By Published On: 30. August 2024Categories: Kommunikation

Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in einem Café und beobachten die Interaktionen um Sie herum. Am Nebentisch diskutiert ein Mann mit seiner Frau. Der Mann spricht in einem genervten Ton. Die Frau antwortet patzig. Diese alltäglichen Szenen sind nicht nur zufällige Momente, sondern bieten tiefe Einblicke in die Kommunikationsmuster, die Eric Berne mit seiner Transaktionsanalyse beschreibt. Was wäre, wenn Sie die Dynamiken alltäglicher Interaktion besser verstehen und positiv beeinflussen, könnten? Genau hier setzt die Transaktionsanalyse an. Diese Methode ermöglicht es, die oft unsichtbaren Muster der Kommunikation und des Verhaltens zu erkennen und zu verändern. In diesem Beitrag werden wir untersuchen, was Ich-Zustände und Transaktionen sind und entdecken, wie diese Erkenntnisse uns in der Beziehung zu uns selbst und anderen helfen können. 

Abbildung 1: Die Ich-Zustände
Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Berne (2022),
S. 29-32

Was ist die Transaktionsanalyse? 

Die Transaktionsanalyse (TA) ist ein psychologisches Modell, das in den 1950er Jahren von Eric Berne entwickelt wurde. Sie bietet eine Methode zur Analyse und Verbesserung der Kommunikation und zwischenmenschlichen Beziehungen. Ihre Grundlage bildet die Strukturanalyse, die sich auf die Untersuchung von Ich-Zuständen und deren Einfluss auf unsere Persönlichkeit und unser Verhalten konzentriert. Diese Ich-Zustände, die als die verschiedenen Modi beschrieben werden, in denen ein Mensch sich befindet, sind das bei Berne das Kind-Ich, das Eltern-Ich und das Erwachsenen-Ich: 

  • Das Kind-Ich (K-Ich) enthält alle Verhaltensmuster, Emotionen und Denkweisen, die wir als Kinder erlebt haben. Es kann in drei Unterkategorien aufgeteilt werden: freies Kind (spontan und kreativ), angepasstes Kind (gehorsam und konform) und rebellisches Kind (widerspenstig und trotzig) 
  • Das Eltern-Ich (EL-Ich) repräsentiert das Verhalten, die Denk- und Gefühlsmuster, die wir von unseren Eltern oder anderen Autoritätsfiguren übernommen haben. Es kann fürsorglich (nährend) oder kontrollierend (kritisch) sein. 
  • Das Erwachsenen-Ich (ER-Ich) ist geprägt von rationalem und objektivem Denken. Hier agieren wir logisch, analysieren Situationen und treffen Entscheidungen auf der Basis von Fakten, ohne emotionale Einflüsse (Berne, 2022, S. 29-32; Schumacher, 2017, S. 6-12). 

Nach Berne existieren in jedem Menschen diese drei verschiedenen Ich-Zustände, die je nach Situation und Kontext gewechselt werden können. 

Die Transaktionsanalyse basiert nun auf der Idee, dass unsere Interaktionen in sozialen Kontexten oft nach wiederkehrenden Mustern ablaufen, die auf diesen tief verwurzelten, psychologischen Zuständen basieren (Caspar, 2022; Stewart & Joines, 2023, S. 19-24). 

Abbildung 2: Arten von Transaktionen
Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Schlegel (2011), S. 168-170)

Arten von Transaktionen

In der TA wird untersucht, welcher Ich- Zustand einen Stimulus (Transaktions-Stimulus) ausgelöst hat und welcher Zustand darauf reagiert (Transaktions-Reaktion). Diese Analysen helfen, die Qualität und den Verlauf von Interaktionen zu verstehen und zu verbessern (Berne, 2022, S. 37-38; Schumacher, 2016, S. 3). 

Unterschieden wird zwischen verschiedenen Transaktionsmuster, die sich in ihrer Dynamik und ihren Auswirkungen auf die Kommunikation unterscheiden: 

  • Komplementäre Transaktionen verlaufen parallel und im Einklang der Ich-Zustände. Sie folgen sozialen Konventionen und führen oft zu Zufriedenheit bei den Beteiligten. Besonders förderlich für den Informationsaustausch und sachliche Argumentationen sind diese Transaktionen im Erwachsenen-Ich. Solange der komplementäre Charakter beibehalten wird, kann die Kommunikation unbegrenzt fortgesetzt werden. 
  • Bei Überkreuz-Transaktionen verläuft der Stimulus auf einer anderen Ebene als die Reaktion, was oft zu Kommunikationsabbrüchen und starken Emotionen führt. Ein Gespräch kann nur weitergehen, wenn die Beteiligten ihren Ich-Zustand wechseln oder das Thema ändern. 
  • Verdeckte Transaktionen wirken auf den ersten Blick einfach, sind aber doppeldeutig und können zu Unsicherheiten und Missverständnissen führen. Es gibt zwei Haupttypen: An Duplex-Transaktionen sind vier Ich-Zustände beteiligt. Vordergründig erfolgt der Austausch z.B. von ER zu ER, hintergründig jedoch von K zu K. Angulär-Transaktionen bestehen aus drei Ich-Zustände. Hier wird die  Botschaft z.B. vordergründig an das ER und hintergründig an das K gesendet (Schlegel, 2011, S. 168-170). 

Wie kann die Transaktionsanalyse uns helfen? 

Die Transaktionsanalyse bietet mit ihrer Erklärung von Ich-Zuständen und Transaktionen umfassende Werkzeuge, die sowohl für die persönliche Entwicklung als auch für die Verbesserung zwischenmenschlicher Beziehungen wertvoll sind.

Persönliche Entwicklung

Die TA fördert Selbstbewusstsein und Eigenverantwortlichkeit, indem sie hilft, vergangene Erlebnisse zu bearbeiten und Ressourcen zu aktivieren. Durch die Analyse von Ich-Zuständen und deren Einflüsse auf unser Verhalten können wir uns selbst besser verstehen und reflektieren. Diese Selbstreflexion führt zu autonomem Denken, Fühlen und Handeln, wodurch wir uns selbst treuer bleiben und uns entsprechend unserer wahren Identität verhalten können. Fragen wie „Wer bin ich?“, „Wie beeinflussen meine Muster aus der Vergangenheit mein aktuelles Denken, Fühlen und Verhalten?“ und „Wie möchte ich mein Verhalten und meine Beziehungsmuster verändern?“ unterstützen diesen Prozess der Selbstentdeckung und -entwicklung (Sejkora & Schulze, 2023, S. 122-134). 

Verbesserung zwischenmenschlicher Beziehungen

Die TA ermöglicht es weiter, die Dynamik in unseren Beziehungen zu durchleuchten und zu verbessern. Durch die Analyse der Transaktionen können wir erkennen, aus welchen Ich-Zuständen wir und unsere Gesprächspartner kommunizieren. Dies hilft, Missverständnisse zu vermeiden und Konflikte konstruktiv zu lösen. Indem wir verstehen, wie unsere Kommunikation durch die Ich-Zustände geprägt wird, können wir bewusster interagieren und effektiver auf die Bedürfnisse unseres Gegenübers eingehen. Dies fördert Empathie und Verständnis, was zu harmonischeren und stärkeren Beziehungen führt. Die TA lehrt uns auch, wie wir Konflikte durch die Erkennung und Anpassung von Überkreuz-Transaktionen – die oft zu Missverständnissen und emotionalen Reaktionen führen – vermeiden können ​​(Korpiun, 2023, S. 155-169).

Wo findet die Transaktionsanalyse bereits Anwendung?

Die Transaktionsanalyse hat sich aufgrund der genannten Vorteile in vielen Bereichen als wertvolles Werkzeug etabliert. In der Pädagogik und Erziehung wenden Lehrer und Erzieher die Prinzipien der TA an, um die Kommunikation mit Schülern und Eltern zu verbessern (Scheurenbrand & Aich, 2022). In der Geschäftswelt und in Organisationen wird die TA eingesetzt, um die Teamdynamik zu verbessern, Konflikte zu lösen und die Führungsqualität zu steigern. Führungskräfte nutzen die TA, um ihre Kommunikationsfähigkeiten zu verbessern, Mitarbeiter zu motivieren und ein produktives Arbeitsumfeld zu fördern. Workshops und Schulungen zur TA sind in vielen Unternehmen ein fester Bestandteil der Personalentwicklung (Baller & Schaller, 2016, S. 58-60). Auch in der Psychotherapie, im Coaching und Mentoring findet die TA Anwendung. Sie hilft Klienten, ihre Kommunikationsmuster und Ich-Zustände zu verstehen und dysfunktionale Muster zu verändern (Dehner, 2009, S. 302-309).

Fazit und Ausblick

Die Transaktionsanalyse bietet ein umfassendes und praktisches Konzept zur Analyse und Verbesserung unserer Kommunikation. Durch das Verständnis der verschiedenen Ich-Zustände und der dynamischen Transaktionsmuster können wir bewusster und effektiver interagieren. Ob in persönlichen Beziehungen, am Arbeitsplatz oder in sozialen Kontexten: Die Anwendung der Prinzipien der Transaktionsanalyse hilft uns, Missverständnisse zu vermeiden, Konflikte zu lösen und authentische, respektvolle Kommunikation zu fördern.

Die Zukunft der Kommunikation liegt in der reflektierten Anwendung von Modellen wie der Transaktionsanalyse. Virtuelle Trainings, Online-Kurse und interaktive Apps könnten helfen, die Prinzipien der TA einem breiteren Publikum zugänglich zu machen und die Qualität der Kommunikation in der digitalen Ära zu verbessern.

Letztendlich bietet die Transaktionsanalyse nicht nur eine Methode zur Verbesserung der Kommunikation, sondern auch einen Weg zu persönlichem Wachstum und zwischenmenschlichem Verständnis. 

Literatur

Baller, G., & Schaller, B. (2016). Kommunikation im Krankenhaus: Erfolgreich kommunizieren mit Patienten, Arztkollegen und Klinikpersonal (1st ed.). Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-642-55326-4 

Berne, M. E. (2022). Spiele der Erwachsenen: Psychologie der menschlichen Beziehungen. Rowohlt Verlag GmbH. 

Caspar, F. (2022, November 25). Transaktionsanalyse. In M. A. Wirtz (Hrsg.): Dorsch Lexikon der Psychologie. Bern: Hogrefe. Retrieved from: https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/transaktionsanalyse

Dehner, U. (2009). Transaktionsanalyse im Coaching. In: Birgmeier, B. (eds) Coachingwissen. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91766-5_19

Positive Transaktionsanalyse: Scham und Freude als Triebfedern des Skripts. (2021). ZTA Zeitschrift für Transaktionsanalyse, 4, 310–346. https://doi.org/10.3262/zta2104310

Korpiun, M. (2023). Beziehungsorientierung als Handlungsperspektive der Persönlichkeits-, Team- und Organisationsentwicklung. In: Zeitschrift für Transaktionsanalyse ZTA. Beltz Juventa | ZTA | 40. Jg. | 2/2023 

Scheurenbrand, C. & Aich, G. (2022). Transaktionsanalyse in der Lehramtsausbildung. ZTA Zeitschrift für Transaktionsanalyse, 2, 103–122. https://doi.org/10.3262/zta2202103

Schlegel, L. (2011). Die Transaktionale Analyse. Deutschschweizer Gesellschaft für Transaktionsanalyse. 

Schumacher, O. (2016). Verkaufen auf Augenhöhe: Wertschätzend kommunizieren und Kunden nachhaltig überzeugen – ein Workbook (3rd ed.). Springer Fachmedien. 

Sejkora, K.; Schulze, H. (2023). Identität und Ich-Psychologie in der Positiven Transaktionsanalyse. In: Zeitschrift für Transaktionsanalyse ZTA. Beltz Juventa | ZTA | 40. Jg. | 2/2023 

Stewart, I., & Joines, V. (2023). Die Transaktionsanalyse: Eine Einführung in die TA. Verlag Herder. 

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Die Ich-Zustände; Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Berne (2022), S. 29-32

Abbildung 2: Arten von Transaktionen; Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Schlegel (2011), S. 168-170

Titelbildquelle

Foto von Vicki Hamilton (2024) auf Pixabay. Abgerufen am 13.08.2024. https://pixabay.com/illustrations/meeting-conversation-communication-8817513/

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