Wie schnell digitale Technologien unseren Alltag verändern, lässt sich gut am Beispiel von zwei Ereignissen, die sich in der Vatikanstadt ereigneten, verdeutlichen. Am 04. April 2005 wurde der Leichnam des verstorbenen Johannes Paul II. über den Petersplatz in den Petersdom gebracht, um dort aufgebahrt zu werden. Wie bei vielen anderen bedeutenden Ereignissen, sind auch hier die Straßen voller Menschen (siehe Abbildung 1).
Auch als am 13. März 2013 ein Nachfolger für den zurückgetretenen Papst Benedikt XVI gewählt wird, finden sich viele Menschen auf den Straßen in der Vatikanstadt ein (siehe Abbildung 2). Der wesentliche Unterschied fällt sofort auf: Die erst wenige Jahre zuvor entwickelten Smartphones (Das iPhone wurde z.B. im Jahr 2007 präsentiert) und Tablets prägen das Bild.
Die schnelle voranschreitende Digitalisierung betrifft nicht nur Privatpersonen, sondern sie hat natürlich auch weitreichende Auswirkungen auf die Unternehmen und die Führungskräfte. Die Studie Digital Work Design – Turning Risks into Chances der Technischen Universität München, die durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wurde, bestätigte wenig überraschend, dass Remote Leadership immer bedeutender wird. Schließlich werden die Unternehmen immer internationaler, so dass vermehrt virtuelle Teams gebildet werden, die über den ganzen Globus verteilt sind (Schwarzmüller, Brosi & Welpe, 2017, S. 622).
Teams
Für Teams gibt es viele unterschiedliche Definitionen. Allen gemein ist jedoch, dass sie ein Team als einen arbeitsbedingten Zusammenschluss verschiedener Personen betrachten, die miteinander interagieren und auf ein Ziel hinarbeiten:
„Ein Team ist eine Kleingruppe, die eine von einer übergeordneten Organisation vorgegebene Aufgabe verfolgt, zu deren Erfüllung von den Mitgliedern fachlich unterschiedliche, sich jedoch ergänzende Interaktionen erfordert werden.“
(Gfrörer, 2007, S. 32)
„Wenn wir in diesem Werk von ‚Team‘ sprechen, dann meinen wir damit Arbeitsteams, das sind natürlich auch Gruppen, aber ganz spezifische. Solche nämlich, deren Mitglieder tagtäglich zusammenarbeiten (sollten).“
(Harramach, Veličković & Köttritsch, 2021. S. 6)
„Die Wortbedeutung des aus dem Englischen entliehenden Ausdrucks ‚Team‘ lässt sich auf ‚Tierkoppel, Gespann‘ zurückführen. Im übertragenen Sinne ist damit umgangssprachlich der arbeitsbedingte Zusammenschluss mehrerer Personen zu einer Mannschaft, die effektiv, harmonisch und Hand in Hand arbeitende Gruppe gemeint.“
(Kühne, 2011, S. 44)
Auf dem Weg zu einem funktionierenden Team durchläuft ein Team i.d.R. verschiedene Phasen, die ursprünglich von Tuckman beschrieben wurden (siehe Abbildung 3). Insgesamt lassen sich fünf verschiedene Phasen unterscheiden:
- Forming: Diese Phase ist gekennzeichnet von Unsicherheit, da die Teammitglieder sich erstmalig zusammenfinden. Die Ziele und erste Regeln werden definiert.
- Storming: Diese Phase ist geprägt von Konflikten und Spannungen, da die Rollen und Verantwortlichkeiten geklärt werden müssen.
- Norming: Da nun alle Unstimmigkeiten geklärt sind, entwickelt sich im Team langsam ein Wir-Gefühl. Die Regeln der Zusammenarbeit sind geklärt, die Arbeitsfähigkeit des Teams steigt.
- Performing: Das Erreichen der Ziele steht nun im Vordergrund, was nun von allen Teammitgliedern entschlossen verfolgt wird. Das Team zeichnet sich durch eine hohe Selbstorganisation aus.
- Adjourning (Optional): Manche Teams sind nur als temporäre Teams konzipiert, z.B. Projektteams. Diese Phase kennzeichnet die Auflösung des Teams.
Remote Leadership
Digitale Technologien haben jedoch dazu geführt, dass Teams immer weniger physisch zusammenkommen, sondern sie sind oftmals über verschiedene Lokationen verteilt und arbeiten virtuell zusammen. Die Führung solch virtuellen Teams wird auch als Remote Leadership oder Führung auf Distanz bezeichnet. Exemplarisch dafür sind folgende Definitionen zu sehen:
„Virtuelle Führung beschreibt Führungssituationen, bei welcher die Führungskraft mit einem oder mehreren Mitarbeitern vornehmlich über Kommunikationsmedien interagiert. Dies entsteht meist dadurch, dass die Führungskraft und ihre Mitarbeiter an unterschiedlichen Standorten oder zu verschiedenen Zeiten arbeiten.“
(Helmold, 2022, S. 298)
„…geht es hier doch um die Führung realer Mitarbeiter mit Hilfe von modernen IuK bzw. sozialen Medien.“
(Rybnikova & Lang, 2021, S. 389)
„Beim Führen auf Distanz verändern sich nicht grundsätzlich die Aufgaben und das Anforderungsprofil der Führungskräfte, ihre Umsetzung und Gewichtung unterliegen jedoch anderen Bedingungen als bei der Führung von Angesicht zu Angesicht.“
(Rump & Eilers, 2022, S. 216)
Ausgehend von diesen Definitionen kann festgehalten werden, dass die Führungsaufgaben sich nicht grundsätzlich verändern. Als Kernaufgabe kann nach wie vor die Führung der Mitarbeiter festgehalten werden. Aufgrund der virtuellen Zusammenarbeit findet jedoch kein persönlicher Austausch mehr statt, sondern es muss auf digitale Kommunikationsmöglichkeiten zurückgegriffen werden.
Auswirkungen der Digitalisierung auf die Führung
Ausgehend von den vorherigen Überlegungen lassen sich die folgenden Herausforderungen für die Führungskräfte festhalten, die aus der Kommunikation über digitale Medien resultieren (Graf, Rascher & Schmutte, 2020, S. 121-124; Herrmann, Hüneke & Rohrberg, 2012, S. 43):
- Digitale Kommunikationsmedien haben eine Filterwirkung, durch die Wahrnehmung und Kommunikation erschwert wird, z.B. weil die Emotionen des Gegenübers schwerer einzuschätzen sind.
- Die Flut an Informationen über die verschiedenen Kanäle nimmt zu, z.B. durch viele E-Mails.
- Die Teammitglieder kennen sich untereinander oftmals nicht persönlich – auch nicht den Teamleiter.
- Der Teamleiter hat nicht immer alle Informationen über den aktuellen Arbeitstand oder die Perspektiven seiner Teammitglieder vorliegen.
- Die Teammitglieder können einen unterschiedlichen kulturellen Hintergrund vorweisen, da die Teammitglieder global verteilt sind und aus unterschiedlichen Ländern stammen.
Dies führt zu unterschiedlichen Auswirkungen auf die Führung, die in Abbildung 4 abgebildet sind. Diese lassen sich in fünf verschiedene Kategorien einteilen:
- Führungsprinzipien: Hier liegt der Schwerpunkt einer Führungskraft darauf, die eingeschränkten Einflussmöglichkeiten zu erkennen. Der Fokus liegt somit auf Partizipation, die Führung nach Zielen und die Definition geeigneter Arbeitspakete.
- Kommunikation: Da die Kommunikation mediengestützt erfolgt, z.B. über E-Mail, müssen geeignete Kommunikationsregeln, -standards und -formate festgelegt werden. Ziel muss es sein, dass keine Informationen verloren gehen und die relevanten Informationen die richtigen Mitarbeiter erreichen.
- Miteinander: Hier liegt der Fokus einer Führungskraft auf der Schaffung der Rahmenbedingungen für das Miteinander und der Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit, z.B. Verfügbarkeiten.
- Kultur: Die Führungskraft muss zusätzlich für einen angemessenen Umgang im Team und den Aufbau des Wir-Gefühls sorgen – gerade mit Blick auf die mögliche Internationalität eines Teams.
- Personalentwicklung: Darüber hinaus ist die Führungskraft dafür verantwortlich, dass Team weiterzuentwickeln. Dies betrifft im Kontext verteilter Teams u.a. die Medienkompetenzen und die Selbstorganisation.
Fazit
Digitale Technologien verändern unseren Alltag grundlegend und in immer kürzeren Abständen. Dies betrifft insbesondere auch die Arbeitswelt, in der zunehmend auch in virtuellen Teams gearbeitet wird. Auch wenn die Kernaufgabe, das Führen von Teams, unverändert bleibt, so werden dazu nun Kommunikationsmedien nötig. Da der direkte und persönliche Austausch mit den Teammitgliedern entfällt, ergeben sich nun verschiedene Herausforderungen für die Führungskraft, die eine direkte Auswirkung darauf haben, wie die Führung ausgestaltet wird.
Literatur
Gfrörer, R. (2007). Das Operationsteam – Eine Analyse der Verhältnisse der Zusammenarbeit im Operationssaal. Wiesbaden: Deutscher Universitäts-Verlag.
Graf, N., Rascher, S. & Schmutte, A. M. (2020). Teamlead – Führung 4.0: So führen Sie Teams synergetisch zu Höchstleistungen. Wiesbaden: Springer Gabler.
Harramach, R. N.,Veličković, N. & Köttritsch, M. (2021). Noch immer Team – Was von Corona (nicht) blieb. Wiesbaden: Springer.
Helmold, M. (2022). Leadership – Agile, virtuelle und globale Führungskonzepte in Zeiten von neuen Megatrends. Wiesbaden: Springer Gabler.
Herrmann, D., Hüneke, K. & Rohrberg, A. (2012). Führung auf Distanz – Mit virtuellen Teams zum Erfolg (2. Aufl.). Wiesbaden: Springer Gabler.
Kühne, A. (2011). Interkulturelle Teams – Neue Strategien der globalen Zusammenarbeit. Wiesbaden: Gabler.
Neumann, U. (2019). Projektmanagement. In: Lippmann, E., Pfister, A. & Jörg, U. (Hrsg.). Handbuch Angewandte Psychologie für Führungskräfte – Führungskompetenz und Führungswissen (5. Aufl., S. 727-761). Wiesbaden: Springer.
Rump, J. & Eilers, S. (2022). Führen auf Distanz – Neue Führungsrollen treffen auf neue Arbeitsmodelle. In: Rump, J. & Eilers, S. (Hrsg.). Arbeiten in der neuen Normalität – Sieben Trilogien für die neue Arbeitswelt (S. 205-232). Wiesbaden: Springer Gabler.
Rybnikova, I. & Lang, R. (2021). Aktuelle Führungstheorien und –konzepte (2. Aufl.). Wiesbaden: Springer Gabler.
Schulz, B. (2013). Digitale Erleuchtung. Zugriff am 11.11.2022. Verfügbar unter https://www.spiegel.de/panorama/papst-momente-bilder-zeigen-vergleich-zwischen-2005-und-2013-a-889031.html
Schwarzmüller, T., Brosi, P. & Welpe, I. M. (2017). Führung 4.0 – Wie die Digitalisierung Führung verändert. In: Hildebrandt, A. & Landhäußer, W. (Hrsg.). CSR und Digitalisierung. Management-Reihe Corporate Social Responsibility (S. 617-628). Berlin, Heidelberg: Springer Gabler.
Bildquelle
Dahm, M. H. & von Welczeck, L. (2018). Virtuelle Teams zum Erfolg führen. Zugriff am 11.11.2022. Verfügbar unter https://www.humanresourcesmanager.de/leadership/virtuelle-teams-zum-erfolg-fuehren/