By Published On: 8. April 2021Categories: Literaturempfehlungen

Wer eine Buchhandlung betritt, dem lachen sie stapelweise entgegen: Fitnessbücher mit leuchtenden Umschlägen: Makellose Körper – perfekt in Szene gesetzt, darüber ein Titel, der das Allheilmittel für jedes vermeintliche Figurproblem verspricht: „Strong and Beautiful“, „Fit und stark“ oder „Yoga-Body“…  Ratgeber wie diese verkaufen sich bestens. Umso bemerkenswerter ist der Ansatz von Dr. Manuela Macedonia, die mit ihrem Buch „Beweg dich! Und dein Gehirn sagt danke“ den bereits ausgetretenen Pfad – Bewegung, um abzunehmen – verlässt. „Ich laufe nicht für meine Figur, ich laufe für mein Gehirn“, sagt die Neurowissenschaftlerin und zeigt damit ihren Leserinnen und Lesern ein wirklich gutes Motiv auf, sich regelmäßig (moderat) zu bewegen.

Verständlich und anschaulich

Die Medizinerin erklärt in meist verständlicher und lebensnaher Sprache auch dem Laien komplexe Zusammenhänge und Vorgänge, die sich im menschlichen Gehirn abspielen. Sie stützt sich dabei auf sprachliche Bilder wie Vergleiche. Auch wenn die Thematik keine leichte ist, so hat man als medizinischer Laie nicht das Gefühl, von Fachausdrücken (ohne die ein derartiges Buch nicht auskommen kann) oder komplizierten Sachverhalten erschlagen zu werden. Illustriert werden diese Inhalte mit einprägsamen Zeichnungen, die in den Farben Gelb und Schwarz für Anschaulichkeit und Übersicht sorgen. Insgesamt ist das Layout des Buches sehr ansprechend.

Eigene Erfahrungen

Manuela Macedonia leitet ihr Buch mit einer Episode aus ihrem eigenen Leben ein, die bereits einige Zeit zurückliegt. Heiter erzählt sie von ihren Erfahrungen als Workaholic – täglich viele Stunden im Büro im Leipziger Max-Planck-Institut für Neurowissenschaften, keine Bewegung. Die Wissenschaftlerin erfährt am eigenen Leib, wie sich Bewegungsmangel auf ihre kognitive Leistung auswirkt – und beschließt nach einem Aha-Erlebnis ihr Leben umzukrempeln. Ins Büro fährt sie von einem auf den anderen Tag nur mehr mit dem Rad, nach wenigen Monaten läuft sie täglich zwölf Kilometer. Und schon bald stellt sich eine markante Veränderung ein: Schlaf und Gedächtnis werden merklich und stetig besser.

Wie funktioniert unser Gehirn?

Wer ein Buch über die Optimierung der kognitiven Leistungsfähigkeit schreibt, muss zwangsläufig erläutern, wie das menschliche Gehirn funktioniert. Frau Dr. Macedonia tut dies jedoch nicht auf eine belehrende, sondern auf eine spritzig-humorvolle und vor allem anschauliche Art und Weise. Fachbegriffe wie Synapsen, Neurotransmitter, Gliazellen oder Dendriten stellen so keine unverständlichen Begriffsmonster dar – die Autorin zieht Szenen aus dem Alltag heran, um deren Funktion und Aufgabe zu erklären.

Verjüngung ist möglich

Die Neurowissenschaftlerin verschweigt auch nicht, dass unser Hirn altert – und mit diesem Alterungsprozess schon relativ früh beginnt. Dennoch macht sie Mut: Wir haben diesbezüglich doch relativ viel in der Hand, was auch neue Studien immer häufiger belegen. Manuela Macedonia hält in ihrem Buch ein ergreifendes Plädoyer für moderate Bewegung im aeroben Bereich, die naturgemäß aufgrund der unterschiedlichen Voraussetzungen für jede/n anders aussehen muss. Für sie gilt die Maxime: Bewegung muss guttun, wir müssen uns dabei wohlfühlen. Extreme Belastung sowie das Ringen um Höchstleistungen sind in diesem Zusammenhang unerwünscht.

Neurogenese – der Stopp bzw. die Umkehr der Alterung im Gehirn – kann durch regelmäßige, moderate Bewegung – am besten an der frischen Luft – erreicht werden. Wenn sie laufe, pflege sie ihren Hippocampus, so die Medizinerin. Der Hippocampus, der aufgrund seines Aussehens Seepferdchen genannt wird, liegt eigebettet im Gehirn und besteht aus Neuronen. Er ist unter anderem zuständig für das Kurzzeitgedächtnis und das räumliche Gedächtnis. Im Hippocampus spielt sich auch besagte Neurogenese ab.

Dass man die Gehirnalterung aufhalten kann, soll jedoch im Umkehrschluss nicht bedeuten, dass Bewegung in jungen Jahren keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielt. Auch hier weist dies die Wissenschaftlerin auf den Zusammenhang „sportlich-fitte Kinder – geistige Leistungsfähigkeit“ hin.

„Traurige Erwachsene sollten Sport machen!

Diesen Ratschlag erteilt Manuela Macedonia aus neurowissenschaftlicher Sicht allen, die an Depression zu leiden haben. Unglückliche Beziehungen, Verluste, Traumata in der Kindheit – all dieser Ballast erzeugt emotionalen Stress. Grund dafür ist ein Hormon namens Cortisol. Wessen Nebennieren zu viel von diesem Stoff produzieren, der schläft wenig und schlecht, hat zumindest zeitweise erhöhten Blutdruck, schwitzt vermehrt – und auch das Gedächtnis wird vom Stresshormon beeinträchtigt. Wer längerfristig einen erhöhten Cortisolspiegel aufweist, entwickelt irgendwann Angststörungen, Depressionen – oder beides.

Regelmäßige Bewegung sorgt laut Studien dafür, dass das Stresshormon Cortisol im Körper abgebaut werden kann, die erhöhten Werte können sich so wieder normalisieren.

Bewegung gegen das Schreckgespenst Demenz

Anschaulich erklärt die Neurowissenschaftlerin, was mit einem Gehirn eines Menschen geschieht, der an Alzheimer erkrankt. Chinesische Studien mit Labormäusen, die täglich auf einem Laufrad in ihrem Käfig strampeln durften, zeigen Erstaunliches: Demente Mäuse konnten durch Bewegung „senilen Abfall“ in ihrem Gehirn abbauen. Manuela Macedonias Botschaft lautet daher: Es ist nie zu spät, etwas für sein Gehirn zu tun! Gerade im Alter ist Stress eine große Gefahr für das Gehirn. Alzheimer und Depression können die Folge von chronischem Stress sein. Auch Übergewicht ist im Alter laut der Wissenschaftlerin ein „No-Go“. Diese Risikofaktoren für unser Gehirn können durch moderate, aber regelmäßige Bewegung minimiert werden.

Fazit

„Beweg dich! Und dein Gehirn sagt danke“ ist ein lehrreiches Sachbuch, spannend und unterhaltsam – und wird sich nachhaltig ins Gedächtnis all jener einprägen, die mehr gern Bewegung machen würden. Zu den üblichen Motiven – dem Wunsch nach einer schlankeren Silhouette oder einer Reduktion des Körpergewichts aufgrund bereits bekannter gesundheitlicher Vorteile (Verbesserung der Blutwerte, bessere Beweglichkeit u.ä.) – kommt hier ein neuer Aspekt hinzu: Wer sich bewegt, sorgt für ein leistungsstarkes Gehirn und emotionale Stabilität bis ins hohe Alter. Das sind Pluspunkte, zu denen sicher niemand „Nein danke“ sagen wird!

Literatur:

Titelbild: eigene Fotografie

Macedonia, M. (2018). Beweg dich! Und dein Gehirn sagt Danke (1.Aufl.). Wien-München: Brandstätter Verlag.

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