By Published On: 10. Februar 2021Categories: Pädagogik, Psychologie

 Nein, in diesem Artikel geht es nicht um Esoterik, Metaphysik oder ähnliches, sehr oft, fast immer, bestehen hinreichend dieser Thematik fehlerhafte Assoziationen, welche sich mitunter bis in den Bereich der Mystik ziehen. Zum Teil sind solche Verknüpfungen natürlich gerechtfertigt, da der Mythos um diese „Fähigkeit“ Thematik einiger Klassiker der Pop-Kultur (Star Wars) Georg Lucas oder (Harry Potter) J.K. Rowling ist und den Großteil ihrer Erforschung im Bereich der Philosophie erfuhr. Jedoch gibt es auch einen psychologischen Zugang zu besagter Fähigkeit, dieser wurde zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts auf den philosophischen Lehren von Immanuel Kant aufbauend durch Carl Gustav Jung adaptiert und bis heute weiterentwickelt.[1]

Warum eigentlich Bauchgefühl?

Wir alle kennen die Aussage, dass wenn man sich bei einer wichtigen Entscheidung unsicher fühlt, gut beraten ist auf sein Bauchgefühl zu vertrauen. Was die Intuition nun mit der Magengegend zu tun hat, steht auch heute noch sehr umstritten im Diskurs, da erstens der Sitz der Intuition noch nicht vollends geklärt ist (Gehirn/ Herz/ Bauch) und zweitens eine andere wesentliche Theorie, gemeint ist die Theorie der Somatische Marker (Somatic-Marker-Hypothesis), das Verständnis rund um den Begriff des Bauchgefühls und das damit einhergehende Wirken, der sich hieraus auf die Entscheidungsfindung auswirkendes Emotionserleben, schon wesentlich geprägt hat.[2] Des Weiteren verweist Ahel  auf den Umstand, dass unter dem Begriff Gefühl nicht das Fühlen in Form einer sinnlichen Wahrnehmung gemeint bspw. Ich falle vom Skateboard und fühle den Schmerz des Sturzes, sondern viel eher das entstehende Gefühl der Emotion als Konsequenz eines Inputs (bspw. Ich lese ein Buch, in dem jemand vom Skateboard stürzt und fühle mit ihm die Angst vor dem Aufprall gemeint ist.[3]

Natürlich ist die Assoziation, das oben angeführten Bauchgefühls betreffend nur eine von zahlreichen Möglichkeiten, welcher der Mannigfaltigkeit ihrer Bedeutungen, die dieser Fähigkeit von den Autoren zugesprochen wird, gerecht wird. Weitere Analogien hierzu lauten wie folgt: direkter Zugang zu unbewusstem Wissen, unbewusste resp. innere Erkenntnisse und Einsichten. Die psychologische Forschung forciert hierbei den Bereich der unbewussten Mustererkennung und der Fähigkeit, etwas instinktiv zu verstehen, was nicht der Notwendigkeit des bewussten Denkens bedarf.[4]

Das Erste psychologische Modell entstand bereits 1912

Jung ordnet die Intuition bereits 1912 zusammen mit dem Denken, der Empfindung und dem Gefühl als eine der vier psychologischen Grundfunktionen des menschlichen Bewusstseins unter, wobei sie seiner damaligen Ansicht nach die Wahrnehmung zukünftiger Entwicklungen mit allen dazugehörigen Optionen und Potentialen ermöglicht. Gemeint ist hiermit, dass einzelne Sachverhalte instinktiv erfasst und als Teil eines fertigen und größerem Ganzen wahrgenommen werden. Wobei er jedoch schon damals in zwei verschiedene Arten der Intuition unterschied. 1) Die konkrete Form der Intuition, welche aufgrund von subliminal wahrgenommener realer Objekte und den damit einhergehenden unbewussten Emotionen und Gedanken entsteht. Sowie 2. Der abstrakten Intuition, die es anders als die konkrete Form der Intuition ermöglicht, sich mit ideellen Zusammenhängen und mythologischen Themen zu beschäftigen.[5]

Einsatzfelder der Intuition

Um Ihnen einen Überblick über das Einsatzgebiet der Intuition zu gewähren, ist zuerst einmal darauf hinzuweisen, dass die Systematische Führung- die Intuition als wesentliches Merkmal für qualifiziertes Management erachtet. In diesem Kontext ist des weiter auf die Entwicklungen, die sich abseits der klinischen und Tiefenpsychologie vollziehen, zu verweisen. Goetz und Reinhard verwiesen nach einem neueren Ansatz der Intuition auf die vier Anwendungsfelder Empathie, Entscheidungen, Inspiration und Vorahnung. Wobei sie ebenfalls darauf hinweisen, dass die vier Bereiche nicht völlig trennscharf voneinander agieren, sondern viel eher ineinander übergehen. Ebenfalls betonen sie die Wichtigkeit des Aspektes Empathie, da dieser den Kontakt zwischen Menschen abbilde und somit zur Kernkompetenz der Führung wird, da eine solche ja in erster Linie im professionellen Umgang mit den Mitarbeitern besteht.[6]

In der Kognitionsforschung z. B. gilt die Intuition als Fähigkeit zur Informationsverarbeitung, die ihre Nützlichkeit nach der Meinung einiger Autoren vor allem bei großen Datenaufkommen mit hoher Komplexität entfacht. Interessanterweise bezieht sich die Art der verarbeiteten Information auf den impliziten, also den unbewussten Teil unser sensorischen Wahrnehmung, ebenfalls interessant ist, dass die Stimuli, welche die subjektiven Filter unserer Wahrnehmung passieren, einen wesentlich größeren Teil unseres Bewusstseins bzw. Unterbewusstseins ausmachen, die meisten Menschen, diese jedoch aus Gründen potenzieller Systemüberlastung ua. wie Selbstschutz gezielt nicht wahrnehmen.[7]

Anders als das explizite Wissen, welches man kodiert und kommuniziert z. B. in Fachbüchern antrifft, ist das implizite Wissen nicht oder nur sehr schwer zu kodifizieren. Die wahrscheinlichste Art, sich diese Form von Wissen an zu eigenen, besteht durch das Begehen von Fehlern, aus welchen dann im Optimalfall durch reflexive Prozesse im Laufe der Zeit gelernt wird, das Ergebnis dieses Prozesses nennt man Erfahrung.[8] Den oben angeführten Aspekte folgend ergibt sich eine Definition wie folgt „Intuition ist die Fähigkeit, Wissen ohne Beweise, Belege oder bewusste Argumentation zu erwerben, oder ohne zu verstehen, wie das Wissen erworben wurde. In der neueren Psychologie umfasst Intuition die Fähigkeit, gültige Lösungen für Probleme und Entscheidungsfindung zu erfassen, ohne bewusste Schlussfolgerungen des Verstandes.“[9]

Die gesellschaftliche Angst vor der Intuition

Wie der Begriff der Intuition zum Teil in einigen Bereichen der Gesellschaft angesehen wird, beschreiben Gigerenzer und Gaissmaier in einigen, zum Teil, sehr amüsanten alltagsnahen Beispielen. So verweisen die Autoren auf den Umstand, dass die Intuition in manchen Bereichen unseres Zusammenlebens einfach nicht erwünscht ist, da sie nicht für bare Münze genommen wird, wobei sie auch oft fälschlicherweise als Fehlerquelle angeführt wird. Ein Problem ist, dass es beim Begehen eines Fehlers wenig hilfreich ist, sich damit entschuldigen zu wollen, dass man auf sein Bauchgefühl hörte, wohingegen jedoch jeder Verweis auf eine noch so zweifelhafte analytische Prozedur die Wahrscheinlichkeit betreffend, im Allgemeinen als Freifahrtschein für missglückte Entscheidungen gilt. Wohin das führt, ist kein Geheimnis- eine Kultur, in welcher jeder die Absicherung der Zahl, gegenüber dem potenziellen Mehrwerts des Gefühls vorzieht. Experten vom Max Blank Institut bezeichnen eine solche Kultur als Absicherungskultur- und dies bleibt nicht ohne Folgen, denn diese Absicherung geht auf die Kosten der Performance des gesamten Systems.[10]

Fazit

Im Dokumentarfilm (Inn Saei- Die Kraft der Intuition) steht die Frage nach der wahren Wirkung der Intuition im Mittelpunkt, wobei er gleichzeitig darauf abzielt, bei dem Zuschauer den Prozess der Reflexion einzuleiten, in dem der Film immer wieder darauf hinweisen, wie der moderne Mensch die Verbindung zur Intuition verloren hat. Im Film selbst kommen nach Fenkart zahlreiche Wissenschaftler zu Wort, von welchen die meisten die Intuition als Zugriff auf ein Meer resp. Mehr an Informationen in sich selbst verstehen. Reflektieren Sie doch bitte einmal über die Aussage der Wissenschaftler, dass Weisheit durch Wissen ersetzt würde, und dieses Wissen letztens durch Datenbruchstücke von Informationen, wodurch der Sinn für Zusammenhänge verloren gehe. Das traurige Resultat besteht in der Zunahme von Realitätsferne, wobei diese bis hin zur Negierung der Wirklichkeit führt. Der Psychiater Manfred Spitzer wies in seinem Buch digitale Demenz (2012) bereits auf die fehlgeleitete Bildungspolitik hin. Vor allem die oberflächige Beschäftigung mit Informationen, ohne diese in die oben angeführten Aspekte des größeren Kontextes zu setzen, ist vor dem Hintergrund der Möglichkeiten des Informationszeitalters als äußerst kritisch zu beurteilen.[11]

Es gibt jedoch auch gute Neuigkeiten, so wird davon ausgegangen, dass jedem Menschen die Intuition angeboren ist und die intuitive Erkenntnisfähigkeit auch durch Sozialisation und Erlernen zu optimieren ist. Die Möglichkeiten, um dies zu tun, sind dabei sehr heterogen. Das bekannteste Mittel die Intuition zu fördern besteht nach wie vor in der achtsamen Meditation, wobei diese je nach Praktizierung zumeist die wichtigsten Aspekte zur Förderung vereint, diese da sind Modifikation der eigenen Wahrnehmung durch gezielte Sensibilisierung aller Sinne. Die Achtsamkeit für die eigene emotionale Befindlichkeit und Hedonie. Entspannung bsp. Autogenes Training, ggf. Atmungsübungen, sowie das Aufsuchen von multimodalen Inputs. Nach solchen Übungen empfiehlt es sich, das Geschehene, ohne allzu starke Wertung nüchtern zu dokumentieren, Bsp. bei Astralreisen oder Klarträume ein Traumtagebuch führen und ganz wichtig zu verstehen ist, dass Ereignisse nicht erzwungen werden können, deshalb ist immer Platz für Spontanität zu lassen, ebenfalls wichtig ist es, unvoreingenommen an Sachen heranzugehen.[12] Beenden möchte ich diesen Artikel mit einem Zitat von Albert Einstein: Alles was zählt, ist die Intuition. Der intuitive Geist ist ein Geschenk und der rationale Geist ein treuer Diener. Wir haben eine Gesellschaft erschaffen, die den Diener ehrt und das Geschenk vergessen hat.[13]

 

[1] Vgl. Eggenberger (1998), S. 457

[2] Vgl. Alpers, G. W. (2016), 1. Kap. 1. Abs.

[3] Ahel, O. (2020), 2.2 Kap. 2.2. Abs.

[4] Psylex.de (2020), 1. Kap. 2. Abs.

[5] Vgl. Ahel, O. (2020), 2.2 Kap. 2.2. Abs.

[6] Vgl. Goetz, D. Reinhardt, E. (2016), 3. Kap. 2. Abs. 

[7] Vgl. Fenkart, S. P. (2018), 2. Kap. 4. Abs.

[8] Vgl. Goetz, D. Reinhardt, E. (2016), 3. Kap. 1.1. Abs.

[9] Psylex.de (2020), 1. Kap. 1. Abs. 

[10] Vgl. Gigerenzer, G. Gaissmaier, W. (2016), 2. Kap. 1. Abs. bis 2. Kap. 4. Abs. 

[11] Vgl. Fenkart, S. P. (2018), 2. Kap. 4. Abs.

[12] Vgl. Ahel, O. (2020), 2.2. Kap. 2.4. Abs. 

[13] Einstein, A. (2020), 1. Kap. 1. Abs. 

Literaturverzeichnis

Ahel, O. (2020), Intuition im Management Möglichkeitsraus, Spannungsfelder und emergierende Konstellationen (Hrsg.) Springer Fachmedien, Wiesbaden. ISBN 978-3-658-31143-8

Alpers, G. (2016), Somatic- Marker- Hypothesis (Hrsg.) Dorsch Lexikon der Psychologie https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/somatic-marker-hypothese  abgerufen am 28.12.2020

Eggenberger, D. (1998), Grundlagen und Aspekte einer pädagogischen Intuitionstheorie (Hrsg.) Haupt Verlag. ISBN 978-3258056814

Fenkart, S. P. (2018), Chefsache Intuition. Besser managen, beurteilen und entscheiden durch intuitive Kompetenz (Hrsg.) Springer Fachmedien, Wiesbaden. ISBN 978-3-658-14446-3

Gigerenzer, G. Gaissmaier, W. (2016), Intuition und Führung 2. Kap. Enthalten in Fröse, M. W. et al. Emotion und Intuition in Führung und Organisation 2. Aufl. (Hrsg.) Springer Fachmedien, Wiesbaden. ISBN. 978-3-658-12349-9

Goetz, D. Reinhardt, E. (2016), Selbstführung: Auf dem Pfad des Business Häuptlings- Als Manager von Naturvölkern lernen: Intuition und das Wesen der Kommunikation (Hrsg.) Springer Fachmedien, Wiesbaden. ISBN 978-3-658-08911-5

Psylex.de (2017), Intuition (Psychologie) (Hrsg.) Psylex.de https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/1948550617706732  abgerufen am 28.12.2020


1. Abb. Licht im Dickicht Quelle: Eigene Darstellung

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