Tiergestützte Interventionen werden schon seit längerem in der Heilpädagogik und zur Therapie psychischer Erkrankungen eingesetzt. Delphintherapie ist eine anerkannte Therapieform, auch der Einsatz von tiergestützter Pädagogik in Schulen findet immer häufiger statt, dabei kann gesagt werden, dass mittels tiergestützter Pädagogik die Lehr- und Lernbedingungen, das Wohlbefinden und die Beziehungsgestaltung von Lernenden untereinander wie auch zwischen Lehrperson und Lernenden, verbessert werden kann (Mombeck, 2022, S. 237).
Werden bei tiergestützter Pädagogik mit Kindern oft Hunde eingesetzt, gibt es im Führungskräftetraining schon länger die Entwicklung hin zum Coaching mit Pferden. Es gibt aber auch eine Zunahme von pferdegestützten Teamcoachings und Seminaren für Gruppen, besonders für Arbeitsteams. Zwei Faktoren unterstützen dabei den Erfolg solcher Coachings: Pferde haben als Fluchttiere sehr sensibel ausgebildete Sinne: sie können menschliche Emotionen lesen und zwischen echten und vorgetäuschten Affekten unterscheiden: Zeigt ein Sprecher ein inkongruentes Verhalten zu dem emotionalen Ausdruck seiner Stimme, reagieren Pferde signifikant schneller, als wenn die beiden Stimuli kongruent auftreten. Dies legt nahe, dass eine Erwartungsverletzung auftritt, wenn der auditive Stimulus einen anderen emotionalen Wert als der visuelle hat, und das Pferde in der Lage sind, menschliche Emotionen anhand der Gesichtsausdrücke zu erkennen (Nakamura, Takimoto-Inose & Hasegawa, 2018, S. 5). Zusätzlich geben Pferde ein direktes Feedback auf das Verhalten der Teilnehmenden: Sie zeigen ein breites Spektrum an Aktionen und Reaktionen nonverbaler Art, die sich dem Kontext entsprechend sekundenschnell verändern können. Eine Person, die auf den ersten Blick offen und souverän wirkt, ist innerlich möglicherweise ganz unsicher und das Pferd folgt nicht oder geht nicht mit über eine knisternde Plastikplane (Schütz, 2022, S. 21). Zusätzlich fühlen sich Teilnehmende in Coaching Situationen mit Pferden wohler, als in Coaching Situationen, die nicht tiergestützt sind: pferdegestützte Coachings haben positive Auswirkungen auf die Affekte der Klienten (Schütz & Schmitz, 2021, S. 32).
Der Ablauf der Coachings wird dabei abgestimmt auf die speziellen Herausforderungen und Wünsche der Teams: mögliche Themen wären das authentische Führen, eine klare Kommunikation, die Selbst- und Fremdwahrnehmung, das souveräne Auftreten oder auch das Stärken des Vertrauens in sich selbst und das eigene Team (Schütz, 2022, S. 101).
Die Teilnehmenden werden sinnbildlich zu einem Team verbunden indem sie ein Seil halten müssen und bekommen zum Beispiel die Aufgabe, gemeinsam einen Parcours zu erarbeiten und aufzubauen, durch den im Anschluss das Pferd geführt werden soll. Dabei muss das Pferd dem Führenden vertrauen, um zum Beispiel über eine ungewohnt knisternde Plastikplane zu gehen. Diese Übungen thematisieren die Kommunikation dem Pferd gegenüber und das souveräne Führen, einschließlich des Vermittelns von Vertrauen (Schütz, 2022, S. 118). Pferde reagieren direkt auf verändertes Verhalten und bilden so einen perfekten Trainingspartner für die Teilnehmenden: Wenn eine Person wütend oder ängstlich ist, oder sich ihrer Wirkung auf andere nicht bewusst, kann sie mit Hilfe von Pferden lernen. Dabei kann die Person Werkzeuge oder Ressourcen erlernen, um ihren emotionalen Zustand zu verändern. Wenn dies geschieht, reagieren Pferde sofort positiv auf die menschliche Veränderung, ohne zu beurteilen, dass der Mensch vor ein paar Minuten oder letzte Woche anders war (Gehrke, 2009, S. 232).
Für eine spätere gemeinsame Analyse wird das Training auf Video aufgezeichnet, so dass alle Teilnehmenden sich selbst noch mal reflektieren können, bevor der Ablauf gemeinsam analysiert wird und mögliche Verbesserungen besprochen werden.
Durch die Fähigkeiten der Trainingspferde, kongruent auf Emotionen der Teilnehmenden zu reagieren liegt der Kernpunkt dieser Trainings häufig auf der Differenz von Selbst- und Fremdwahrnehmung: „Die Außenwirkung wird über das Spiegeln des menschlichen Verhaltens durch das Pferd, durch das Feedback des Coaches und möglicher weiterer anwesender Personen sowie im Anschluss an die Pferd-Mensch-Interaktion in der Videoanalyse aufgegriffen“ (Schütz, 2022, S. 106).
Fazit:
Das schon bestehende Angebot von Teamcoachings wird sinnvoll erweitert durch pferdegestützte Seminare. Pferde sind in der Lage, menschliche Emotionen zu lesen und reagieren unbestechlich und kongruent auf das, was die Teilnehmenden ausstrahlen, ohne sich täuschen zu lassen. Die zusätzliche Ebene der Videoanalyse hilft den Teilnehmenden zu erfahren, ob Selbst- und Fremdwahrnehmung kongruent sind.
Als letzter Punkt soll nicht unerwähnt bleiben, dass diese Art von Teamcoaching auch große Freude macht und häufig viel länger erinnert wird, als Trainings, die nur im Seminarraum stattfinden.
Literatur:
Gehrke, E. K. (2009). Developing Coherent Leadership in Partnership with Horses. A New Approach to Leadership Training, 2 (1). Verfügbar unter: https://5y1.org/download/11b0ef9f0385ffb689c66a85e80c4605.pdf#page=227
Mombeck, M. M. (2022). Tiergestützte Pädagogik – soziale Teilhabe – inklusive Prozesse. Der Einsatz von Schulhunden aus wissenschaftlicher Perspektive (Research). Wiesbaden.
Nakamura, K., Takimoto-Inose, A. & Hasegawa, T. (2018). Cross-modal perception of human emotion in domestic horses (Equus caballus). Scientific Reports, 8(1). https://doi.org/10.1038/s41598-018-26892-6
Schütz, K. (2022). Pferdegestütztes Coaching – psychologisch basiert und wissenschaftlich fundiert. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-64510-9
Schütz, K. & Schmitz, J. (2021). Positive and Negative Affects in Horse-assisted Coachings. Coaching | Theorie & Praxis, 7(1), 25–33. https://doi.org/10.1365/s40896-021-00052-6
Bildquelle: Barbara Olsen über Pexels (https://www.pexels.com/de-de/foto/frau-tier-haustier-bauernhof-7882355/)