Kind oder Karriere? Für die meisten Frauen in Deutschland stellt sich diese Frage mindestens einmal im Leben. Auch 2017 ist es in Deutschland extrem schwer Kind und Karriere zu vereinbaren. Deshalb verzichten immer mehr Akademikerinnen zu Gunsten ihrer Karriere auf eine Familie. Die, die sich allerdings für die Familie entscheiden, gehen der Wirtschaft auf diese Art als exzellente Arbeitskräfte verloren. Durch die schlechte Kinderbetreuung in Deutschland verzichten insbesondere die Frauen auf Kinder, die Kindererziehung auf hohem Niveau zur Bildung der nächsten Generation beitragen könnten. Der Fachkräftemangel und der mit der niedrigen Geburtenrate verbundene demographische Wandel machen deutlich, dass in der Kinderbetreuung in Deutschland etwas getan werden muss.[1] Da stellt sich nun die Frage: Ist die Lösung der Betriebskindergarten?
Wissenswertes auf einen Blick
46% der Unternehmen beklagen einen akuten Fachkräftemangel. 20 Millionen Fachkräfte gehen bis 2019 dem Arbeitsmarkt verloren. 1/3 der Männer möchten mehr Zeit für die Familie und bereits 70% der Studierenden ist eine eigene Familie wichtiger als der Traumjob. Dazu kommt, dass 50,1% der Studienanfänger weiblich sind.[2] In Deutschland fehlen nach dem Stand vom 31.11.2015 227.611 Betreuungsplätze. In Baden-Württemberg und Bayern fehlen 66.349 Plätze. Das macht alleine circa 30% der gesamten fehlenden Plätze aus! [3] Die Anzahl der Tageseinrichtungen für Kinder von Betriebsangehörigen in Deutschland steigt nur langsam an. Von 2006 bis 2016 wuchsen sie von 307 auf 676 Einrichtungen. [4]
Das spüren vor allem alleinerziehende Mütter. Wie diese von den wenigen Betreuungsplätzen beeinflusst werden, zeigt das nebenstehende Schaubild deutlich. 69% der alleinerziehenden Mütter, mit Kindern unter drei Jahren, würden wieder arbeiten gehen, wenn es eine Ganztagesbetreuung geben würde.
Formen oder Alternativen der Betriebskindergärten
Es muss nicht gleich ein Betriebskindergarten sein. Es gibt viele verschiedene Formen von betrieblicher Kinderbetreuung. Dabei können Betreuungszeiten und das pädagogische Konzept immer individuell auf die verschiedenen Unternehmen zugeschnitten werden.[5]
Verbundkindertagesstätte:
Eine Verbundkita wird mit verschiedenen Unternehmen gebildet, so können die Kosten für den Betrieb sowie die Investitionen mit gleichgesinnten Partnern geteilt werden.[6]
Mini-Krippe
Wenn eine eigene betriebliche Kindertagesstätte zu groß ist, dann bietet sich eine Mini-Krippe an. Qualifizierte Kräfte betreuen maximal zehn Kinder pro Gruppe.[7]
Belegplätze
Benötigt ein Unternehmen nur manchmal einzelne Betreuungsplätze, dann können sie an unterschiedlichen Standorten in bereits bestehenden Kinderbetreuungseinrichtungen erworben werden.[8]
Ferienbetreuung
Bei der Ferienbetreuung wird Fachpersonal angefordert, dass nur in Ferienzeit oder an Brückentagen ins Unternehmen kommt.[9]
Flying Nannies
Will ein Unternehmen ein Firmenjubiläum zusammen mit allen Mitarbeiter/-innen und deren Familien gestalten oder der gesamten Belegschaft eine gemeinsame Teilnahme an einer Messe ermöglichen, dann kann es eine geplante oder auch kurzfristige Kinderbetreuung einstellen.[10]
Immer mehr Personaler entscheiden sich für eine Alternative der Kinderbetreuung, da das Unternehmen so auf spontane und flexible Mitarbeiter zurückgreifen kann und gegenüber einem Betriebskindergarten Kosten gespart werden können.[11]
Vorteile für den Arbeitgeber und den Arbeitnehmer
Arbeitgeber:
Zum einen ist es ein Anreiz für Mütter oder Väter früher aus dem Mutter- / Vaterschutz wieder zu kommen, zum anderen werden familienbedingte Fehltage reduziert[12] und folglich Kosten eingespart[13].Die betriebliche Kinderbetreuung ist sowohl für große als auch kleine Unternehmen geeignet und bringt jedem Unternehmen einen Imagegewinn[14], sowie mehr Wettbewerbsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt[15]. Direkte Auswirkungen auf Mitarbeiter hat eine betriebliche Kinderbetreuung in Form von einer starken Bindung an das Unternehmen[16], einer erhöhten Flexibilität[17] und Arbeitszufriedenheit[18].
Arbeitnehmer:
Ebenso gibt es auf der Seite der Arbeitnehmer unzählige Vorteile der betrieblichen Kinderbetreuung. Eine betriebliche Kinderbetreuung ermöglicht dem Arbeitnehmer eine räumliche Nähe zum Kind, eine auf die Arbeitszeit abgestimmte Öffnungszeit[19] und eine arbeitsortnahe Betreuung[20]. Zudem haben die Mitarbeiter meist ein Mitspracherecht bei der Auswahl der Erzieher/-innen. Einer der größten Vorteile für die Mitarbeiter ist die steigende Arbeitszufriedenheit, die durch die verkürzten Wege, die Zeitersparnis und somit weniger privaten Stress ausgelöst wird. Zusätzlich ergibt sich durch eine betriebliche Kinderbetreuung eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.[21]
Fazit
Betriebskindergärten sind nötiger denn je. Ob nun die klassische Variante oder andere Alternativen, bald werden sie nicht mehr aus deutschen Unternehmen wegzudenken sein. Beide Seiten, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, profitieren von einer betrieblichen Kinderbetreuung. Viele Frauen könnten vermehrt wieder in den Beruf zurückkehren, wenn ein Betreuungsplatz im eigenen Unternehmen zur Verfügung stehen würde. Je besser die Vereinbarung von Beruf und Familie, desto mehr Frauen würden sich für ein oder sogar mehrere Kinder entscheiden und dem demographischen Wandel wird entgegengewirkt. In Zukunft wird ein Umdenken von Arbeitszeitmodellen, Flexibilität von Raum und Zeit sowie Homeoffice-Zeiten stattfinden müssen. Der Betriebskindergarten wird also ein Muss für Unternehmer, die in Zukunft wettbewerbsfähig bleiben wollen. Doch wie entscheiden sich die Unternehmen, Betriebskindergarten ja oder nein?
Quellenverzeichnis
[1] Vgl. Biller-Andorno/Jakovlevic/Landfester/Lee-Kirsch (2005), S. 15
[2] Vgl. Schwesig/Zypries (o. J.), S. 5
[3] Vgl. Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V. (2017)
[4] Vgl. Statista – Das Statistik-Portal (2017)
[5] Vgl. Impuls Soziales Management e.V. (2017)
[6] Vgl. Impuls Soziales Management e.V. (2017)
[7] Vgl. Impuls Soziales Management e.V. (2017)
[8] Vgl. Impuls Soziales Management e.V. (2017)
[9] Vgl. Impuls Soziales Management e.V. (2017)
[10] Vgl. Impuls Soziales Management e.V. (2017)
[11] Vgl. Impuls Soziales Management e.V. (2017)
[12] Vgl. Buchenau/Moll/Rosenkranz (2014), S. 6
[13] Vgl. Flüter-Hoffmann/Solbrig (2003), S. 4
[14] Vgl. Spier/ Freiberg (2010), S. 37
[15] Vgl. Honeck (2014), S. 34
[16] Vgl. Spier/Freiberg (2010), S. 37
[17] Vgl. Honeck (2014), S. 43
[18] Vgl. Flüter-Hoffmann/Solbrig (2003), S. 4
[19] Vgl. Buchenau/Moll/Rosenkranz (2014), S. 6
[20] Vgl. Spier/Freiberg (2010), S. 43
[21] Vgl. Flüter-Hoffmann/Solbrig (2003), S. 4
Abbildungen
Beitragsbild: https://pixabay.com/de/buntstifte-stiftebox-malen-1506589/
Abbildung 1: https://www.iwd.de/artikel/der-ganztag-zahlt-sich-aus-82409/
Abbildung 2: https://pixabay.com/de/einbahnstrasse-entscheidungen-1991865/
Literatur
Biller-Andorno, N. / Jakovlevic, A. K. / Landfester, K. / Lee-Kirsch, M. A. (2005): Karriere und Kind: Erfahrungsberichte von Wissenschaftlerinnen, Nikola Biller-Andorno (Hrsg.), o. O.
Buchenau, P. / Moll, C. / Rosenkranz. A. (2014): Chefsache Betriebskita: Betriebskindertagesstätten als unternehmerischer Erfolgsfaktor, Wiesbaden
Honeck, K. (2014): Work-Life-Balance: Konzept für betriebliche Kinderbetreuungsmaßnahmen, Hamburg
Schwesig, M. / Zypries, B. (o. J.): Zukunftsfähige Personalpolitik gestalten, o. O.
Spier, S. /Freiberg, O. (2010): Betriebliche Kindertagesbetreuung: ein Leitfaden für die Praxis, Berlin
Flüter-Hoffmann, C. / Solbrig, J. (2003): Wie familienfreundlich ist die deutsche Wirtschaft, IW-Trends – Vierteljahresschrift zur empirischen Wirtschaftsforschung, 30. Jg., Nr. 4, S. 37-46
Internetquellen
Statista –Das Statistik-Portal (2017): Anzahl der Tageseinrichtungen für Kinder von Betriebsangehörigen in Deutschland von 2006 bis 2016. In: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/321375/umfrage/anzahl-der-betrieblichen-kindertagesstaetten-in-deutschland/, abgerufen am 08.06.2017
Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V. (2017): Bund muss Kita-Lücken schließen. In: https://www.iwd.de/artikel/bund-muss-kita-luecken-schliessen-319262/, abgerufen am 08.06.2017
Impuls Soziales Management e.V. (2017): Formen der betrieblichen Kinderbetreuung. In: http://www.e-impuls.de/betriebliche-kinderbetreuung/formen-betrieblicher-kinderbetreuung/, abgerufen am 08.06.0217