Im Kontext von Beratung von Menschen mit Behinderung, hat sich in Deutschland das Konzept des Peer Counseling bewährt. Dieser Blogbeitrag beschäftigt sich mit den Grundlagen gesetzlicher Rahmenbedingungen und die Relevanz von Peer Counseling in Deutschland. Die Beratung für Betroffene durch Betroffene ist im Grunde nichts neues, doch die Art und Weise wie sie sich durch Gesetzesänderungen im Bereich des Behindertenrechts etabliert hat ist es schon.
Was bedeutet Peer Counseling?
Seinen Ursprung hat der Begriff Peer Counseling im Amerikanischen. Er setzt sich aus zwei Wortkomponenten zusammen zum einen „Peer“, der Gemeinsamkeiten zwischen zwei Personen oder Personengruppen darstellt und zum anderen „Counseling“, dass für den englischen Begriff Beratung steht. Peer Counseling ist eine Beratungsmethode die einer Idee des Psychologen Carl R. Roges entspringt und von amerikanischen Professor*innen und Student*innen weiterentwickelt wurde (Ergänzende Unabhängige Teilhabe Beratung [EUTB], 2024a). Die Methode nutzt dem Vorteil einer Beratung auf Augenhöhe, in dem Menschen, Menschen beraten, denen im Alltag die gleichen gesellschaftlichen Hürden und Probleme begegnet sind. Die eigenen Erfahrungen machen die beratende Person auf Grund ihrer Erlebnisse zu Expert*innen in eigener Sache (Hofmann, 2020).
Es gibt Aspekt die diese Beratungsmethode hinsichtlich Menschen mit Behinderung einzigartig machen dazu gehört beispielsweise, dass Teilen von ähnlichen Lebenserfahrungen bei unterschiedlicher Rollenverteilung oder der besondere Zugang durch ähnliche Probleme und Hindernissen (EUTB 2024b).
Gesetzliche Rahmenbedingungen
Durch die Ratifizierung der UN- Behindertenrechtskonvention (UN- BRK) im Jahre 2009 durch Deutschland, hat Deutschland sich dazu verpflichtet dieses Recht umzusetzen. Ein Meilenstein dabei stellt der Paradigmenwechsel dar der von einem medizinisch- defizitären Bild von Menschen mit Behinderung sein Blick auf die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung lenkt (Deutsches Institut für Menschenrechte, 2024). Artikel 26 der UN- BRK fordert Maßnahme die die Unterstützung von Menschen durch andere Menschen mit Behinderung bieten, um eine Teilhabe in allen Bereichen des Lebens zu ermöglichen und zu bewahren (Beauftragter der Bundesregierung für Belange von Menschen mit Behinderung, 2024). Durch die Einführung des Bundesteilhabegesetz (BTHG) im Jahre 2017, welches in 4 Schritten bis 2023 eingeführt wurde, ergeben sich eine Neufassung des neunten Sozialgesetzbuches (SGB IX) und eine Modernisierung des Eingliederungshilferechts unter stärkerer Beachtung der UN- BRK (REHADAT, 2024). Im Jahr 2018 ist die im Rahmen des BTHG Ergänzende Unabhängige Teilhabeberatung (EUTB®) modelhaft eingeführt worden, die 2023 durch die Verordnung zur Weiterführung der Ergänzenden Teilhabeberatung (Teilhabeverordnung- EUTBV) in den regulären Betrieb übergegangen ist (Bundesministerium für Arbeit und Soziales [BMAS], 2023a) Diese Änderungen ermöglichen es Menschen mit Behinderung spezifische Beratung und Unterstützung einzufordern, in einer Größenordnung die es vorher nicht gab.
Einordnung der Ergänzenden Unabhängigen Teilhabeberatung
Die EUTB® soll Orientierung, Planung und Entscheidungen für Menschen mit Behinderung bieten die nach Rat suchen. Im Vordergrund steht dabei die Stärkung der Eigenverantwortung, Selbstwirksamkeit und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung. Sie ist als gegensätzliches aber sich ergänzendes, unentgeltliches Beratungsangebot zu den bereits bestehenden Beratungsangeboten der Rehabilitationsträger zu betrachten. Sie soll eine bessere Orientierung im komplizierten System der Rehabilitation und Teilhabe bieten. Ausgeschlossen sind Rechtsberatungen und Begleitung in Widerspruchs- und Klageverfahren (BMAS, 2023b).
Inanspruchnahme der EUTB®
Durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wurden zu Beginn des Projektes 500 EUTB®- Angebote gefördert. Bis Ende 2021 waren 1.250 hauptamtliche und 900 ehrenamtliche Mitarbeiter*innen beschäftigt. Das Beratungsangebot liegt bis 2023 bei durchschnittlich 15.000 Beratungen im Monat. Die Beratungsleistung und die sozialen Kompetenzen der Mitarbeiter *innen werden von Nutzer*innen überwiegend positiv eingeschätzt. Als besondere Ressource wird durch Aufsuchende die Peer- Beratung genannt. Die meisten Beratungen werden im Rahmen von Antragsstellungen durchgeführt (BMAS, 2023c).
Bildung für Berater*innen
Ausgebildet werden die Berater*innen durch die Fachstelle Teilhabeberatung (FTB), bei der Trainer*innen zur Ausbildung eingesetzt werden die selbst mit Behinderung leben. Vermittelt werden Fach-, Methoden- und sozial- emotionale Kompetenzen, aktuell wird über eine Erweiterung der Lerninhalte diskutiert, wie beispielsweise kaufmännische Inhalte und Wissen über Diversity (BMAS, 2023d).
Fazit
Das Konzept des Peer Counseling und die Institution EUTB® tragen meiner Meinung nach maßgeblich zur Befähigung und Teilhabe von Menschen mit Behinderung bei. Die Möglichkeit sich mit Menschen auszutauschen die die gleichen Probleme und Herausforderungen gemeistert haben, ist eine besondere Ressource die Menschen mit Behinderung und ihre Angehörigen nutzen können, um sich beispielsweise bei Antragen einen besseren Überblick zu verschaffen. Für die Berater*innen wäre es gut, das Schulungskonzept weiterauszubauen und auch reflektierenden Aspekte einzubauen, um eine Form der Psychohygiene zu bieten. Solche Maßnahmen sind notwendig, um für Berater*innen das bestmögliche Maß an Distanz zu den Problemen der Ratsuchenden zu gewährleisten. Aktuell wird nach Lösungsansätzen gesucht, damit auch Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen von dem Angebot profitieren können (EUTB, 2024c). Das zeigt das die EUTB® eine sich entwickelnde und lebendige Institution ist und berechtigter Weise in den Regelbetreib übergegangen ist und weiter finanziert wird.
Literaturverzeichnis
Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung (2024).Die UN- Behindertenrechtskonvention. Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderung. Artikel 26. In https://www.behindertenbeauftragter.de/SharedDocs/Downloads/DE/AS/PublikationenErklaerungen/Broschuere_UNKonvention_KK.pdf?__blob=publicationFile&v=8, abgerufen am 23.10.2024.
Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2023a). Evaluation der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung, Zusammenfassung, S. 19. In https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/Forschungsberichte/fb-620-evaluation-der-eutb.pdf?__blob=publicationFile&v=3, abgerufen am 23.09.2024.
Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2023b). Evaluation der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung, Zusammenfassung, S. 19. In https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/Forschungsberichte/fb-620-evaluation-der-eutb.pdf?__blob=publicationFile&v=3, abgerufen am 23.09.2024.
Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2023c). Evaluation der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung, Zusammenfassung, S. 19 u. 23. In https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/Forschungsberichte/fb-620-evaluation-der-eutb.pdf?__blob=publicationFile&v=3, abgerufen am 23.09.2024.
Deutsches Institut für Menschenrechte (2024). Monitoring- Stelle der UN- Behindertenkonvention. Die UN- Behindertenrechtskonvention. In https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/das-institut/monitoring-stelle-un-brk/die-un-brk, abgerufen am 23.10.24.
Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (2024a). Peer Counseling. In https://www.teilhabeberatung.de/woerterbuch/peer-counseling, abgerufen am 23.10.2024.
Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (2024b). Peer Counseling. Besonderheiten des Peer Counseling für Menschen mit Behinderung. In https://www.teilhabeberatung.de/woerterbuch/peer-counseling, abgerufen am 23.102024.
Ergänzende Unabhängige Teilhabeberatung (2024c). Peer Counseling. Welche Möglichkeiten und Grenzen von Peer Counseling gibt es? In https://www.teilhabeberatung.de/woerterbuch/peer-counseling, abgerufen am 23.102024.
Hofmann, A. (2020), Peer Counseling: Beratung auf Augenhöhe mit viel gesellschaftlichem Potenzial. In https://www.rehacare.de/de/Media_News/Archiv/Themen_des_Monats/2020/Februar_2020_Empowerment_auf_Augenh%C3%B6he_%E2%80%93_Peer-Beratung/Peer_Counseling_Beratung_auf_Augenh%C3%B6he_mit_viel_gesellschaftlichem_Potenzial, abgerufen am 23.10.2024.
REHADAT (2024). Lexikon zur beruflichen Teilhabe: Bundesteilhabegesetz (BTHG). In https://www.rehadat.de/lexikon/Lex-Bundesteilhabegesetz-BTHG/, abgerufen am 23.10.2024.
Titelbildquelle
[geralt, 2019], hands-4612926.jpg unter Inhaltslizenz über https://pixabay.com/de/illustrations/hände-antwort-beratung-4612926/ , abgerufen am 24.10.2024.
Nutzungsbedingungen unter https://pixabay.com/service/terms/, abgerufen am 24.10.2024.