG 2024) wird vermehrt Wert auf eine praxisnahe Ausbildung gelegt und dadurch ein neuer Rahmen mit mehr Praktikumsstunden geschaffen. Der Gesetzgeber erklärt dies mit frühzeitigem Sammeln an Erfahrung im klinischen Bereich. Wird aber genauer hingesehen, ergibt sich zum alten Psychotherapiegesetz doch eine Lücke durch den Wegfall der klinischen Praktika in psychiatrischen Abteilungen. Fachleute sehen hier eine deutliche Nachbesserung notwendig. Das Miterleben psychiatrischer Krankheitsbilder und der Umgang mit diesen im klinischen Alltag, ist mehr als nur ein „good to have“. Essenzielle Notwendigkeit zwischen psychiatrischen Krankheitsbildern, stationärem Aufenthalt und pharmakologische Therapie in Kombination mit Psychotherapie sieht Prof. Rujescu (Psychiatrische Leitung der Allgemeinen Psychiatrie am Universitätsklinikum AKH Wien), wie dieser im Standard online bemerkt (derStandard, 2024). Durch den Wegfall, der bis jetzt gesetzlich verankerten mindesten 150 Stunden im klinischen Setting, würde es an Qualität in der praktischen Ausbildung der Psychotherapie fehlen.

Vergleich der beiden Gesetzestexte

Unterschiede finden sich in den Ausbildungsstandards, dem Zugang zur Psychotherapieausbildung sowie dem Schutz für Patient*innen und der Qualitätssicherung. Die folgende Tabelle soll einen Überblick der wichtigsten Unterschiede zwischen dem Gesetz von 1990 (PthG) und dem neuen Gesetz (PthG 2024) geben:

PthG 1990PthG 2024
Klare Richtlinien für anerkannte psychotherapeutische Methoden und Ausbildungsstandards.Erweiterung der Methodenvielfalt, um den Bedürfnissen verschiedener
Patient*innengruppen gerecht zu werden.
Beschränkungen zum Zugang zur psychotherapeutischen Ausbildung und
klare Grenzen für die Ausübung der Psychotherapie, um die Qualität der Versorgung zu gewährleisten.
Lockerung der Beschränkungen, um den Zugang zur Psychotherapie zu erleichtern,
indem auch andere Berufsgruppen psychotherapeutische Dienstleistungen anbieten dürfen.
Zusätzlich wird die Ausbildung akademisiert.
Schutz der Patient*innen durch klare Standards und Supervisionsregelungen.Setzt auf Selbstverantwortung der Psychotherapeut*innen und stärkt die Eigenverantwortung der Patient*innen.
Tab. 1: Gegenüberstellung der Unterschiede zwischen PthG 1990 und PthG 2024 (eigene Darstellung)

Werden die beiden Gesetze verglichen, ergeben sich wesentliche Änderungen. War die Psychotherapieausbildung bis zuletzt sehr nach Psychotherapieschulen ausgerichtet und unterschiedlich je nach Ausbildungsstätte organisiert, wird die Ausbildung nun standardisiert und dadurch eine Qualitätssicherung forciert. Zusätzlich entfällt die Zugangsbeschränkung, der bis jetzt nur Absolvent*innen von facheinschlägigen Grundberufen vorbehalten war (Gesundheitsrecht, 2024).

Herausforderungen und Kritik

Im Großen und Ganzen ergeben sich überwiegend positive Neuerungen durch die Reformierung des österreichischen Psychotherapiegesetzes. Dennoch ist einer der Kritikpunkte nach wie vor die Finanzierung der Ausbildung. Waren bis jetzt Ausbildungskandidat*innen meist fest im beruflichen Alltag verankert, sind es nun Masterabsolvent*innen meist ohne langjährige berufliche Laufbahn, die die hohen Ausbildungskosten stemmen müssen. Hier wird der Gesetzgeber überlegen müssen, die Ausbildung sozial verträglich zu gestalten (Forum Gesundheitsrecht, 2024). Herausfordernd wird auch die Übergangsfrist bis 2026. Aktuell in der Ausbildung befindende Kandidat*innen plagt die Sorge, welchen weiteren Ausbildungsweg sie wählen sollen und auch können. Die Unsicherheit der ausreichend verfügbaren Ausbildungsplätze in der Übergangsphase könnte die akute psychotherapeutische Versorgung beeinträchtigen (BMBWF, 2024).

Fazit

Die Diskussion über das Psychotherapiegesetz in Österreich ist komplex und wirft wichtige Fragen zur Balance zwischen Zugang zur Psychotherapie und Qualitätssicherung auf. Der Vergleich des neuen und alten Gesetzes verdeutlicht die verschiedenen Ansätze zur Regulierung der Psychotherapiepraxis. Die Änderungen im reformierten Gesetz könnten weitreichende Auswirkungen auf die Psychotherapiepraxis in Österreich haben. Eine Lockerung der Zugangsbeschränkungen zur Ausbildung könnte zu einem größer verfügbaren Angebot an Psychotherapie führen, jedoch auch Bedenken hinsichtlich Ausbildungsniveau und daraus resultierender Qualitätssicherung aufwerfen. Die Erweiterung jener Personen, die psychotherapeutische Dienstleistungen anbieten dürfen, könnte den Zugang zur Psychotherapie verbessern, aber auch die Gefahr von nicht ausreichend qualifizierten Dienstleitungen sowie Ausbildungsstätten mit sich bringen. Trotz diskutierter Herausforderungen sieht sich die Neuerung des Gesetzes als wichtiger Schritt zur Modernisierung und Professionalisierung der Psychotherapie in Österreich. Langfristig soll eine Verbesserung der psychotherapeutischen Versorgung eine Stärkung des Berufsstandes geschaffen werden. Schlussendlich müssen die Auswirkungen auf Psychotherapeut*innen, Patient*innen und die Gesellschaft sorgfältig abgewogen werden, um sicherzustellen, dass die Psychotherapie weiterhin eine effektive und sichere Form der psychischen Gesundheitsversorgung bleibt.

Literatur

BMBWF (2024). Psychotherapieausbildung ab 2026 an öffentlichen Universitäten. Zuletzt abgerufen am 19.11.2024. Verfügbar unter https://www.bmbwf.gv.at/Ministerium/Presse/20240111.html

BMF (2024a). Bundesgesetz vom 7. Juni 1990 über die Ausübung der Psychotherapie (Psychotherapiegesetz). Zuletzt abgerufen am 17.11.2024. Verfügbar unter https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10010620.

BMF (2024b). Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Ausübung der Psychotherapie (Psychotherapiegesetz 2024 – PthG 2024) erlassen sowie das Musiktherapiegesetz, das PsychologInnengesetz 2013 und das Universitätsgesetz 2002 geändert werden. Zuletzt abgerufen am 17.11.2024. Verfügbar unter https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?ResultFunctionToken=3b8e9226-b00d-43df-b191-878bf05c7937&Position=1&SkipToDocumentPage=True&Abfrage=Begut&Einbringer=&Titel=&DatumBegutachtungsfrist=15.01.2024&ImRisSeitVonDatum=&ImRisSeitBisDatum=&ImRisSeit=EinemJahr&ImRisSeitChangeSet=EinemJahr&ImRisSeitForRemotion=EinemJahr&ResultPageSize=100&Suchworte=psychotherapie&Dokumentnummer=BEGUT_B6245CC6_7DF2_47A2_99C0_68584B4445FC.

BMSGPK (2024). Berufe von A-Z: Psychotherapeut, Psychotherapeutin. Zuletzt abgerufen am 17.11.2024. Verfügbar unter https://www.sozialministerium.at/Themen/Gesundheit/Medizin-und-Gesundheitsberufe/Berufe-A-bis-Z/Psychotherapeutin,-Psychotherapeut.html.

derStandard.at (2024). Sorge wegen neuer Praxisregelung in der Psychotherapieausbildung. Zuletzt abgerufen am 17.11.2024. Verfügbar unter https://www.derstandard.at/story/3000000205071/sorge-wegen-neuer-praxisregelungen-in-der-psychotherapieausbildung.

Forum Gesundheitsrecht (2024). Neues Psychotherapiegesetz 2024 in Kraft getreten. Zuletzt abgerufen am 19.11.2024. Verfügbar unter https://www.gesundheitsrecht.at/wp-content/uploads/2024/05/Bundesgesetzblatt-mit-neuem-Psychotherapiegesetz.pdf

Stumm, G. (2011). Einleitung. In G. Stumm (Hrsg.), Psychotherapie. Schulen und Methoden (S. 10-34). Falter Verlag: Wien.

therapie.de (2024). Alles Wissenswerte zur Psychotherapie. Zuletzt abgerufen am 17.11.2024. Verfügbar unter https://www.therapie.de/psyche/info/fragen/wichtigste-fragen/anerkannte-verfahren-deutschland-im-vergleich/.

Bildnachweis

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Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Gegenüberstellung der Unterschiede zwischen PthG 1990 und PthG 2024

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