By Published On: 7. Februar 2022Categories: Pädagogik, Psychologie

Wir leben in einer Welt, in der alles nur ein Klick entfernt ist. Egal welche Form der Unterhaltung oder Ablenkung – das Internet bietet viele Möglichkeiten und der Mensch neigt von Natur aus dazu, Bedürfnisse sofort befriedigen zu wollen. Warten ist schwierig und der Mensch besitzt dieses angeborene Verlangen, ohne jede Verzögerung das zu bekommen, was er will (Patel, 2014). Die Psychologie gibt diesem Phänomen den Namen Instant Gratification. Dieser Begriff beschreibt die Versuchung, auf einen zukünftigen Vorteil zu verzichten und ein Verlangen möglichst unmittelbar zu stillen. Aus evolutionärer Sicht ist dieses Verhalten sicherlich von Vorteil, da das Leben der vormodernen Menschen weit mehr von Entscheidungen und Handlungen abhing, die unmittelbar getroffen wurden, als von solchen, die auf langfristigen Gewinn ausgerichtet waren (Ackerman, 2021). Das Problem der sofortigen Befriedung ist allerdings, dass wir häufig Dinge aufschieben, die von viel wichtigerer Bedeutung wären. Stattdessen verschwenden wir unsere Zeit mit scheinbar angenehmeren Dingen und verlieren so häufig die Motivation oder die Kontrolle.

Eine Erklärung für dieses Verhalten ist der grundlegendste Trieb des Menschen, Freude zu empfinden und Schmerz zu vermeiden. Diese Tendenz ist auch als Lustprinzip bekannt. Siegmund Freud nutzte diesen Begriff erstmalig, um die Rolle des „Es“ zu beschreiben, der von ihm vorgeschlagenen Komponente des Unbewussten, die ausschließlich von niederen Instinkten gesteuert wird (Good Therapy, 2015). Dass der Mensch von dem Wunsch angetrieben wird, Freude zu empfinden, erklärt sich in gewissem Maße von selbst. Fakt ist, die Verlockung des kurzfristigen Vergnügens ist eine schwer zu widerstehende Versuchung.

Die Lösung dieser Versuchung zu widerstehen – Delayed Gratificaiton. Unter diesem Begriff versteht man die Fähigkeit, eine unmittelbare Belohnung zugunsten eines längerfristigen Gewinns aufzuschieben. Im Allgemeinen wird die verzögerte Gratifikation bei Aufgaben bewertet, bei denen Personen auf eine kleinere, aber unmittelbare Belohnung verzichten müssen, um eine größere Belohnung in der Zukunft zu erhalten (Mischel und Ebbesen, 1970; Carducci, 2009). Laut dem Psychologen Walter Mischel hängt unser späterer Erfolg davon ab, wie gut wir auf Belohnungen warten können. Um das zu verdeutlichen, führte Mischel über mehrere Jahre das sogenannte „Marshmallow-Experiment“ durch. Der Inhalt dieses Experiments bestand darin, Kindern vor die Wahl zu stellen, entweder eine Süßigkeit sofort zu bekommen oder später eine zweite, wenn sie der Versuchung widerstehen können und auf den sofortigen Genuss verzichten. Dieser Belohnungsaufschub gelang einigen Kindern, anderen hingegen nicht. Mischel brachte diese Impulskontrolle und die Fähigkeit des Belohnungsaufschub mit akademischem, sozialem und emotionalem Erfolg in Verbindung. Und tatsächlich, als die Kinder später im jungen Erwachsenenalter nochmals befragt wurden, zeigte sich, dass diejenigen, die in dem Experiment der Versuchung widerstehen konnten, zielstrebiger und erfolgreicher in der Schule oder Ausbildung waren, mit Rückschlägen besser umgehen konnten sowie als sozial kompetenter eingestuft wurden. Somit erklärt die Theorie der delayed gratification im Detail die Bedingungen, unter denen Menschen in der Lage sind, auf unmittelbare Belohnungen für weiter entfernte Belohnungen zu verzichten. In diesem Modell wird die Fähigkeit, die Befriedigung hinauszuzögern, als stabiles Persönlichkeitsmerkmal angesehen. Das Konstrukt des Belohnungsaufschub ist keine tatsächliche verzögerte Befriedigung, sondern die Fähigkeit, ein unmittelbares, aber nicht ganz ideales Ergebnis zugunsten eines bevorzugten Ergebnisses zu verzögern, das vom Warten abhängt (Mischel, Shoda & Peake (1988), S. 687).

Beitragsbild: Votsis Panagiotis

Literatur

Ackerman, C.E. (2021). What is Instant Gratification? A Definition + 16 Examples and Quotes.https://positivepsychology.com/instant-gratification/.

Carducci, B. J. (2009). Basic processes of Mischel’s Cognitive-Affective Perspective: Delay of Gratification and Conditions of Behavioral Consistency The Psychology of Personality: Viewpoints, Research, and Applications. Hoboken: John Wiley and Sons, 338–346.

Belohnungsaufschub (2022). https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/belohnungsaufschub-befriedigungsaufschub.

Good Therapy. (2015). Pleasure principle. GoodTherapy PsychPedia. Retrieved from https://www.goodtherapy.org/blog/psychpedia/pleasure-principle.

Mischel, W.; Ebbesen, E. B. (1970). Attention in delay of gratification. J. Person. Soc. Psychol. 16:329.

Mischel, W.; Shoda, Y.; Peake, P. K. (1988). The nature of adolescent competencies predicted by preschool delay of gratification. Journal of Personality and Social Psychology, 54, 687-696.

Patel, N. (2014). The Psychology of Instant Gratification and How It Will Revolutionize Your Marketing Approach. https://www.entrepreneur.com/article/235088.

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