Die Modeindustrie gehört zu den größten Umweltsündern der Welt. Laut der Ellen MacArthur Stiftung verursacht sie jährlich etwa 10 % der globalen CO₂-Emissionen und verbraucht unvorstellbare Mengen an Wasser für die Produktion von Textilien (Europäisches Parlament, 2020). Vor diesem Hintergrund gewinnt das Konzept der nachhaltigen Mode an Bedeutung – und Second-Hand-Kleidung wird häufig als eine der besten Lösungen angepriesen. Doch ist Second-Hand-Mode wirklich so nachhaltig, wie oft behauptet wird? In diesem Blogbeitrag beleuchten wir die Vor- und Nachteile von Second-Hand-Mode und hinterfragen, ob sie tatsächlich die bessere Wahl ist.
Was bedeutet „nachhaltige Mode“?
Nachhaltige Mode zielt darauf ab, die negativen Umweltauswirkungen der Textilproduktion zu minimieren. Das bedeutet, dass nicht nur umweltfreundliche Materialien verwendet werden, sondern auch ressourcenschonende Produktionsprozesse und faire Arbeitsbedingungen im Vordergrund stehen (WWF, 2023). Ein wachsender Trend in diesem Bereich ist die „Slow Fashion“-Bewegung, die dem rasanten Konsumverhalten der Fast Fashion entgegenwirken soll (Pucci et al., 2022, S. 1091 f.). Hier kommt auch Second-Hand-Mode ins Spiel, die nicht nur Ressourcen spart, sondern auch den Lebenszyklus von Kleidung verlängert. Dass der nachhaltige Trend zum Kauf von Second-Hand-Mode immer mehr an Bedeutung gewinnt, zeigt Abbildung 2:
Lag der geschätzte Secondhand-Anteil am Umsatz für Bekleidung im Jahr 2019 noch bei 4 Prozent, liegt er im Jahr 2024 bereits bei 8 Prozent, Tendenz steigend (Statista, 2023).
Second-Hand-Mode: Eine nachhaltige Alternative?
Da bereits die Produktion eines Textils die größte Umweltbelastung darstellt, hat folglich jede Form der Wiederverwendung einen positiven ökologischen Effekt (Bodenheimer et al., 2022, S. 344). Der Kauf gebrauchter Kleidung reduziert die Nachfrage nach neuen Textilien und verringert damit den Ressourcenverbrauch. Eine Untersuchung ergab, dass 87% der Konsumenten, die Second-Hand-Mode kaufen, dies aus Umweltgründen tun, da sie den Wunsch haben, ihren ökologischen Fußabdruck zu verkleinern (Statista, 2021). Darüber hinaus können durch den Kauf gebrauchter Kleidung auch finanzielle Vorteile entstehen, da diese oft günstiger ist als Neuware. Für 83% der Befragten stellte auch dieser Aspekt ein Kaufargument dar.
Second-Hand-Mode ist allgemein eine nachhaltige Alternative, da sie die Lebensdauer von Kleidung verlängert und so den Bedarf an neuen Ressourcen verringert (Karnad, 2023, S. 15). Durch den Wiederverkauf oder die Spende gut erhaltener Kleidung wird Abfall reduziert und der ökologische Fußabdruck in der Modeproduktion gesenkt. Zudem unterstützt Second-Hand-Mode den Übergang zur Kreislaufwirtschaft und trägt zur Verringerung des Textilmülls bei (ebd.).
Mögliche Nachteile von Second-Hand-Kleidung
Nicht alle Second-Hand-Artikel sind langlebig oder in gutem Zustand. Wenn Kleidung bereits stark abgenutzt ist, hat sie oft nur eine begrenzte Lebensdauer, und der Kauf solcher Artikel führt dazu, dass sie schneller entsorgt werden müssen. Auch wenn es sich um gebrauchte Kleidung handelt, wurde sie möglicherweise ursprünglich unter nicht-nachhaltigen oder ethisch fragwürdigen Bedingungen hergestellt. Der Kauf von Second-Hand-Kleidung unterstützt indirekt diese ursprüngliche Produktion. Als der schwerwiegendste Nachteil der Second-Hand-Mode wird weitläufig die sogenannte „Rebound-Effekt“-Theorie gesehen, welche besagt, dass der Kauf von Second-Hand-Mode das Konsumverhalten nicht unbedingt ändert. Manche Konsumenten neigen dazu, mehr Kleidungsstücke zu kaufen, weil sie diese günstiger erwerben können, was letztlich zu einem höheren Konsum führt, anstatt die Umweltbelastung zu verringern (Piot, 2022, S.1).
Umweltbilanz von Second-Hand-Kleidung
Die Umweltauswirkungen von Second-Hand-Mode sind komplex. Studien zeigen, dass der ökologische Fußabdruck von Second-Hand-Kleidung im Vergleich zu neuer Kleidung wesentlich geringer ist. Die Nutzung von Secondhandmode spart jährlich mehr als 500 Pfund CO₂ ein (Statista, 2024). Der Kauf eines gebrauchten Kleidungsstücks verringert den Wasserverbrauch, die Emissionen und den Einsatz von Chemikalien, die bei der Produktion neuer Kleidung anfallen. Zudem trägt Second-Hand-Mode zur Reduzierung von Textilabfällen bei, da weniger Kleidung auf Mülldeponien landet.
In einem Bericht der Umweltorganisation WRAP wird darauf hingewiesen, dass die Verlängerung der Lebensdauer eines Kleidungsstücks um nur 3 Monate den CO₂-Fußabdruck sowie den Wasserverbrauch eines Kleidungsstücks um bis zu 5-10 % reduzieren kann (WRAP 2013, S. 8). Second-Hand-Mode ist daher eine vielversprechende Lösung, um den schnell wachsenden Textilmüll zu bekämpfen.
Der Einfluss von Mode-Trends und Konsumverhalten
Second-Hand-Kleidung ist längst nicht mehr nur für Menschen mit kleinem Budget interessant. Vor allem junge Generationen schätzen die Einzigartigkeit und den Retro-Charme, den Second-Hand-Mode bieten kann. Eine Umfrage von Statista (2022) zeigt, dass die Tatsache, dass einige Kleidungsstücke neu nicht zu erwerben sind, wie etwa Vintage Kleidung, ein Kaufargument darstellt. Für 4% aller Befragten war die Einzigartigkeit bestimmter Produkte ein Kaufargument (Statista, 2022).
Dennoch bleibt das Konsumverhalten ein kritischer Faktor. Obwohl Second-Hand-Mode im Allgemeinen als nachhaltige Alternative gilt, hängt ihre tatsächliche Nachhaltigkeit stark von der Art und Weise ab, wie sie konsumiert wird. Wenn Kleidungsstücke, egal ob neu oder gebraucht, ständig gekauft und nur kurz getragen werden, verschlimmert dies das Problem des übermäßigen Konsums.
Fazit und Ausblick
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Second-Hand-Mode eine sinnvolle und nachhaltige Alternative zu Fast Fashion darstellen kann, vor allem wenn sie mit einem bewussten Konsumverhalten einhergeht. Sie trägt zur Verringerung der Textilabfälle bei, spart Ressourcen und bietet zudem finanzielle Vorteile für den Konsumenten. Allerdings müssen wir uns auch der möglichen negativen Auswirkungen bewusst sein, die der Second-Hand-Handel auf die lokale Wirtschaft in Entwicklungsländern haben kann.
Der Weg zu einer nachhaltigeren Modewelt ist noch lang, doch Second-Hand-Mode ist ein wichtiger Bestandteil dieses Wandels. In Zukunft könnten Plattformen für den Austausch und den Verkauf von gebrauchter Kleidung weiter an Bedeutung gewinnen. Um jedoch eine wirklich nachhaltige Modeindustrie zu schaffen, muss das Bewusstsein für den Umgang mit Kleidung gestärkt und der Fokus auf langlebige und qualitativ hochwertige Stücke gelegt werden.
Literaturverzeichnis
Bodenheimer, M., Schuler J. & Wilkening T. (2022). Drivers and barriers to fashion rental for everyday garments: an empirical analysis of a former fashion-rental company, Sustainability: Science, Practice and Policy, 18:1, 344-356, DOI:10.1080/15487733.2022.2065774
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Karnad, V. A. (2023). Evaluation of Potential for Textile Waste Management using the PROMETHEE Method.
Piot, G. (2022). The rebound effect of reuse: a case study of second-hand clothing. Glasgow.
Pucci, E., Tufarelli, M., & Giliberti, L. (2022). Slow Fashion Accompanies Digital Towards a Sustainable Future: From Quantity to Quality. Reflections on the New Paradigm of Sustainable Fashion. INTERNATIONAL DESIGN CONFERENCE – DESIGN 2022, S. 1091-1098. doi:https://doi.org/10.1017/pds.2022.111
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WRAP (2013). Design for Longevity: Guidance on Increasing the Active Life of Clothing.
WWF (2023). Nachhaltige Mode: Gut angezogen, gut für den Planeten. Verfügbar unter: https://www.wwf.de/aktiv-werden/tipps-fuer-den-alltag/nachhaltiger-konsum/nachhaltige-mode-gut-angezogen-gut-fuer-den-planeten#:~:text=Was%20versteht%20man%20eigentlich%20unter,unter%20fairen%20Arbeitsbedingungen%20entstanden%20ist. . Abgerufen am 07.09.2024.
Abbildungsverzeichnis
Titelbildquelle: Bild von Linda Life (2018) auf Pixabay; Verfügbar unter: https://pixabay.com/de/photos/gebrauchte-kleidung-second-hand-3779497/ . Abgerufen am 09.09.2024.
Abbildung 1: Geschätzte Secondhand-Anteile am Umsatz für Bekleidung im DACH-Raum (in %); Eigene Darstellung in Anlehnung an Statista (2023). Bekleidung: Mehr Online, mehr Secondhand. Verfügbar unter: https://de.statista.com/infografik/30100/online-und-secondhand-anteile-am-umsatz-fuer-bekleidung/ . Abgerufen am 08.09.2024.