Einleitung
Fridays for Future (FFF) ist zum Sinnbild einer ganzen Generation geworden. Einer Generation, die selbstbewusst, engagiert und kompromisslos für die Bekämpfung des Klimawandels, aufsteht. Sie hat sich zusammengeschlossen zu einer kollektiven Bewegung als dessen Vorbild die konsequente und beharrliche schwedische Initiatorin Greta Thunberg steht (Hurrelmann & Albrecht, 2020, S. 228). Wie entstehen soziale Bewegungen wie FFF? Wie prägen sie Generationen und umgekehrt? Wohin wird sich FFF entwickeln und welcher politischer Umgang ist angebracht? Diese Fragen sollen im folgenden Beitrag behandelt werden.
Theoriehintergrund – Generationen, Identität und soziale Bewegungen
FFM ist eine soziale Bewegung, die ursprünglich von einer Generation begründet wurde. Junge Menschen an der Grenze zum Erwachsensein, die noch nicht auf eignen materiellen Besitz oder sozialen Status blicken können, haben generell einen kritischen und sensiblen Blick auf wirtschaftliche, politische, kulturelle und technologische Veränderungen, die ihre Zukunft maßgeblich beeinflussen könnten. Was sie in diesen Bereichen in ihrer Jugend erleben, prägt ihre Persönlichkeit ähnlich. Es entstehen kollektive Merkmale, anhand derer Generationen definiert werden können (Hurrelmann & Albrecht, 2020, S. 228). Die Generation Z – nach 2000 geboren und mit Herausforderungen wie dem Klimawandel stark konfrontiert – ist eine politisch sehr aktive Generation. Sie wollen einen sozialen Wandel, der die Folgen des Klimawandels, deren unmittelbare Bedrohung für ihre Generation sie belastet, schnell und wirkungsvoll mildert (Hurrelmann & Albrecht, 2020, S. 230). Aus diesem Wunsch nach sozialem Wandel heraus ist die soziale Bewegung von FFF entstanden (Hurrelmann & Albrecht, 2020, S. 228). Der Begriff „soziale Bewegung“ ist ein umfassender Begriff. Er wird je nach Kontext bspw. mit „politischer Bewegung“, „Protestkampagne“ o.Ä. gleichgesetzt (Rucht, 2021, S. 61). Der Begriff „soziale Bewegung“ nimmt immer Bezug auf einen erwünschten sozialen Wandel und ist daher immer in Zusammenhang zu setzen mit (1) der Geschichte ihrer Entstehung, (2) der zu ihrer Zeit aktuellen Krise(n), (3) den geltenden Normen und Gesetzen der Gesellschaft zu dieser Zeit und (4) dem daraus entstandenen Konfliktpotential (Rammstedt, 1979, S. 673; Rucht, 2021, S. 61).
Aus sozialpsychologischer Sicht ist eine soziale Bewegung mit einer sozialen Gruppe gleichzusetzen, die das Ziel verfolgt, „[…] gemeinschaftlich sozialen Wandel herbeizuführen […].“ (Stürmer & Siem, 2020, S. 86). Die Anhänger einer sozialen Bewegung – einer sozialen Gruppe mit dem Ziel, sozialen Wandel herbeizuführen – handeln als Kollektiv, nicht als Individuen (Stürmer & Siem, 2020, S. 86). Soziale Bewegungen stützen sich auf kollektive Identitäten (Rucht, 2021, S. 61). Kollektive oder soziale Identitäten bilden sich, indem individuelle Wahrnehmungen in einfachere, kollektive Wahrnehmungen eingeordnet und kategorisiert werden und eine klare Abgrenzung zu Fremdgruppen erfolgt (Zick & Wagner, 1995, S. 59). Die individuelle Identität wird durch die kollektive Identität ersetzt, Mitglieder der sozialen Bewegung handeln nach den Maßgaben ihrer sozialen Identität (Stürmer & Siem, 2020, S. 17; Zick & Wagner, 1995, S. 64). Der Bildung von sozialen Identitäten gehen drei Merkmale voraus: (1) Die Wahrnehmung sozial geteilter Missstände bspw. durch Bedrohungen des Klimawandels, (2) die Ursachenzuschreibung auf eine Fremdgruppe, von der man die eigenen Wahrnehmungen, Werte und Normen klar abgrenzt und (3) die Ausweitung einer Konfrontation mit diesem Gegner (Stürmer & Siem, 2020, S. 89–90).
Fridays for Future – Die Rolle der Bewegung Jetzt und in Zukunft
Rammstedt (1977, 1979) definiert drei Phasen (Krise, Teleologisierung der Krise, Institutionalisierung) als „Lebenszyklus“ sozialer Bewegungen (Rammstedt, 1979, S. 677–678). Blickt man auf die Entwicklungen von FFF, die die Bewegung mitten drinnen:
Phasenmodell | Entwicklungsprozess FFF |
Krise | Entstehung von FFM (August 2018) |
Teleologisierung 2.1. Verweis auf Krisenfolgen 2.2. Artikulation des Protestes 2.3. Intensivierung des Protestes 2.4. Ausbreitung 2.5. Organisierung | Die Intensivierung der FFF schritt vor allem im Jahre 2019-2020 entscheidend voran. Der Protest entwickelte sich zu einer Haltung, zu der jeder sich in der Pflicht fühlte, Stellung zu beziehen (Intensivierung). Die Bewegung breitete weitere sich aus, die Demonstrationen fanden ihren Weg in die Masse der Bevölkerung, weitere „Tochterbewegungen“ (bspw. Scientists for future, Entrepreneurs for future und weitere) bildeten sich. |
Institutionalisierung | Noch nicht erreicht |
FFM im Phasenmodell sozialer Bewegungen nach Rammstedt, 1979
Derzeit befindet sich FFF im Übergang zur Organisierung bzw. anschließenden Institutionalisierung (Rammstedt, 1979, S. 677). Da die Klimakrise weiter anhält ist ausgehend vom Modell mit einer Institutionalisierung von FFF bspw. als Partei zu rechnen (Rammstedt, 1979, S. 679).
Fazit
FFF ist eine soziale Bewegung einer ganzen Generation. Und nicht nur das: FFF ist eine globale soziale Bewegung. In ihrer Entwicklung ist sie weit vorangeschritten: Sie hat Massen mobilisieren können und sich stark ausgebreitet. FFF hat darüber hinaus das Selbstbewusstsein einer Generation gestärkt. Sie sind politisch aktiv und es ist davon auszugehen, dass sie das auch bleiben (Hurrelmann & Albrecht, 2020, S. 235).
Literatur
Daphni, P. (2011). Soziale Bewegungen und kollektive Identität. Forschungsjournal Soziale Bewegungen, 24(4), 13–26. https://doi.org/10.1515/fjsb-2011-0404
Grande, B., Grande, E. & Hahn, U. (Hrsg.). (2021). Zivilgesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland: transcript Verlag. https://doi.org/10.14361/9783839456545
Haunss, S. & Sommer, M. (Hrsg.). (2020). Fridays for Future – Die Jugend gegen den Klimawandel: transcript Verlag. https://doi.org/10.14361/9783839453476
Hurrelmann, K. & Albrecht, E. (2020). 11. Fridays for Future als Sinnbild ihrer Generation. In S. Haunss & M. Sommer (Hrsg.), Fridays for Future – Die Jugend gegen den Klimawandel (S. 227–236). transcript Verlag. https://doi.org/10.14361/9783839453476-011
Mackensen, R. & Sagebiel, F. (Hrsg.). (1979). Soziologische Analysen: Referate aus den Veranstaltungen der Sektionen der Deutschen Gesellschaft für Soziologie und der ad-hoc-Gruppen beim 19. Deutschen Soziologentag (Berlin, 17.-20. April 1979). Berlin: Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS).
Rammstedt, O. (1979). Theorie der sozialen Bewegung. In R. Mackensen & F. Sagebiel (Hrsg.), Soziologische Analysen: Referate aus den Veranstaltungen der Sektionen der Deutschen Gesellschaft für Soziologie und der ad-hoc-Gruppen beim 19. Deutschen Soziologentag (Berlin, 17.-20. April 1979) (S. 672–680). Berlin: Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS). Zugriff am 11.10.2021. Verfügbar unter: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-136146
Rucht, D. (2021). Neue Konflikte und neue soziale Bewegungen in Deutschland. In B. Grande, E. Grande & U. Hahn (Hrsg.), Zivilgesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland (S. 61–78). transcript Verlag. https://doi.org/10.14361/9783839456545-005
Stürmer, S. & Siem, B. (2020). Sozialpsychologie der Gruppe (2. Aufl.). München: Ernst Reinhardt Verlag.
Zick, A. & Wagner, U. (1995). Soziale Identität und Gruppenverhalten: Sozialpsychologische Beiträge zur Analyse sozialer Bewegungen. Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen, 8(1). Zugriff am 11.10.2021. Verfügbar unter: http://forschungsjournal.de/jahrgaenge/1995heft1
Beitragsbild: Photo von Goran Horvat auf Pixaby, URL: https://pixabay.com/de/photos/schule-strike-4-klima-demonstrationen-4057783/