By Published On: 12. August 2020Categories: Literaturempfehlungen

Kindern erzählt man Geschichten zum Einschlafen – Erwachsenen, damit sie aufwachen.“[1]

Jorge Bucay ist sowohl ein argentinischer Bestsellerautor, als auch ein angesehener Gestalttherapeut. In seinem Buch „Komm, ich erzähl dir eine Geschichte“ geht es um einen jungen Mann namens Demian, der sich mit den alltäglichen Problemen des Lebens beschäftigt. Um diese besser bewältigen zu können beginnt er eine Psychotherapie. Sein Therapeut, welcher in dem Buch ebenfalls Jorge heißt, wird von ihm nur als „der Dicke“ bezeichnet.[2]

Die Handlung des Buches findet nur in den Therapiesitzungen zwischen Demian und Jorge statt. Jedes Kapitel beginnt damit, dass Demian zu Jorge in die Sitzung kommt und ihm von einem aktuellen Erlebnis oder Problem erzählt. Jorge führt seine Therapie auf eine ungewöhnliche Art und Weise. Statt sich mit Demian ausführlich über sein aktuelles Problem zu unterhalten, erzählt er ihm eine Geschichte, die auf den ersten Blick nichts mit Demian zu tun hat. Insgesamt sind in dem Buch 50 kleine Geschichten zu finden. Von Märchen aus verschiedenen Ländern, Sagen aus der klassischen Antike, sephardischen Legenden, Sufi-Geschichten bis hin zu Zen-Weisheiten ist alles dabei. Die einzelnen Geschichten wurden von Bucay mit seinem therapeutischen Hintergrundwissen abgewandelt und umgedeutet, sodass der Leser sie auf sein eigenes Leben und seine eigenen Probleme anwenden kann.

Meine Lieblingsgeschichte ist folgende: Demian spricht mit Jorge darüber, dass er im Laufe seines Lebens beigebracht bekommen hat, dass nur das zählt was man mit großer Anstrengung erreicht hat. Nach Jorges Ansicht wird uns dies schon als Kind nahegelegt. In dem Gespräch fällt es Demian schwer sich ein Leben ohne gesellschaftlichen Druck vorzustellen. Um seine Ansicht zu unterstreichen, erzählt Jorge die Geschichte eines Mannes, welcher sich in einem Schuhladen ein paar Schuhe kaufen möchte. Er besteht partout auf eine genaue Schuhgröße, obwohl der Verkäufer ihm nach dem Ausmessen seiner Füße sagt, dass er den Schuh zwei Nummern größer benötigt. Der Mann besteht jedoch weiterhin darauf den Schuh in seiner gewünschten Größe zu kaufen. Nachdem er sie bezahlt hat, zieht er sie noch in dem Laden an und geht zur Arbeit. Er arbeitet bei der Bank und muss mehrere Stunden am Schalter stehen. Als ein Kollege seine Schmerzen bemerkt und ihn auf seine Schuhe anspricht erwidert der Mann, dass er jetzt zwar Höllenqualen erleidet, jedoch wenn er die Schuhe nach Feierabend ausziehen kann, die größte Wohltat erlebt. Damit beendet Jorge seine Geschichte. Er bezeichnet seine Ansicht als sehr extrem und behauptet, dass es seiner Meinung nach nichts Wertvolles gibt, was durch Anstrengung erreicht werden kann.[3]

Fazit

Boucays Geschichten sind an vielen Stellen überspitzt und teilweise sehr altertümlich, weshalb es zunächst ein bisschen schwierig ist, sie auf Demians angesprochene Probleme zu übertragen. Allgemein sind die von Demian geschilderten Problemsituationen jedoch sehr nah an dem, was einen selbst beschäftigt. Er beschäftigt sich viel mit seinem sozialen Umfeld und sozialen Normen, wie er sich in verschiedenen Situationen zu verhalten hat und wie er sich gerne verhalten würde. Gesellschaftlicher Druck, beruflicher Druck, Liebesbeziehungen und die Probleme mit dem eigenen Selbst werden mit den verschiedensten Geschichten sehr schön analysiert. Die erzählten Geschichten regen den Leser dazu an, sie auf sein eigenes Leben zu übertragen und haben durchaus einen hohen Lerneffekt. Das gesamte Buch regt einen dazu an von anderen Perspektiven auf gewisse Dinge zu schauen und sich mögliche alternative Verhaltens- und Denkweisen anzueignen.

Fußnoten

[1] Vgl. Bucay (2018)

[2] Vgl. Bucay (2018), S. 12

[3] Vgl. Bucay (2018), S. 50-54

 

Literaturverzeichnis

Bucay, J. (2018). Komm, ich erzähl dir eine Geschichte. 21., Ausgabe. Fischer Verlag. Frankfurt am Main

 

Bildquelle

Pixabay https://pixabay.com/photos/books-bookstore-book-reading-1204029/

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