By Published On: 13. Juli 2022Categories: Wiki

Lange Zeit galten Träumer als völlig von der Außenwelt isolierte Personen, die von ihrer Umgebung nichts mitbekommen. Die Forschungsgruppe um Konkoly et al. (2021) konnte nun tatsächlich zeigen, dass dies nicht für alle Personen gilt. In ihrem Experiment war es Ihnen nämlich möglich, mit klarträumenden Menschen zu kommunizieren (Mocker, 2021).

Was sind Klarträume?

Träume ich oder bin ich wach? Eine altbekannte Frage. Was aber, wenn sich Traum- und Wachzustand vereinen? Spätestens durch den Film „Inception“ mit Leonardo DiCaprio wurde dieses Phänomen einem riesigen Publikum bekannt (Held, 2021). Es bezeichnet das Klarträumen bzw. luzide Träumen, in dem sich der Träumer nicht nur dessen bewusst ist, dass er gerade träumt, sondern auch dessen, dass er den Traumverlauf durch aktive Entscheidungen beeinflussen kann (Becker-Carus & Wendt, 2017, S. 252; Holzinger, 2014, S. 117).

Das Klarträumen geht Schlafforschern zufolge mit dem Vorteil einher, dass es, z. B. in Kombination mit einer Gestalttherapie, Albträume verringern und für eine allgemeine Verbesserung der subjektiven Schlafqualität und der darauffolgenden Tagesstimmung sorgen kann. Im Schlafcoaching wird es daher häufig bei Schlafstörungen angewandt, die infolge von Depressionen, Angststörungen oder posttraumatischen Belastungsstörungen auftreten. Ebenso können im Klartraum Bewegungsabläufe geübt oder einfach nur spaßige Dinge gemacht werden – weil Hand aufs Herz, wer würde nicht gerne einfach mal losfliegen können? Wer jedoch kann überhaupt klarträumen? Grundsätzlich jeder. Bereits bei Kindern, die oft unter Albträumen leiden, konnte luzides Träumen beobachtet werden, wobei diese Fähigkeit in der Regel bis zum Erwachsenenalter bestehen bleibt. Wem diese Fähigkeit nicht in die Wiege gelegt wurde, kann es aber, bestenfalls mithilfe eines Schlafcoachs oder eines darauf spezialisierten Therapeuten, auch noch im Erwachsenenalter lernen (Held, 2021; Holzinger & Klösch, 2018, S. 210-211; Holzinger, Klösch & Saletu, 2015).

Hirnaktivität bei Klarträumenden

Träume und auch Klarträume treten während der REM-Phase auf, die durch schnelle Augenbewegungen bei geschlossenen Lidern gekennzeichnet ist. Die in der REM-Phase zu findende Beta-Aktivität hat einen Frequenzbereich von 14-30 Hz und ist auch im aufmerksamen Wachzustand zu finden. Bei Klarträumenden zeigt sich jedoch mit rund 40 Hz eine zusätzliche Gamma-Band-Aktivität, die in der Regel bei starker Konzentration und Lernprozessen auftritt. Besonders hoch ist dieser Gamma-Wellen-Anteil in einem kortikalen Netzwerk (z. B. Frontalkortex), das mit selbstreflektorischen Funktionen in Zusammenhang gebracht wird. Hierzu gehören etwa die Selbstwahrnehmung und Selbsteinschätzung, Entscheidungsfindung sowie die Bewertung eigener Gedanken und Gefühle. Während eines normalen Traumes sind derartige Gehirnregionen nur schwach aktiv, weshalb dort auch kein Eingriff in den Traumverlauf möglich ist (Dönges, 2009; Karim, 2015, S. 64; Max-Planck-Gesellschaft, 2012; Unger, 2020).

Versuchsaufbau der Studie

Für die Studie wurden 36 Probanden in vier unabhängige Schlaflabore (Deutschland, Frankreich, USA, Niederlanden) rekrutiert, wobei die Erfahrungen der Teilnehmer mit luzidem Träumen unterschiedlich waren. Während eine Teilnehmerkategorie regelmäßig klarträumte, hatte eine andere nur wenig Erfahrung damit. Um im Experiment sicherzustellen, dass sich die Probanden in der REM-Schlafphase befanden, wurden u. a. die Hirnwellen, Augenbewegungen und der Atemverlauf überwacht. Zudem sollten die Probanden mittels einer zuvor abgesprochenen Abfolge von Augenbewegungen (Links-Rechts-Bewegung) mitteilen, wann sie im Klartraum angekommen sind. Erhielten die Forscher die vereinbarten Signale der Träumenden, folgte nun eine Fragerunde, bei der einfache Rechenaufgaben und Ja-Nein-Fragen mithilfe von Lichtmorsezeichen, Tönen, Tippen auf der Hand oder gesprochenen Worten gestellt wurden. Die Träumenden sollten diese Fragen ebenfalls mittels zuvor abgesprochener Gesichtsmuskel- und Augenbewegungen beantworten. Als Gesichtsmuskelbewegung wurde z. B. die Kontraktion des Jochbein- und Corrugatormuskels verwendet (Konkoly et al., 2021, S. 2-4; Mocker, 2021).

Ergebnisse des Versuchs

In 26% der Fälle konnten die Teilnehmer den Forschenden erfolgreich signalisieren, dass sie einen Klartraum erlebten. Rund 50% beantworteten dabei mindestens eine der im Anschluss gestellten Fragen mit einer richtigen Antwort, wobei sich ein Großteil der Probanden auch noch nach dem Aufwachen an die Kommunikation mit den Forschern erinnerte. Infolgedessen waren die Träumenden in der Lage, mit willentlicher Kontrolle, Rechenaufgaben und Ja-oder-Nein-Fragen zu beantworten sowie visuelle, taktile und auditive Reize zu unterscheiden. Diese wechselseitige Kommunikation konnte in allen Teilnehmerkategorien festgestellt werden (Konkoly et al., 2021, S. 2-6; Mocker, 2021).

Um auszuschließen, dass die richtigen Antworten nur Zufall waren, wurden die Träumer auch dann befragt, wenn kein Signal für luzides Träumen gegeben wurde und die Körperfunktionen auf keinen Traumschlaf hindeuteten. Bei 379 Versuchen erhielten die Forscher nur eine richtige und falsche Antwort sowie elf mehrdeutige Antworten. 366 Versuche verblieben ohne Reaktion der Probanden. Darüber hinaus wurde das Auftreten von automatisierten Antworten als sehr unwahrscheinlich eingeschätzt, da die Umsetzung der Antworten in Signale sehr mühsam ist. Auch wussten die Teilnehmer nicht, welche Art von Fragen ihnen während des Schlafs gestellt werden würden (Konkoly et al., 2021, S. 2-6; Mocker, 2021).

Wie die Probanden den Versuch erlebten

Während die Forschenden wohl das Gefühl hatten, mit Astronauten zu kommunizieren, erlebten die Träumenden das Experiment auf eine andere Art und Weise. So wurden bei einigen Teilnehmern die Signale der Forscher zu Teilkomponenten des Traums, die hinsichtlich des laufenden Trauminhalts Sinn ergaben (z. B. in Form eines Radios, einer flackernden Lampe). Andere wiederum berichteten davon, dass Signale so empfangen wurden, als kämen sie von außerhalb des Traums (z. B. in Form einer Erzählerstimme) (Konkoly et al., 2021, S. 2, 5, 9).

Erzählungen der Probanden
„Ich war gerade damit beschäftigt, eine Horde Goblins zu bekämpfen, als ich plötzlich das Fingertippen bemerkte. Ich weiß noch, dass ich sehr überrascht war, weil ich zeitgleich weiterkämpfen und die Frage beantworten konnte.“  
„Ich war auf einer Party mit Freunden, als plötzlich eine Stimme aus der Ferne erschien und mich fragte, ob ich Spanisch spreche. Sie war wie eine Erzählerstimme in einem Film. Mit den zuvor abgesprochenen Gesichtsmuskelbewegungen habe ich dann geantwortet.“
„Als die Lichter flackerten, erkannte ich das als ein Morsecode-Signal von außen. Mit Augenbewegungen habe ich dann die Antwort ‚4‘ gegeben.“
Tabelle 1: Erzählungen der Probanden (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Konkoly et al., 2021, S. 2, Übers. d. Verf.)



Fazit

Zusammenfassend konnten Konkoly et al. (2021, S. 1-9) in ihrer Studie zeigen, dass eine Zwei-Wege-Echtzeitkommunikation mit Personen während eines luziden Traums möglich ist. Den Forschern zufolge sind Klarträumende in der Lage, Fragen zu verstehen und zu beantworten sowie Arbeitsgedächtnisleistungen durchzuführen und auf das autobiografische Gedächtnis zurückzugreifen. Künftige Studien sollen die Interaktion dieser zwei Welten näher erforschen, um mehr über Träume und die Gedächtnisverarbeitung zu erfahren. Ebenfalls könnten zukünftige Studien dieselben Methoden nutzen, um kognitive Fähigkeiten im Traum oder die Genauigkeit von Traumberichten zu bewerten. Weiterhin nicht zu vernachlässigen ist der Aspekt der Gesundheitsförderung, indem derartige Methoden eingesetzt werden könnten, um z. B. Menschen mit Albträumen zu helfen.

Literaturverzeichnis

Becker-Carus, C. & Wendt, M. (2017). Allgemeine Psychologie. Eine Einführung (2. Aufl.). Berlin: Springer. DOI: 10.1007/978-3-662-53006-1

Dönges, J. (2009). Im Schlaf erwacht. Zugriff am 04.05.2022. Verfügbar unter https://www.spektrum.de/news/im-schlaf-erwacht/1005408

Held, R. (2021). Klarträume: Bewusstseinsforschung im Schlaf. Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM). Zugriff am 03.05.2022. Verfügbar unter https://idw-online.de/de/news777207

Holzinger, B. & Klösch, G. (2018). Schlafstörungen. Psychologische Beratung und Schlafcoaching. Berlin: Springer. DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-662-54668-0

Holzinger, B. (2014). „Dream Sense Memory“. Traumarbeit in der Gestalttherapie und die psychotherapeutische Technik des luziden Träumens. Psychotherapie Forum, 19, 111–120. DOI: 10.1007/s00729-014-0024-1

Holzinger, B., Klösch, G. & Saletu, B. (2015). Studies with lucid dreaming as add-on therapy to Gestalt therapy. Acta Neurologica Scandinavica, 131(6), 355-363. DOI: https://doi.org/10.1111/ane.12362

Karim, A. (2015). Biologische Psychologie. Studienbrief der SRH Fernhochschule, Riedlingen.

Konkoly, K., Appel, K., Chabani, E., Mangiaruga, A., Gott, J. et al. (2021). Real-time dialogue between experimenters and dreamers during REM sleep. Current biology – CB, 31(7), 1417-1427. DOI: 10.1016/j.cub.2021.01.026

Max-Planck-Gesellschaft (2012). Der Sitz des Meta-Bewusstseins im Gehirn. Zugriff am 04.05.2022. Verfügbar unter https://www.mpg.de/5916738/meta-bewusstsein_gehirn

Mocker, D. (2021). Mit Träumenden reden? Das geht! Zugriff am 02.05.2022. Verfügbar unter https://www.spektrum.de/news/forscher-kommunizieren-mit-menschen-im-traum/1836562

Unger, D. (2020). Was sind Klarträume und wie wirken sie auf uns? Zugriff am 04.05.2022. Verfügbar unter https://www.wissenschaft-im-dialog.de/projekte/wieso/artikel/beitrag/was-sind-klartraeume-und-wie-wirken-sie-auf-uns/

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KELLEPICS (2017). fantasy-city-architecture-composing-surreal. Zugriff am 25.04.2022. Verfügbar unter https://pixabay.com/illustrations/fantasy-city-architecture-composing-2543658/

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