Je länger eine intensivmedizinische Therapie dauert, desto höher ist die Gefahr ein Post Intensive Care Syndrom (PICS) zu entwickeln. Ein Großteil der auf Intensivstation (ITS) behandelten Patient*innen zeigen noch Monate danach Symptome wie Panikattacken, Depressionen, Herzrasen und tragen ein psychisches Trauma davon (Myhren et al., 2010, S.1-2). Identisch ist es dem Posttraumatischen Belastungssyndrom. Es umfasst ebenfalls mehrere Symptome, die besonders bei Patient*innen nach Langzeitbeatmung auftreten.
Definition PICS
Das Post Intensive Care Syndrom (PICS) ist ein neurologisch heterogener Schädigungskomplex. Es fasst bleibende Einschränkungen der kognitiven, psychischen und physischen Gesundheit, sowie der gesundheitsbezogenen Lebensqualität zusammen, die den Krankenhausaufenthalt überdauern. Laut der allgemeinen Definition muss mindestens eine oder mehrere der drei Funktionsebenen beeinträchtigt sein. Zu den kognitiven Beeinträchtigungen werden Probleme bei der visuell-räumlichen Wahrnehmung, Aufmerksamkeits-, Gedächtnisleistung und das Delir gezählt. Merkmale der psychischen Beeinträchtigung sind Angststörungen, Depressionen und die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Unter den physischen Einschränkungen werden neuromuskuläre Funktionseinschränkungen als Intensive Care Unit Acquired Weakness (ICUAW) zusammengefasst. Meistens betreffen diese die Atmung, das Schlucken, sowie die Autonomie im alltäglichen Leben (Schäfer, 2023).
Neuer Fokus durch COVID-19
Als einen vermutlich positiven Nebeneffekt der Corona-Pandemie kann man die wachsende Aufmerksamkeit zum Thema PICS sehen. Bisher ist das PICS noch wenig erforscht und in der Fachwelt unbekannt. Dieser Sachverhalt kann sich aber demnächst ändern. Das Thema Posttraumatische Belastungsstörung gewinnt zunehmend an Bedeutung aufgrund der vielen COVID-19-Patientinnen und Patienten. Es bestehen bereits gemeinsame Studien an der Berliner Charité und LMU München. In diesen Studien werden versucht neue Behandlungsangebote und Ansätze zu entwickeln, um das Trauma zu überwinden.
Präventionsmaßnahmen
Es existieren bereits Daten, dass Intensivtagebücher sich als förderlich erweisen. In den Intensivtagebüchern können die Pflegenden und Angehörige die Entwicklung und Ereignisse niederschreiben und der Patient kann später die diffusen Erinnerungen einordnen. Eine frühzeitige Einbindung von Physiotherapeuten zur Verhinderung von dramatischen Muskelabbau hat eine hohe Relevanz (Dr. Schmidt, K., 2021, S. 13). Da das Erleben von Schmerzen einen signifikanten Risikofaktor darstellt, sollte frühzeitig mit dem Schmerzmanagement begonnen werden. Es wird auch versucht, Intensivstationen freundlicher und weniger traumatisierend zu gestalten. Dazu werden technische Geräte etwas weniger sichtbar für Patient*innen „versteckt“ und angenehme Lichtinstallationen an den Zimmerdecken erstellt. In der Charité werden bereits Zimmer erprobt, um eine möglichst angstfreie und angenehme Atmosphäre zu schaffen. Es beinhaltet einen Lichthimmel. Durch dieses biodynamische Licht soll einerseits ein Schlaf-Wach-Rhythmus geschaffen, andererseits auch für Geborgenheit gesorgt werden.Auch die typischen Klinikgeräusche wie Alarme oder Piepen der Perfusoren oder Beatmungsgeräte sollen reduziert werden. Alarmgeräusche sind nicht mehr direkt im Zimmer hörbar und können damit den Patienten und die Angehörigen nicht mehr beunruhigen (Spies, 2018). Ebenso wäre ein frühzeitiges Einbinden von Psychologen und Psychologinnen förderlich.
Fazit mit Ausblick
Das intensivmedizinische Setting stellt eine unabdingbare Situation dar, die das Überleben sichern soll. Aufgrund dessen sind die Risikofaktoren eines PICS unvermeidbar. Aufgrund des bisher noch wenig erforschten Feldes und fehlenden Standards, geht ein reduzierter Vergleich von Ergebnissen einher (wie z.B. verschiedene Sedierungspraktiken). Ebenso einschränkend sind die fehlenden Daten in der Pflegewissenschaft (Rosenthal, T. & Özlü, I., 2021, S.10). Es wird zukünftig noch mehr geforscht werden müssen um dieses Krankheitsbild ausreichend zu erfassen. Eine weitere relevante Bedeutung wird der häuslichen Betreuung beigepflichtet. Normalerweise treten Symptome einer PTBS erst ca. 6 Monate nach einem traumatischen Erlebnis auf. Zu dieser Zeit befinden sich die Betroffenen zumeist schon im häuslichen Umfeld. Somit wird ein aktives Ansprechen auf posttraumatische Beschwerden empfohlen. Eine fehlende oder verzögerte Diagnosestellung verschiebt den Beginn einer adäquaten Therapie.
Bildnachweis
Literaturverzeichnis
Dr. Schmidt, Konrad (2021). „Das Wissen um PICS setzt sich erst langsam durch“. Pflegeintensiv. Fachzeitschrift für Intensiv-, Anästhesie- und OP-Pflege. 18.Jahrgang, S.12-15. ISSN 1612-8664
Langgartner, J. (2022). Langzeitfolgen nach Intensivtherapie. In: Marx, G., Muhl, E., Zacharowski, K., Zeuzem, S. (eds) Die Intensivmedizin. Springer Reference Medizin. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-54675-4_18-2
Myhren, H., Ekeberg, Ø., Tøien, K., Karlsson, S., & Stokland, O. (2010). Posttraumatic stress, anxiety and depression symptoms in patients during the first year post intensive care unit discharge. Critical Care, 14(1), R14.doi:10.1186/cc8870
Rosenthal, T. & Özlü, Prof. Dr. Ismail, (2021). Traumafolgestörung reduzieren. Pflegeintensiv. Fachzeitschrift für Intensiv-, Anästhesie- und OP-Pflege. 18.Jahrgang, S.5-11. ISSN 1612-8664
Schäfer, A. (2023) PICS-ein komplexes Syndrom. Abgerufen am 29.12.2023, auf https://www.bibliomed-pflege.de/sp/artikel/48004-pics-ein-komplexes-syndrom
Univ.-Prof. Dr. med. Claudia Spies (2018). Lichtdesign auf Intensivstation.Abgerufen am 03.01.2024, um 17.25 Uhr, auf https://anaesthesieintensivmedizin.charite.de/metas/meldung/artikel/detail/lichtdesign_auf_intensivstationen/