By Published On: 28. April 2025Categories: Digitalisierung

Industrie 4.0 oder vierte industrielle Revolution; Maschinen und Systeme können autonom kommunizieren und Entscheidungen treffen. Während die vorherige, dritte industrielle Revolution (seit 1970) durch die Entwicklung von Computern, Halbleitern und Informationstechnologien (IT) vor allem die Büro- und Verwaltungsprozesse modernisierte, steht die vierte industrielle Revolution für Automatisierung und Vernetzung, auch unter den Systemen (vgl. Castells, 2009). Diese grundlegende Veränderung beinhaltet neben aufgezählten Prozessen auch die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz, Assistiver Technologien und Robotik und findet immer stärker den Einzug in die Lebenswelten der Menschen mit Beeinträchtigungen.

Digitale Revolution auch in der Eingliederungshilfe?

Lange wurde die digitale Welt nicht bis in die Eingliederungshilfe gedacht. In einer zunehmend technologischer werdenden Welt, wird in den letzten Jahren, dank Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, viel bewegt. Barrierefreiheit ist der Schlüssel. Die Realisierung der IT-Barrierefreiheit erfolgt anhand verschiedener Vorgaben und Richtlinien (Bundesministerium des Innern und für Heimat, 2025), so durch das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG), welches am16. Juni 2021 verabschiedet wurde und nach einer Übergangsfrist am 28. Juni 2025 in Kraft tritt. Das Gesetz verpflichtet Unternehmen in Deutschland zur Umsetzung der Barrierefreiheit gemäß dem European Accessibility Act (EU Richtlinien zur Barrierefreiheit). Die Barrierefreie Informationstechnologie-Verordnung (BITV) regelt die Anforderungen an die Barrierefreiheit von Websites der öffentlichen Verwaltung des Bundes (vgl. Aktion Mensch, o.J.). Auch wenn die gesetzlichen Rahmenbedingungen damit geschaffen sind, bedarf es in der rasch wachsenden, digitalen Welt nutzbare Endgeräte, vor allem aber auch innovative Systemanwendungen und persönliche Fähigkeiten.

Neue Kompetenzanforderungen für Assistenzleistungen der Eingliederungshilfe

Mit wachsender Digitalisierung bleiben Individuen herausgefordert, medienkompetent in digitalen Ökosystemen zu handeln und sich souverän in „Datenlandschaften“ zu bewegen (Gabinski, 2017, S. 109). Zu den Kompetenzanforderungen der vierten industriellen Revolution für Fachberufe in der Eingliederungshilfe gehören unter anderem:

  • Digitale Kompetenzen; wie grundlegende Fertigkeiten in der Nutzung von Standardsoftware und Geräten.
  • Flexibilität und Anpassungsfähigkeit; im Sinne von sich immer wieder und schnell an neue Technologien und Arbeitsmethoden zu gewöhnen.
  • Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit; digitale Arbeitsprozesse bedürfen offener Kommunikation, um Skepsis abzubauen. Projektmanagement-Tools werden gemeinsam in Echtzeit genutzt, Teamsitzungen mittels Online Meetings gehalten.
  • Probelmlösungs- und Innovationsfähigkeiten; kreatives Lösungsdenken, auch über die eigene Fachgrenze hinaus.
  • Veränderungsbereitschaft und Engagement der Mitarbeitenden; Early Adopters spielen bei der Implementierung von Neuerungen eine entscheidende Rolle (vgl. Schlenker et al. 2023).

Beispiele der Digitalisierung, neue Wege zur Teilhabe

Technische Unterstützung in der Assistenzleistung, mittels Talker, Tablets oder Buzzer, etc. findet bereits seit Jahren Anwendung. Durch Assistive Technologien (AT) wie bspw. Bildschirmlesegeräte, Spracherkennungssoftware und adaptive Tastaturen erleben die Anwender*innen neue Möglichkeiten teilzuhaben. Auch wenn sich die Inbetriebnahme oftmals langwierig gestaltet (durch Erlernen neuer Methoden und Anwendungen) zeigt sich der Benefit in einer späteren Verselbstständigung der Person. AT werden vorrangig in Arbeits- und Schulbereichen angewandt.

Telearbeit und Homeoffice sind Errungenschaften, die Dank rasanter Technologieentwicklung flexible Arbeitsmodelle ermöglichen. Besonders Menschen mit Mobilitätseinschränkungen, oder auch anderen gesundheitsbedingten Einschränkungen, können dadurch ihre Arbeit von zu Hause ausführen und damit am Arbeitsleben teilhaben.

Das Innovationsnetzwerk-Eingliederungshilfe – INNET (als Beispiel genannt), bietet eine Plattform für Informationsaustausch mit Experten, greift verschiedene Ideen auf, vernetzt Interessenten und stellt gemeinsam erarbeitet Lösungsansätze vor. „Mit der Initiierung des Innovationsnetzwerkes legen wir den Grundstein für die Vernetzung von Menschen mit Behinderungen, Fachkräften der Eingliederungshilfe, digital Affinen und sozial Engagierten“ (Dr. Jan Schröder, Geschäftsfeldleiter Innovation und Vernetzung, o. J.).

Die „barrierefrei“ APP Entwicklungen nehmen zu, so findet sich z.B. unter der Glücklich-APP eine „leichte Gesundheits-App für Menschen mit geistiger Behinderung“ (Lebenshilfe Hamburg o.J.). Im Rahmen des Projektes wurde nicht nur die Glücklich-App entwickelt, sondern auch Grundsatzfragen barrierefreier App-Entwicklung für Menschen mit geistiger Behinderung und Lernbehinderung geklärt (vgl. Lebenshilfe Hamburg o. J.).

Um berufliche Teilhabe zu ermöglichen, kann die InA.Coach App genutzt werden. Ziel dieser digitalen Aufgaben Assistenz App ist es, die Beschäftigungssituation von Menschen mit Beeinträchtigungen auf dem ersten Arbeitsmarkt zu verbessern (vgl. Heitplatz/Nellen/ Sube & Bühler, 2020). Die App ermöglicht visualisierte, auditive und schriftliche, kleinschrittige Anleitung von Aufgaben. Das unten aufgeführte YouTube Video gibt Einblicke in die InA. Coach App.

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https://www.youtube.com/watch?v=dTzWOld2CLk

Fazit

Die Digitalisierung der Eingliederungshilfe, sowohl aus Betreuer*innen, als auch aus Nutzer*innen Sicht, ist meiner Meinung nach ein unglaublich wichtiger Schritt der Teilhabe. Es gibt fortlaufend neue Entwicklungen, die beeinträchtigte Personen zu mehr Selbstständigkeit befähigen und Chancengleichheit erzielen können. Neben der Schwierigkeit, das viele Websites noch nicht barrierefrei sind, sind es meines Ermessens nach vor allem Social-Media Plattformen, die besonders Menschen mit kognitiven und emotionalen Beeinträchtigungen negativ beeinflussen können. Die Tatsache, das die Plattformen kaum einem Verhaltenskodex unterliegen (vgl. Aktion Mensch, 2020, S. 35), die Nutzer*innen unsicher im Umgang mit den Medien sind und oftmals richtige von falschen Informationen nicht unterscheiden können, offenbart Herausforderungen, die ernstgenommen und bearbeitet werden müssen. Industrie 4.0, in der Eingliederungshilfe ist damit auch eine neue Assistenzleistung zu kreieren, einzuordnen unter dem ICF Item 1. Lernen und Wissensanwendungen – Umgang mit neuen Medien. Medienkompetenz als wichtiger Schritt zur Teilhabe!

Literaturnachweis

Aktion Mensch, abgerufen am 04.04.2025 unter: https://www.aktion-mensch.de/inklusion/barrierefreiheit/barrierefreiheitsstaerkungsgesetz#bfsg

Aktion Mensch, Trendstudie, Digitale Teilhabe von Menschen mit Behinderung, 2020, durchgeführt von SINUS Markt- und Sozialforschung GmbH, Heidelberg & Berlin, abgerufen am 04.04.2025 unter: https://aktion-mensch.stylelabs.cloud/api/public/content/AktionMensch_Studie-Digitale-Teilhabe.pdf?v=16179909

Bundesministerium des Innern und für Heimat, 2025, Digitale Barrierefreiheit, abgerufen am 04.04.2025, unter: https://www.barrierefreiheit-dienstekonsolidierung.bund.de/Webs/PB/DE/barrierefreie_it/digitale-barrierefreiheit/digitale-barrierefreiheit-node.html

Castells, M. (2009). The Rise of the network Society. 2. Auflage, Malden, Mass. Verlag: Wiley-Blackwell

GEW (2022). Die Digitale Welt braucht Gestaltungskompetenz und Souveränität abgerufen am 07.04.2025 unter: https://www.gew.de/aktuelles/detailseite/309-die-digitale-welt-braucht-gestaltungskompetenz-und-souveraenitaet?utm_source=chatgpt.com

Heitplatz, V. Nellen, C. Stube, L. C. & Bühler, C. (C) (2020). Implementier New Technological Devices in Social Services: Introducing the miTAS Project. In Klaus Miesenberger & Andrea Petz (Hrsg.) Future Perspectives of AT, eAccessibility and elnclusion (S. 109-118). Open Access Compendium

Innovationsnetzwerk Eingliederungshilfe.digital (2025) abgerufen am 05.04.2025 unter: https://innovationsnetzwerk-eingliederungshilfe.digital/ueber-uns/

Lebenshilfe Hamburg abgerufen am: 05.04.2025 unter: https://lhhh.de/2023/12/07/die-gluecklich-app-ist-da/

Schlenker, L., Neuburg, C., Jörke, D. & Preissler, A. (2023) Digitalisierungsprozesse steuern. Faktoren des Gelingens für die Digitalisierung in beruflichen Schulen und ausbildenden Unternehmen. In Medien Pädagogik, Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung, (Occasional Papers): 212–229. Abgerufen am 07.04.2025 unter: https://www.researchgate.net/publication/371583180_Digitalisierungsprozesse_steuern_Faktoren_des_Gelingens_fur_die_Digitalisierung_in_beruflichen_Schulen_und_ausbildenden_Unternehmen

Titelbildquelle:

Titel: Glasfaser Netzwerk Internet von RosZie, veröffentlicht am 5. September 2022, auf pixabay, unter: https://pixabay.com/de/illustrations/glasfaser-netzwerk-internet-7430878

Nutzungsbedingungen: https://pixabay.com/service/license-summary/

Videoquelle:

Video „Die Aufgaben-Erstellung in der App – InA.Coach einfach erklärt“ veröffentlich am von InACoach am 21.02.2025 über https://www.youtube.com/watch?v=dTzWOld2CLk&list=TLPQMDQwNDIwMjWbhiW8Gelk4A&index=1, abgerufen am 04.04.2025

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