By Published On: 15. Dezember 2024Categories: Meine Hochschule und mein Studium

Hast du schon einmal von positiven Affirmationen, Manifestieren oder Visualisieren gehört? Und hast du dich gefragt, ob das eigentlich nur esoterischer Unsinn ist oder ob vielleicht doch etwas Tieferes dahintersteckt? Dann bist du endlich fündig geworden. Mit Psychologie und ein bisschen Neurowissenschaft werfen wir unvoreingenommen einen Blick auf diese Techniken. Doch zuerst möchte ich ein klares Verständnis der Begriffe schaffen.

Affirmation vs. Glaubenssatz: ein wesentlicher Unterschied

Affirmationen sind positiv formulierte Aussagen oder Bekenntnisse zu sich selbst, die durch das bloße Aussprechen manifestiert werden sollen. Ein Beispiel für eine Affirmation ist: „ich bin von Liebe, Frieden und Glück umgeben“. Glaubenssätze sind dagegen meist unbewusst und tief verankert. Sie beinhalten Erwartungen daran, was durch bestimmte Handlungen passiert (Albarracin & Pitliya, 2022). Ein Glaubenssatz könnte z. B. sein „ich bin wertlos, wenn ich keine Leistung erbringe“. Du würdest das wahrscheinlich ungern als Affirmation nutzen, aber so ein Glaubenssatz kann sich z. B. hinter einem subtilen Schuldgefühl verbergen, das beim Entspannen aufkommt. Ein unbewusster Anteil in dir erhebt vielleicht Einspruch in Form eines inneren Widerstands, wenn die Affirmation für bedingungslose Liebe oder Glück aufgesagt wird. Konflikte bei Affirmationen sollen daher mit einer weiteren Technik aufgelöst werden.

Die Brücke zum Erfolg: Visualisieren

Die Brücke zum Eintreten deiner Affirmationen soll durch das sogenannte Visualisieren geschlagen werden: vom Mangel positiver Gefühle dir selbst gegenüber, hin zum positiven Leben, in dem Wünsche und Ziele wahr werden. Visualisieren bedeutet in diesem Kontext, innere mentale Bilder und Gefühle zu erzeugen, die dem gewünschten Zustand entsprechen. Bevor ich diese Ideen aber aus Wissenschaftlicher Sicht prüfe, erhältst du eine kurze Anleitung zum Ausprobieren, es ist nämlich nicht kompliziert.

Die Technik des Visualisierens

Schritt 1: suche oder schaffe dir einen ruhigen, ungestörten Ort.

Schritt 2: wähle ein Ziel (zum Beispiel eine Summe an Geld, einen Traumjob, eine erfüllende Beziehung, oder etwas anderes, ob groß oder klein).

Schritt 3: entspanne dich, ggf. durch kurzes Meditieren oder tiefe Ein- und Ausatmungen.

Schritt 4: visualisiere dein Ziel: stelle dir das Erreichen des Ziels so lebhaft vor wie du nur kannst. Nutze dazu alle Sinne: was du siehst, was du hörst, was du spürst. Das Bild und der Moment, in dem du das Erreichen des Ziels realisierst. Auch all die Emotionen solltest du so real hervorrufen, wie du es schaffst. Nimm dir ruhig ein paar Minuten dazu.

Schritt 5: spüre die Emotionen und Gefühle und tauche darin ein. Genieße die Emotionen, die mit dem Erreichen des Ziels verbunden sind. 

Wie die Techniken Veränderungen herbeiführen sollen 

Wenn du dich jetzt anders fühlst, dann erklärt es die New Age Spiritualität mit „höheren Schwingungen“ (oft als „Vibrations“ bezeichnet). Schwingungen kann man als eine Art unterbewusstes Lebens- oder Ichgefühl interpretieren. Höhere Schwingungen sollen Erfolg quasi magnetisch anziehen. Es geht darum, so zu sein, als wäre aller gewünschter Erfolg bereits eingetreten. Visualisieren und Affirmationen werden auch unter dem Begriff „Manifestieren“ zusammengefasst, denn im Grunde unterliegen beide Konzepte einer ähnlichen Idee: dem Wahrwerden von Wünschen durch eine innere Zustandsänderung. In der New Age Spiritualität wird allerdings leider selten auf konkrete Wirkmechanismen eingegangen, die den Erfolg herbeiführen sollen. Eine interessierte Person – oder gar die Wissenschaft – kann so kaum zufriedengestellt werden. Doch es gibt eine Ausnahme, die in spirituellen Kreisen als eine wissenschaftliche Legitimation gilt. Sie nutzen Begriffe der Neurowissenschaften und zwar das sogenannte „RAS“.

Die Rechtfertigung für die Wirksamkeit von des Manifestierens

Im menschlichen Gehirn befindet sich ein Netzwerk, das als retikuläres Aktivierungssystem (RAS) bezeichnet wird (siehe z. B. Walter & Shaikh, 2014). Dieses System wird in der New Age Spiritualität und beim neurolinguistischen Programmieren (NLP) häufig als Ursache für die Wirksamkeit von Affirmationen und Visualisierungen herangezogen (Huber, n. d.). Die Idee ist, dass das RAS der Aufmerksamkeit und der Mustererkennung diene. Konkret soll es je nach Zustand bestimmte Muster abspeichern, die in der Welt erwartet werden. Diese erwarteten Muster werden durch eine Art neuronales Selbst-Programmieren („Priming“) eher in der Welt wahrgenommen und widergespiegelt. Zum Beispiel wird durch das Priming die Wahrnehmung von liebevollem Verhalten gesucht und erwartet. Und was in der Welt erwartet wird, wird dadurch häufiger wahrgenommen. Überspitzt gesagt, wirken nach dem Priming alle Menschen plötzlich liebevoll – während sie davor Idioten waren, bis auf ein paar unbedeutende Ausnahmen. Die neuen positiven Gefühle verstärken wiederum den Fokus auf das Muster und so entsteht eine positive Feedback-Schleife. 

Die Neurowissenschaft des RAS

Zusammenfassend wird also behauptet, dass durch den bloßen Fokus auf bestimmte Muster, diese auch in der Wirklichkeit häufiger erscheinen. Leider lässt sich das wissenschaftlich nicht so leicht untermauern, da Hirnnetzwerke sehr komplex sind und in ihrer gegenseitigen Abhängigkeit nicht voll verstanden sind. Das RAS kontrolliert Übergänge zwischen Schlaf und Wachsein (Walter & Shaikh, 2014) und hat dabei durchaus eine Rolle bei der Regulierung von Aufmerksamkeit. Die konkrete Aufmerksamkeitskontrolle wird jedoch auch einem Kern des Thalamus zugeschrieben (Gu, Lam, Halassa, & Murray, 2020). Es ist meiner Meinung nach doch recht viel Interpretationsarbeit von spirituellen Kreisen geleistet worden, oder der Fokus auf das RAS hat sich verselbstständigt und wurde zu wenig hinterfragt. Vielleicht ist es aber auch interessanter zu überprüfen, was psychologische Studien zum Manifestieren sagen.

Die Psychologie des Manifestierens

Menschen, die an das Manifestieren glauben – also an Visualisieren, Affirmationen und verwandte Techniken – sind nach Ergebnissen von Dixon, Hornsey und Hartley (2023) insgesamt bestrebter, halten sich für Erfolgreicher und gehen risikoreichere Investitionen ein. Es gibt eine Vielzahl an Untersuchungen dazu, was bei dem Versuch des Manifestierens geschieht. Die Ergebnisse sind nicht eindeutig, da erstaunlich viele Faktoren eine Rolle spielen (Parthasarathi, McConnell, Luery, & Kable, 2017). Der Erfolg dabei, die gewünschten Dinge zu erreichen, hängt nicht primär von der Fähigkeit des Visualisierens ab, sondern wird auch stark davon beeinflusst, ob Pläne gemacht werden, oder ob zusätzlich eine weitere Kontrast-Zukunft visualisiert wird, die eintritt, wenn man sein Leben nicht anpasst (Oettingen, 2000). Der Erfolg hängt zudem vom affektiven Zustand ab, der durch die Visualisierung hervorgerufen wird, denn es können auch unwillkürlich negative Emotionen auftreten (Lerner, Li, & Weber, 2013). Da diese Techniken viele wichtige Nuancen haben, ist es also leider nicht leicht, eine endgültige Aussage zur Wirksamkeit zu machen.

Fazit

Letztlich bleibt es eine individuelle Entscheidung. Du kannst Manifestieren einfach mal ausprobieren. Denn abgesehen davon, welches Netzwerk im Gehirn derartige Leistungen erbringt, erscheint der Mechanismus auf den ersten Blick zumindest schlüssig und wird auch in der Wissenschaft nicht grundsätzlich abgelehnt. Wenn deine eigene Erfahrung damit schließlich positiv ist, könnte es sich doch lohnen!

Abbildungsverzeichnis

Beitragsbild: Fantasy (2022) Abgerufen am 15.12.2024 unter https://pixabay.com/de/illustrations/fantasie-traum-magie-mädchen-7347862/.

Literaturverzeichnis

Albarracin, M., & Pitliya, R. J. (29. Juli 2022). The nature of beliefs and believing. Frontiers in psychology, 13.

Dixon, L. J., Hornsey, M. J., & Hartley, N. (8. Juli 2023). „The Secret“ to Success? The Psychology of Belief in Manifestation. Personality and Social Bulletin.

Gu, Q. L., Lam, N. H., Halassa, M. M., & Murray, J. D. (16. September 2020). Circuit Mechanisms of Top-Down Attentional Control in a Thalamic Reticular Model. bioRxiv.

Huber, E. (n. d.). nlplabor.ch. Abgerufen am 11. November 2024 von https://nlplabor.ch/blog/fokus-im-gehirn-wie-du-hirngerechte-ziele-setzt/

Lerner, J. S., Li, Y., & Weber, E. U. (13. November 2013). The financial costs of sadness. Psychological science, 24(1), S. 72-79.

Oettingen, G. (Juni 2000). Expectancy Effects of Behavior Depend on Self-Regulatory Thought. Social Cognition, 18(2).

Parthasarathi, T., McConnell, M. H., Luery, J., & Kable, J. (6. März 2017). The Vivid Present: Visualisation Abilities Are Associated with Steep Discounting of Future Rewards. Frontiers in psychology, 8(289).

Walter, B. L., & Shaikh, A. G. (2014). Midbrain. In M. J. Aminoff, & R. B. Daroff, Enceclopedia of the Neurological Sciences (Second Edition) (S. 28-33). Academic Press.

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