In der Eingliederungshilfe spielt das Personalmanagement eine entscheidende Rolle für die Qualität der Betreuung und Unterstützung von Menschen mit Behinderungen. Die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung steht durch den Fachkräftemangel und die steigenden Anforderungen an die Qualität der Betreuung vor großen Herausforderungen. Vor diesem Hintergrund gewinnt ein modernes und innovatives Personalmanagement zunehmend an Bedeutung. Ziel ist es, innovative Ansätze zur Gewinnung und langfristigen Bindung qualifizierter Fachkräfte zu entwickeln, die auf die besonderen Anforderungen der Branche abgestimmt sind.

Herausforderungen des Personalmanagements in der Eingliederungshilfe

Die Fachkräftegewinnung und -bindung im sozialen Bereich wird zunehmend erschwert durch:

• Herausforderung Ausbildung: Bei der Ausbildung für Berufe der Pflegehilfe und Alltagsbetreuung liegt die Abbruchquote höher als bei den Ausbildungen zur Pflegefachkraft. (Landesregierung Baden-Württemberg, 2024)

• Erhöhter Bedarf: Mit der Einführung des BTHG haben die Rechte von Menschen mit Behinderungen deutlich gestärkt und fordern eine adäquate Umsetzung, um die umfassende und gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in der Gesellschaft zu sichern (Landesregierung Baden-Württemberg, 2024)

• Demografische Entwicklung: Der steigende Anteil älterer Menschen und die sinkende Zahl junger Berufseinsteiger führen zu einem wachsenden Fachkräftemangel. (Statistisches Bundesamt (Destatis), 2024)

• Spezifische Qualifikationsanforderungen: Die Arbeit in der Eingliederungshilfe erfordert nicht nur fachliche, sondern auch soziale Kompetenzen. (Kommunales Bildungswerk e. V., o.D.)

• Wachsende Anforderungen und Belastungen: Die Arbeit ist psychisch und physisch anspruchsvoll und wird zunehmend komplexer (Habermann-Horstmeier & Limbeck, 2016)

Maßnahmen zur Gewinnung von Talenten 

1.) Zielgruppenorientierte Ansprache und Marketingstrategien

• Gezielte Imagekampagnen: langfristige Kampagnen zum Aufbau einer nachhaltigen Arbeitgebermarke und zur Direktansprache von Fachkräften
• Social Media und digitale Kanäle: Soziale Netzwerke bieten vielfältige Möglichkeiten, um eine jüngere Zielgruppe direkt anzusprechen und Einblicke in den Arbeitsalltag zu geben.
• Verstärkte Präsenz in Bildungsinstitutionen: Kooperationen mit und Fachschulen können dazu beitragen, junge Menschen frühzeitig auf Karrieremöglichkeiten in der Eingliederungshilfe aufmerksam zu machen. (Wisotzky, 2023)

2.) Diversität und Inklusion fördern 

• Stellenausschreibung effektiv und zielgerichtet: präzise und inklusive Formulierungen sowie bewusste Gestaltung visueller Elemente
• Anpassung der Arbeitsbedingungen: Flexiblere Arbeitszeitmodelle, individuelle Arbeitszeitlösungen und Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben (De Brabandt & Schemmel, 2024)

Maßnahmen zur Bindung von Talenten 

1. Attraktivität des Unternehmens 

• Employer Branding: Die Attraktivität einer Institution soll durch den bewussten Aufbau einer Arbeitgebermarke des Unternehmens verschärft werden. Durch diese Positionierung soll bei der Zielgruppe ein Werte- bzw. Nutzenversprechen vermittelt werden, das die Präferenzbildung, Differenzierung und Emotionalisierung der Bewerbenden für den Arbeitgeber steigert.
• Werte und Mission klar kommunizieren: Die Unternehmenskultur sollte hervorgehoben werden. Potenzielle Mitarbeiter sollten erkennen, dass sie Teil einer wichtigen und sinnstiftenden Aufgabe sind.
• Erfolgsgeschichten teilen: Berichte über positive Erfahrungen und Erfolge können eine emotionale Verbindung schaffen und das Interesse an der Arbeit erhöhen. (Rohrlack, 2019)

2. Attraktive Arbeitsbedingungen 

• Flexible Arbeitszeiten: Anbieten von Teilzeit- und Vollzeitmodellen sowie individuellen Arbeitszeitlösungen wie Telearbeit, die den Bedürfnissen der Mitarbeiter entgegenkommen und Belastung zu reduzieren. (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2005)
• Vergütung: Angemessene Bezahlung und Verbesserung der Arbeitsbedingungen steigern die Attraktivität des Berufs -‑> faires Verhältnis von Arbeitsaufwand und Entlohnung.  (Pflegenetzwerk Deutschland, 2023)

3. Berufliche Weiterentwicklung fördern 

• Fort- und Weiterbildungsangebote: Regelmäßige Schulungen, Workshops und Fachkonferenzen sollten angeboten werden, um die Fachkompetenz der Mitarbeiter zu steigern.
• Karrierepfade aufzeigen: Die Möglichkeit zur Weiterentwicklung innerhalb der Einrichtung, zum Beispiel durch Aufstiegschancen oder Fachspezialisierungen, kann motivierend wirken. (Wisotzky, 2023)

4. Mitarbeiterbeteiligung und Mitbestimmung 

• Feedbackkultur: Regelmäßige Personal- und Feedbackgespräche oder schriftliche Rückmeldungen ermöglichen es, die Meinungen und Ideen der Mitarbeitenden wertzuschätzen
• Interne Kommunikation: Das gemeinsame Aufstellen von Kommunikations- und Verhaltensregeln für den Umgang miteinander erleichtert die Arbeit in schwierigen Situationen. 
• Wertschätzung und Anerkennung: Wertschätzung individueller Unterschiede, Anerkennung und konstruktives Feedback.
• Vertrauensbildung: Verantwortung abgeben, dadurch dem Personal Vertrauen und Verantwortungsbewusstsein entgegenbringen. Mitarbeiter in den Veränderungsprozess einbeziehen und Verantwortung sowie HR-Aufgaben delegieren
• Teambuilding: Anreize schaffen/ Belohnungen etablieren (Restaurant Besuch) Gemeinsame Aktivitäten fördern den Zusammenhalt im Team und stärken die Beziehung zwischen den Mitarbeitern. (Rottmann & Witte, 2019)

Fazit

Innovatives Personalmanagement in der Eingliederungshilfe ist essenziell, um die Qualität der Assistenz, Betreuung und Pflege für Menschen mit Behinderungen langfristig zu sichern. Zielgerichtete Maßnahmen zur Gewinnung und Bindung von Talenten stärken Einrichtungen im Umgang mit dem Fachkräftemangel und fördern ein Arbeitsumfeld, das sowohl den Bedürfnissen der Klient*innen als auch der Mitarbeitenden gerecht wird. Der Aufbau einer starken Arbeitgebermarke kann die gesellschaftliche Bedeutung dieser Arbeit hervorheben und potenzielle Mitarbeitende motivieren, Teil der sinnstiftenden Aufgabe zu werden. Durch die Einbindung in Entscheidungsprozesse wird die Motivation für die Einrichtung und Identifikation der Mitarbeitenden mit der Einrichtung verstärkt. Zukünftig wird es entscheidend sein, innovative Ansätze, wie rollierende Dienstpläne, Stufenmodelle, faire Vergütung von Überstunden und Rufbereitschaften, flexibel zu implementieren. Anreize wie Corporate Benefits, Diensthandys und die Digitalisierung der Dokumentation können die Zufriedenheit zusätzlich fördern. So kann die Eingliederungshilfe als attraktiver Arbeitgeber positioniert werden und dadurch die Lebensqualität der betreuten Menschen optimiert werden.

Literaturverzeichnis

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. (2005). Work Life Balance. Motor für wirtschaftliches Wachstum und gesellschaftliche Stabilität Analyse der volkswirtschaftlichen Effekte – Zusammenfassung der Ergebnisse. Berlin: Publikationsversand der Bundesregierung. Von https://www.bmfsfj.de/resource/blob/95550/eb8fab22f858838abd0b8dad47cbe95d/work-life-balance-data.pdf abgerufen

Bundesministerium für Gesundheit. (2024). Betriebliche Gesundheitsförderung. Abgerufen am 18.11.2024 von https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/praevention/betriebliche-gesundheitsfoerderung.html

De Brabandt, C., & Schemmel, B. (2024). Chefsache Hyper-diverse Teams: Talente gewinnen, inspirieren und entwickeln. Oberterzen, Schweiz: Springer Gabler.

Habermann-Horstmeier, L., & Limbeck, K. (2016). Arbeitsplatzbelastung: Welchen Belastungen sind die Beschäftigten in der Behindertenbetreuung ausgesetzt? ASU: Zeitschrift für Medizinische Prävention (07-2016).

Initiative Neue Qualität der Arbeit Geschäftsstelle. (2019). Kein Stress mit dem Stress. Lösungen und Tipps für stationäre und ambulante Pflegeeinrichtungen. Berlin: BKK Dachverband e. V.

Kommunales Bildungswerk e. V. (o.D.). Fachkraft Eingliederungshilfe – orientiert an § 97 und § 106 SGB IX. Abgerufen am 12.11.2024 von https://www.kbw.de/seminare/kompaktkurse/eingliederungshilfe-sgb-ix-kurs

Landesregierung Baden-Württemberg. (2024). Fünf Millionen Euro gegen Personalmangel in der Pflege und Behindertenhilfe. Abgerufen am 12.11.2024 von https://www.baden-wuerttemberg.de/de/service/presse/pressemitteilung/pid/fuenf-millionen-euro-gegen-personalmangel-in-der-pflege-und-behindertenhilfe

Pflegenetzwerk Deutschland. (2023). PFLEGE BRAUCHT BESSERE BEDINGUNGEN Gute Arbeit möglich machen. Zentrale Ergebnisse der aktuellen BMG-Studie zur Arbeitsplatzsituation in der Akut- und Langzeitpflege.Bundesministerium für Gesundheit (BMG).

Rohrlack, K. (2019). Lösungsorientierte Mitarbeitergewinnung: Praktisches Vorgehen und theoretische Grundlagen. Flensburg, Deutschland: Springer Gabler.

Rottmann, L., & Witte, D. (2019). Mitarbeiter (ein)binden und gewinnen: Nachhaltige Strukturen für Seniorenheime zur Steigerung der Arbeitgeberattraktivität. Wiesbaden: Springer.

Statistisches Bundesamt (Destatis). (2024). Fachkräfte. Abgerufen am 12. 11 2024 von https://www.destatis.de/DE/Im-Fokus/Fachkraefte/_inhalt.html

Wisotzky, H.-H. (2023). Die perfekte Candidate Journey & Experience: Erfolgreiches Recruiting für mittelständische Unternehmen und Start-ups. Amsberg, Deutschland: Springer Gabler

Titelbildquelle:

designed by freepik, Eine Geschäftsfrau hält ihre Haare während der Arbeit unter Stress. Hand gezeichnete Art Vektor-Design-Illustrationen., www.freepik.com, abgerufen am 13.02.2025 unter https://de.freepik.com/vektoren-kostenlos/eine-geschaeftsfrau-haelt-ihre-haare-waehrend-der-arbeit-unter-stress-hand-gezeichnete-art-vektor-design-illustrationen_13399751.htm#fromView=search&page=1&position=0&uuid=27b21e23-ab28-4186-8971-5ab062ca60d6&query=personalmangel