By Published On: 21. August 2024Categories: Soziales

In den letzten Jahren haben Incels (Involuntary Celibates) durch scheinbar willkürliche Gewalttaten mediale Aufmerksamkeit erregt. Sie werden oft mit Frauenfeindlichkeit, Hassreden im Internet und Gewalt gegen Frauen in Verbindung gebracht und waren in den letzten zehn Jahren an mehreren Morden beteiligt (Solea und Sugiura, 2023, S. 311).
Diese Personengruppe äußert erhebliche Schwierigkeiten hinsichtlich ihres psychischen, sozialen und beziehungsbezogenen Wohlbefindens und sucht möglicherweise Hilfe in Foren (Sparks et al., 2022, S. 731). Wer sind diese Personen und was steckt dahinter?

Incels (Involuntary Celibates)

Antifeministische Männergruppen, die als Reaktion auf feministische Fortschritte entstanden sind, tragen zur Zunahme von Online-Hass und geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen bei. Diese Gruppen, die als Manospheres bekannt sind, propagieren Männlichkeit und Frauenfeindlichkeit. Dazugehört auch die Gruppe der Incels, die an die männliche Überlegenheit glauben und Frauen sowie den Feminismus für eine gynozentrische Gesellschaft verantwortlich machen. Der Begriff Incel steht für Involuntary Celibacy und bezeichnet die Mitglieder dieser Online-Community. Diese Subkultur ist ein reines Internetphänomen ohne klare Ideologie oder Anführer. Die Mitglieder betrachten sich aufgrund genetischer und biologischer Faktoren, die ihr äußeres Erscheinungsbild und ihre geistigen Fähigkeiten beeinflussen, als unfreiwillig zölibatär. Sie sehen sich selbst als erfolglos in romantischen Beziehungen und glauben, dass Aussehen, Geld und Status entscheidend sind, wobei unattraktive Männer ausgeschlossen werden (Solea und Sugiura, 2023, S. 311).Was die Incels verbindet, ist ihr Mangel an Liebe und sexuellen Beziehungen sowie das Gefühl, von Frauen nicht anerkannt zu werden. Diese Gefühle fördern eine Gemeinschaft meist weißer, heterosexueller und einsamer Männer, die ihren Hass auf Frauen zum Ausdruck bringen und ihr unfreiwilliges Single-Dasein den abweisenden Frauen zuschreiben. Selbsthass und Selbstverachtung sind unter Incels weit verbreitet, und Selbstmord wird manchmal als Ausweg aus der Einsamkeit gesehen. Für manche sind Einsamkeit und Hass so stark geworden, dass sie zu Mord greifen (Pelzer et al., 2021, S. 212). Obwohl in den Medien häufig über Gewalttaten von Incels berichtet wird, verhalten sich die meisten Mitglieder nicht so und beschränken sich auf Interaktionen im Internet (Osuna, 2024, S. 749–750).

Einsamkeit und die Black Pill

Ein häufiges Thema unter Incels ist das Gefühl der sozialen Isolation und Einsamkeit. Ihr Wunsch nach emotionaler Bindung steht im Widerspruch zu ihrer menschenfeindlichen Ideologie. Viele Nutzer äußern Dankbarkeit für die Incel-Community, die ihnen soziale Kontakte ermöglicht und Raum für Frustrationen bietet. Die soziale und sexuelle Ausgrenzung, die sie erfahren, sehen sie als Teil einer sozialen Hierarchie. Psychische Probleme wie Depressionen, Ängste, Selbstmordgedanken und Autismus scheinen in dieser Gemeinschaft eine große Rolle zu spielen. Incels berichten über eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Zurückweisung und neigen zu Opferrollen, die ihr Wohlbefinden zusätzlich belasten (Sparks et al., 2023, S. 393–394).Viele Incels geben sich der Black-Pill-Ideologie hin, welche aus einer Reihe von deterministischen, nihilistischen und fatalistischen Überzeugungen besteht, also dem Glauben, dass ihre frustrierende Lebenslage aussichtslos ist (Tietjen und Tirkkonen, 2023, S. 1232). Einsamkeit ist in dieser Gemeinschaft ein tragendes und existenzielles Gefühl, bei dem bestimmte soziale Güter oder Beziehungen als unerreichbar empfunden werden. Die Black Pill und das Gefühl der Einsamkeit scheinen in diesem Kontext interdependent zu sein. Die Black Pill könnte die emotionale Einsamkeit verstärken oder umgekehrt ein Ausdruck dieser Einsamkeit sein (Tietjen und Tirkkonen, 2023, S. 1235).

Fazit und Ausblick

Die Online-Community der Incels ist ein gefährliches Umfeld, in dem die allgemeine Stimmung von Frauenhass, Depression und Resignation geprägt ist, in dem Mörder als Heilige dargestellt werden und in dem das eigene Aussehen als rationaler Grund für Selbstmord angesehen wird. Incel-Foren scheinen ein grundlegendes Bedürfnis zu erfüllen, da die Interaktion mit Gleichgesinnten ein Gefühl der Zugehörigkeit fördern kann. Für viele, die sich als Incels identifizieren, ist es wahrscheinlich eine bedeutende und positive Erfahrung, Teil einer Gemeinschaft zu sein, die ihre Trauer und Wut nachvollzieht. Langfristig jedoch wird die Incel-Kultur destruktiv, da die Mitglieder sich gegenseitig in ihren Depressionen, ihrer Wut und ihrer Fixierung auf das Aussehen bestärken, anstatt sich gegenseitig zu unterstützen und weiterzuentwickeln. Die Welt außerhalb der Foren wird als feindselig dargestellt, während kleine Details des Aussehens einer Person als unüberwindbare Hindernisse dargestellt werden. Es ist ein Teufelskreis, in dem die instrumentelle Sichtweise von Sex und Beziehungen und das negative Frauenbild die Beziehung zu Frauen weiter erschweren und das Risiko von (potenziell tödlich endenden) Gewalt- und Racheakten erhöhen (Pelzer et al., 2021, S. 212–213). Toxische Online-Umgebungen sind ein Teil unserer medialisierten Welt und werden bestehen bleiben. Langfristig ist es wichtig, mehr Forschung zu betreiben, um die Bedrohung durch die Incel-Kultur besser zu verstehen, einschließlich der soziopsychologischen Mechanismen und Beweggründe für den Beitritt und die Umsetzung von Gewaltfantasien. So kann möglicherweise eine alternative Narrative geschaffen werden und Diskussionen anstelle von emotionaler Polarisierung gefördert werden. Darüber hinaus sollte auch geprüft werden, ob es Zusammenhänge zwischen der Incel-Kultur und anderen gewaltfördernden Milieus gibt.

Abbildungsverzeichnis

Titelbild: Bild von wal_172619 (2023). Verfügbar unter: https://pixabay.com/de/photos/mann-person-auge-gesicht-mensch-7825138/.

Literaturverzeichnis

Osuna, Amanda Isabel (2024): Leaving the Incel Community: A Content Analysis. In: Sexuality & Culture 28 (2), S. 749–770. DOI: 10.1007/s12119-023-10143-6 .

Pelzer, Björn; Kaati, Lisa; Cohen, Katie; Fernquist, Johan (2021): Toxic language in online incel communities. In: SN Soc Sci 1 (8). DOI: 10.1007/s43545-021-00220-8 .

Solea, Anda Iulia; Sugiura, Lisa (2023): Mainstreaming the Blackpill: Understanding the Incel Community on TikTok. In: Eur J Crim Policy Res 29 (3), S. 311–336. DOI: 10.1007/s10610-023-09559-5 .

Sparks, Brandon; Zidenberg, Alexandra M.; Olver, Mark E. (2022): Involuntary Celibacy: A Review of Incel Ideology and Experiences with Dating, Rejection, and Associated Mental Health and Emotional Sequelae. In: Current psychiatry reports 24 (12), S. 731–740. DOI: 10.1007/s11920-022-01382-9 .

Sparks, Brandon; Zidenberg, Alexandra M.; Olver, Mark E. (2023): One is the loneliest number: Involuntary celibacy (incel), mental health, and loneliness. In: Current psychology (New Brunswick, N.J.), S. 392–406. DOI: 10.1007/s12144-023-04275-z .

Tietjen, Ruth Rebecca; Tirkkonen, Sanna K. (2023): The Rage of Lonely Men: Loneliness and Misogyny in the Online Movement of “Involuntary Celibates” (Incels). In: Topoi 42 (5), S. 1229–1241. DOI: 10.1007/s11245-023-09921-6 .

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