„Wenn wir gelingende Beziehungen zu anderen Menschen aufbauen wollen, müssen wir bei uns selbst anfangen“
(Corssen & Tramitz, 2016, S.10)
Dieses Zitat spiegelt die Kernaussage des Buches wider und stellt die Grundvoraussetzung, um gelungene Beziehungen zu entwickeln und zu halten. Denn Veränderungen beginnen immer zunächst bei uns selbst. Und dies gilt auch für die Beziehung zu anderen Menschen. Jens Corssen und Christiane Tramitz zeigen in ihrem Buch auf wie wir unsere Beziehungsfähigkeiten in verschiedenen Bereichen des Lebens wie Familie, Beruf oder im Freundes- und Bekanntenkreis verbessern können.
Über die AutorInnen
Jens Corssen beschriebt sich selbst als psychologischer Konfliktberater und Begleiter bei Veränderungen. Er wurde in Berlin geboren und eröffnete im Jahre 1971 als Diplom- Psychologe mit verhaltenstherapeutischer Ausbildung seine eigene psychologische Praxis in München. Die Kernpunkte seiner 40-jährigen Arbeit vermittelt er auf Vorträgen und Seminaren, sowie auch in seinen Publikationen. Seiner Überzeugung nach führt die bewusste Selbst–Entwicklung zur eigenen Einstellungs- und Verhaltensänderung, die wiederum zu respektvollen und gelingenden Beziehungen führt. Dabei ist es ihm besonders wichtig sich auf das engagierte Erreichen von Zielen zu fokussieren, als auf eine frustrierende Vergangenheitsbewältigung. Sein Markenzeichen ist die von ihm entwickelte Philosophie und Praxis des Selbst-Entwicklers, die zu einem der erfolgreichsten Coachingkonzepte im deutschsprachigen Raum geworden ist.
Christiane Tramitz ist promovierte Verhaltensforscherin und forscht hauptsächlich an den biologischen Grundlagen des menschlichen Verhaltens. Sie schrieb schon mehr als Zehn Bücher, unter anderem ihr Erfolgstitel: „Irren ist männlich. Weibliche Körpersprache und ihre Wirkung auf Männer.“ Sie hat mittlerweile zwei Kinder und lebt in Berlin und in Oberbayern.
Aufbau des Buches
In dem Buch wird sehr deutlich, dass die Autoren viel Wert auf den praktischen Bezug gelegt haben. Es gibt insgesamt fünf Oberkapitel, die aufeinander aufbauen. Bei jedem Kapitel werden zwischendurch Übungen aufgeführt, die zum Anregen dienen. Sie sollen dabei helfen, die Theorie praktisch und wirklich zu verstehen und direkt das Gelernte in der Realität zu sehen, um wirklich zu begreifen, wie bestimmte Mechanismen in uns wirken. Am Ende wird das Buch abgerundet mit Merksätzen des Selbst-Entwicklers und mit einer Liste der „heimlichen Begleiter“, die in dem Buch näher beleuchtet werden.
Der Inhalt
Die heimlichen Begleiter und unsere Grundgestimmtheit
Jens Corssen und Christiane Tramitz beschreiben, dass bestimmte Mechanismen in uns wirken, die uns und unsere zwischenmenschlichen Beziehungen beeinflussen. Diese werden als die heimlichen Begleiter vorgestellt. Vor allem die Bewusstheit über diese heimlichen Begleiter und ihre Herkunft und Wirkungsweise lasse viele Prozesse verstehen, damit wir unsere Beziehungen zu anderen Menschen entwickeln, erleichtern oder aufrechterhalten können. Sie vermitteln aber auch wie es dazu kommt, dass manche Beziehungen gehemmt, gestört oder gar zerstört werden. In dem Buch werden die Begleiter personifiziert und ihnen werden Namen gegeben, damit der Leser, also der Selbst-Entwickler, eine emotionale Beziehung zu ihnen aufbauen kann. Auf diese Weise kann er sie besser erkennen und lernt mit ihnen besser umzugehen (Corssen & Tramitz, 2016, S.13). So gibt es zum Beispiel den Bewerter, der alles bewertet, was wir in unserer Umgebung aufnehmen, oder der Mitfühler, der dafür da ist, damit wir uns in andere hineinversetzen können (Corssen & Tramitz, 2016, S.14-14).
Neben den heimlichen Begleitern wird noch die Grundgestimmtheit vorgestellt, die es in drei Ausprägungen gibt: den K-Modus, den A-Modus und den L-Modus. Dabei steht der K-Modus für den Kampfmodus, indem wir vor allem auf ein Gegeneinander eingestellt sind. Im A-Modus wenden wir uns den Menschen nicht zu, sondern stehen eher für Abwendung oder Ablehnung. Diese wird nochmal in sanft und in aggressiv unterteilt. Der dritte Modus ist der L-Modus, der in uns wohltuende Gefühle auslöst. Es steht für Liebe, Leidenschaft, Lust oder Loslassen. Nach Corssen und Tramitz ist der L-Modus das höchste Ziel. Denn nur wenn wir uns in ihm bewegen, können wir einen harmonischen, verständnisvollen und gelungenen Umgang mit anderen Menschen pflegen (Corssen & Tramitz, 2016, S.16-18).
Zueinander
In diesem Kapitel geht es um die Anfänge von Beziehungen und deren Bewusstwerdung. Vom ersten Eindruck bis hin zur Beziehung.
Genau in diesen Momenten spüren wir einen der heimlichen Begleiter: der Bewerter. Es passiert automatisch und ziemlich schnell, dass dieser den ersten Eindruck einer Person ausmacht. Wir schieben Eindrücke in Schubladen, die uns zur Verfügung stehen. Negative Folgen davon sind Vorurteile, die wir in uns haben und die den Weg zum L-Modus verhindern. Deshalb sollten wir uns diesen Vorurteilen bewusstwerden (Corssen & Tramitz, 2016, S.32-33; 43).
Wenn wir weitergehen, dann kommt es beim Kennenlernen zu den ersten Worten. Der Warner wird aktiviert, wenn wir Angst vor Zurückweisung haben. Der Blinker hingegen wird aktiviert, wenn körpersprachliche Signale zum Vorschein kommen. Er vermittelt anderen unsere Absicht und Emotionen (Corssen & Tramitz, S.48-51). Wenn der Kontakt zu einem anderen Menschen dann zur Beziehung führt, wird der Binder aktiv. Er vermittelt zwischen uns und den anderen mit bindenden Mechanismen wie beispielsweise Synchronisation oder Erregung. Er sorgt für eine stimmende Chemie, für Schmetterlinge im Bauch oder für das Feuer zwischen zwei Menschen. Wenn es aber zwischen zwei Menschen schwingen soll, müssen sich beide im L- Modus befinden, ansonsten sind sie für die Liebe oder Zuneigung nicht empfänglich (Corssen & Tramitz, 2016, S.64-68)
Miteinander
In dem zweiten Kapitel geht es darum, wie die entstandene Beziehung nun harmonisch und gelungen gestaltet werden kann und welche heimlichen Begleiter dabei eine Rolle spielen. Der wichtigste der bindenden Begleiter ist der Mitfühler. Durch ihn sind wir in der Lage, uns in andere Menschen hineinzuversetzen und hineinzufühlen (Corssen & Tramitz, 2016, S.104).
Ein weiterer Begleiter ist der Vergleicher, der in uns Signale aktiviert, die uns ständig mit anderen vergleichen lässt. Dabei handelt es sich nicht nur um gesellschaftliche Werte, sondern auch um die aus unserem sozialen Umfeld. Wenn wir beispielsweise unser Selbst aufwerten wollen, erklärt Corssen, dann vergleichen wir uns mit Menschen die vermeintlich „unter“ uns stehen (Corssen & Tramitz, 2016, S.133-134).
Um offen für Neues zu sein und in unserem Miteinander neue Wege gehen zu können brauchen wir drei Systeme, die zusammenwirken: das Sicherheitssystem, das Erregersystem und das Autonomiesystem. Dazu gehören drei Begleiter: der Beschützer, der sich um unsere Sicherheit bemüht, der Erreger, der voller Neugier in uns aktiv ist und der Behaupter, der sich um unsere Position und Interessen innerhalb der Gesellschaft kümmert (Corssen & Tramitz, 2016, S.141- 142). Hier beschreiben die Autoren noch weiter Begleiter wie der Gerechtler, der Teiler, der Helfer, der Vertrauer und der Lauser (Corssen & Tramitz, 2016, S.156).
Gegeneinander
Im dritten Kapitelbeschreiben Corssen und Tramitz wie heimliche Begleiter auch zerstörerisch wirken können und wie sie uns somit in den K-Modus versetzen (Corssen & Tramitz, 2016, S.2013). Der erste heimliche Begleiter, der ein Gegeneinander schaffen kann, ist der Machthaber, der immer nach oben will und eine ranghohe Position erreichen will (Corssen & Tramitz, 2016, S.206). Der zweite ist der Neider, der in uns eine Mischung aus Ärger, Wut und Traurigkeit schürt, wenn wir sehen, dass es anderen Menschen besser geht als uns. Und der dritte und letzte Begleiter ist der Kontroller, der sich zum einen auf unsere Umwelt bezieht und zum anderen auf unser Selbst bezüglich des Kontrollverhaltens (Corssen & Tramitz, 2016, S.225-229).
Auseinander
Im letzten Kapitel geht es darum, was passiert, wenn aus einem Miteinander ein Gegeneinander wurde und dabei über das Ziel hinausgeschossen wurde. Es geht hierbei um das Auseinander und die Autoren beschreiben, was bei Trennungen passiert und wie der Selbstentwickler bei Trennungsphasen handeln sollte, um den L-Modus wieder zu erreichen (Corssen & Tramitz, 2016, S.243-255).
Fazit
„Ich und die anderen. Als Selbstentwickler zu gelingenden Beziehungen“ ist ein wirklich sehr lehrreiches und spannendes Buch. Durch die vielen alltagsnahen Beispiele und Übungen wird einem das Theoretische noch viel nähergebracht und es gibt einem viel Raum darüber nachzudenken, wie die heimlichen Begleiter in einem selber wirken und wann welche in verschiedensten Situationen aktiv sind. Dadurch, dass das Buch auch in der Ich-Form geschrieben ist, lässt es sich sehr leicht und verständlich lesen. Das Buch ist eine absolute Empfehlung für Menschen, die sich mit unseren zwischenmenschlichen Beziehungen beschäftigen möchte.
Quelle Beitragsbild: Eigene Fotografie