By Published On: 8. April 2021Categories: Psychologie

Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die beste Führungskraft im ganzen Land? Ungezügelte Selbstbezogenheit, Siegermentalität und Größenfantasien sind hohe Anzeichen dafür, dass man es mit einer narzisstischen Person zu tun hat. Besonders im Berufsleben ebnen einem die erwähnten narzisstischen Eigenschaften den Weg in die Schaltzentralen der Macht. Indem sich die narzisstisch geprägte Führungskraft mit Ja-Sagern, Bewunderern und gewitzten Manipulatoren umgibt, verschafft er sich eine Bestätigung seines Selbstbildes (Stehr, 2017). Nun ergeben sich daraus wichtige Fragen. Haben es narzisstische Personen trotz – oder wegen – ihres Narzissmus an die Führungsspitze geschafft? Ist Narzissmus grundsätzlich mit Führung assoziiert bzw. führen Narzissten erfolgreicher?

Narzissmus – eine Definition

Zunächst lohnt sich ein Blick darauf, was Narzissmus eigentlich ist. Narzissmus als Persönlichkeitseigenschaft verdankt ihren Namen der griechischen Mythologie. Das Vorbild ist die Sage des Jüngling Narziss, der, nachdem er eine Nymphe abgewiesen hat, mit unendlicher Selbstliebe bestraft wird. Das endete in einer Tragödie: Als er sich auf der spiegelnden Wasseroberfläche eines Sees erblickt, verliebt er sich in sein Spiegelbild und ertrinkt beim Versuch, sich selbst zu küssen (vgl. Externbrink & Keil, 2017, S. 8). Seit der Antike hat die Wissenschaft viel zum Verständnis von Narzissmus beigetragen. Dennoch erweist sich das Phänomen nach wie vor als faszinierend und komplex. In der Psychologie spricht man von Narzissmus, wenn das Verhalten einer Person durch eine übersteigerte, unrealistische Wahrnehmung in ihrer eigenen Bedeutsamkeit geprägt ist (vgl. Grote, 2012, S. 269–290). Dies geht mit einer exzessiven Eitelkeit, Extravertiertheit und starken Bedürfnissen nach Macht, Status und Aufmerksamkeit einher (vgl. Externbrink & Keil, 2017, S. 8). Narzissten neigen dazu, ihre eigenen Fähigkeiten zu überschätzen und überschreiten dabei das übliche Maß: sie halten sich schlichtweg für grandios. Jedoch meist zu Unrecht, denn objektive Kriterien widersprechen diesem positiven Selbstbild. So schneiden Narzissten in IQ-Tests nicht überdurchschnittlich gut ab (vgl. Gabriel et al., 1994, S. 143–155). Zudem geht narzisstische Selbstüberschätzung oftmals mit einer Geringschätzung anderer Personen einher (vgl. Back et al., 2013, S. 1013–1037). Sie suchen ständig nach Bewunderung. Entsprechend offen prahlen sie mit ihren (vermeintlichen) Qualitäten. Diese Gemengelage führt zu einer Reihe interessanter, teils widersprüchlicher Verhaltenskonsequenzen. So sind Narzissten einerseits charmant, tatkräftig und gesellig – Verhaltensweisen, mit denen sie andere in ihren Bann ziehen. Andererseits handeln sie egoistisch, rücksichtlos und beuten andere aus. Gerade dann, wenn sich Narzissten ausgebremst oder kritisiert fühlen, reagieren sie ungehalten bis aggressiv (vgl. Bushman & Baumeister, 1998, S. 219–229). Kohut sieht die Ursachen von Narzissmus in einer Störung der frühkindlichen Entwicklung (Kohut, 1976).  

Narzissmus in Führungspositionen 

Sind Narzissten vermehrt in Führungspositionen anzutreffen? Die Vermutung liegt nahe, denn Führungspositionen bieten vieles, wonach Narzissten streben: Machtausübung, hoher gesellschaftlicher Status und materieller Reichtum. Gleichzeitig sind narzisstische Züge in vielen Führungspositionen durchaus gern gesehen. Ein Mensch, der charmant, selbstbewusst und durchsetzungsstark auftritt, empfiehlt sich als charismatische Führungsperson. Untersuchungen, die das Narzissmuslevel von Führungskräften und Nicht-Führungskräften vergleichen, sind ungewöhnlich und kaum zu finden. Mit stichhaltigen Überprüfungen zur Entstehung von Führung können mehr Ergebnisse erzielt werden, wie bspw. in einer Studie von Brunell und Kollegen (2008) belegt wurde. Hier wurden Studierende in Diskussionsgruppen eingeteilt und es wurde untersucht, welche Personen die Führungsrolle übernehmen. Wie zu erwarten war Narzissmus prädikativ: Sie ergriffen häufiger die Führung – sowohl laut Selbsteinschätzung als auch laut Einschätzung der anderen Gruppenmitglieder. Zudem war Narzissmus anderen Faktoren wie Geschlecht oder Selbstwertgefühl überlegen. Eine weitere Studie mit Managern ergab idente Ergebnisse. Die narzisstischen Manager entwickelten sich in Gruppendiskussionen häufiger zur Führungsperson, in diesem Fall nach Einschätzung externer Experten (vgl. Biemann, 2020).

Führen Narzissten erfolgreicher?

Da Narzissten häufig Führungspositionen erreichen ist eine wichtige Frage: Sind sie dadurch besonders erfolgreich im Führen? Hierbei fällt eine klare Hypothese schwer. Schließlich geht Narzissmus mit Verhaltensweisen einher, die Führungserfolg potenziell sowohl begünstigen als auch gefährden. Eine Metaanalyse von Grijalva und Kollegen (2015) hat sich dieser Frage angenommen und 26 Stichproben mit über 4.100 Personen zusammengefasst. Insgesamt ergab sich dabei ein Null-Zusammenhang zwischen Narzissmus und Führungserfolg. Narzissten führen demnach nicht erfolgreicher (aber auch nicht weniger erfolgreich) als Nicht-Narzissten. Es gibt einige wissenschaftliche Hinweise, die vor zu hohem Narzissmus bei Führungskräften warnen. Zunächst kann Narzissmus auch unabhängig von Führung mit negativen Konsequenzen verbunden sein, so etwa mit kontraproduktivem oder sogar illegalem Verhalten am Arbeitsplatz (vgl. Blickle et al., 2006, S. 220–233; vgl. Judge et al., 2006, S. 762–776). Zudem legen Studienergebnisse nahe, dass der Informationsaustausch innerhalb von Arbeitsgruppen mit narzisstischer Führungsperson eingeschränkt ist, was sich wiederum negativ auf die Teamleistung auswirken kann (vgl. Nevicka et al., 2011, S. 1259–1264). 

Fazit

Narzissmus geht mit grundlegenden Motiven, spezifischen Zielen und typischen Verhaltensweisen einher. Diese Verhaltensweisen sind teilweise sehr führungsförderlich (z.B. charismatisches Auftreten), teilweise aber auch führungsgefährdend (z.B. Unvermögen, vertrauensvolle Beziehungen aufrechtzuerhalten). Unternehmen, an deren Spitze narzisstische CEOs agieren, weisen mehr und stärkere Extreme auf. Je nach Situation des Unternehmens beinhaltet dies Chancen, birgt allerdings auch Gefahren.

Literaturverzeichnis

Back, M. D., Küfner, A. C. P., Dufner, M., Gerlach, T. M., Rauthmann, J. F. & Denissen, J. J. A. (2013). Narcissistic admiration and rivalry: Disentangling the bright and dark sides of narcissism. Journal of Personality and Social Psychology105(6), 1013–1037. https://doi.org/10.1037/a0034431

Biemann, T. (2020). Narzissmus und Führung. Haufe.de News und Fachwissen. Zugriff am 26.3.2021. Verfügbar unter: https://www.haufe.de/personal/hr-management/pq-state-of-the-art-narzissmus-und-fuehrung_80_514874.html

Blickle, G., Schlegel, A., Fassbender, P. & Klein, U. (2006). Some Personality Correlates of Business White-Collar Crime. Applied Psychology55(2), 220–233. https://doi.org/https://doi.org/10.1111/j.1464-0597.2006.00226.x

Bushman, B. & Baumeister, R. (1998). Threatened Egotism, Narcissism, Self-Esteem, and Direct and Displaced Aggression: Does Self-Love or Self-Hate Lead to Violence? Journal of personality and social psychology75, 219–29. https://doi.org/10.1037/0022-3514.75.1.219

Externbrink, K. & Keil, M. (2017). Narzissmus, Machiavellismus und Psychopathie in Organisationen: Theorien, Methoden und Befunde zur dunklen Triade (1. Auflage). Wiesbaden: Springer.

Gabriel, M. T., Critelli, J. W. & Ee, J. S. (1994). Narcissistic illusions in self-evaluations of intelligence and attractiveness. Journal of Personality62(1), 143–155. United Kingdom: Blackwell Publishing. https://doi.org/10.1111/j.1467-6494.1994.tb00798.x

Grote, S. (2012). Die Zukunft der Führung. Berlin: Springer.

Judge, T., LePine, J. & Rich, B. (2006). Loving Yourself Abundantly: Relationship of the Narcissistic Personality to Self and Other Perceptions of Workplace Deviance, Leadership, and Task and Contextual Performance. The Journal of applied psychology91, 762–76. https://doi.org/10.1037/0021-9010.91.4.762

Kohut, H. (1976). Narzißmus: Eine Theorie der psychoanalytischen Behandlung narzißtischer Persönlichkeitsstörungen. (L. Rosenkötter, Übers.) (1. Auflage). Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag.

Nevicka, B., Ten Velden, F. S., De Hoogh, A. H. B. & Van Vianen, A. E. M. (2011). Reality at Odds With Perceptions: Narcissistic Leaders and Group Performance. Psychological Science22(10), 1259–1264. SAGE Publications Inc. https://doi.org/10.1177/0956797611417259

Stehr, C. (2017). Narzissmus bei Führungskräften | Personal | Haufe. Haufe.de News und Fachwissen. Zugriff am 25.3.2021. Verfügbar unter: https://www.haufe.de/personal/hr-management/narzissmus-bei-fuehrungskraeften_80_400572.html

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