Ohne sie würde unsere heutige Welt nicht mehr funktionieren: Schichtarbeit.
Schichtarbeit bedeutet: wechselnde Dienste rund um die Uhr. Schichtarbeit bedeutet: Arbeiten gehen, wenn andere schlafen, Weihnachten zusammen verbringen oder auf das neue Jahr anstoßen.
Schichtarbeit ist einerseits elementarer Pfeiler für den Erhalt der Infrastruktur – andererseits bedeutet sie auch eine enorme Belastung für die betroffenen Arbeitnehmer. Die Auswirkungen regelmäßiger Schichtarbeit auf den Körper werden immer umfassender analysiert und erforscht. Dabei bestätigt sich der Verdacht, dass regelmäßige Schichtarbeit eine Belastung für den Organismus darstellen kann.
Wie lässt sich aber die Belastung von Früh-, Spät- oder Nachtschichten bewältigen?
Was empfiehlt die aktuelle Gesundheitsprävention?
Es ist für uns selbstverständlich geworden, dass wir zu jeder Tages- und Nachtzeit Hilfe bekommen und das 365 Tage im Jahr.
Zahlreiche Unternehmen beschäftigen ihre Angestellten mittlerweile rund um die Uhr. Zum einen, weil beispielsweise große Industrieanlagen aus ökonomischer Sicht oft gar nicht mehr abgeschaltet werden können. Auf der anderen Seite würde die gesamte logistische Infrastruktur unserer rasanten, modernen Welt gar nicht mehr anders funktionieren. Einige Beispiele hierfür sind Flughäfen, Tankstellen, Kraftwerke, öffentliche Dienstleister wie Polizei oder medizinische Einrichtungen; sie alle gehören zu den vielen Dienstleistern, auf die wir rund um die Uhr angewiesen sind.
Das bedeutet aber eben auch, dass sie 24 Stunden besetzt sein müssen, obwohl regelmäßige Schichtarbeit längst als potenzieller Auslöser für zahlreiche Krankheiten gilt. Als wäre das nicht genug, erhöht sie auch das persönliche Unfallrisiko und stellt zusätzlich eine Belastung für das Sozialleben dar.
In diesem Beitrag sollen die Risiken von Schichtarbeit – aber vor allem die Möglichkeiten ihnen entgegen zu wirken – aufgezeigt werden.
Schichtarbeit: Ein Leben gegen die Innere Uhr
Dass wir tagsüber wach- und abends müde sind, oder dass wir unter einem so genannten „Jetlag“ leiden, sind alles Dinge, die einem Prinzip zu Grunde liegen, das als unsere „Innere Uhr“ bezeichnet wird.
Das bedeutet, dass jeder Mensch einen individuellen Biorhythmus besitzt. Dass dabei vor allem Schichtarbeit ein Leben gegen diese „Innere Uhr“ bedeutet, steht außer Frage.
Unsere „Innere Uhr“ tickt periodisch im 24 – Stunden Rhythmus. Sie ist fest in unseren Genen verankert und somit kaum beeinflussbar. Für diesen Nachweis erhielten erst dieses Jahr (2017) die amerikanischen Forscher Jeffrey C. Hall, Michael Rosbash und Michel W. Young den Nobelpreis für Medizin und Physiologie. Sie identifizierten genau die molekularen Mechanismen, die man sich bildlich als das Uhrwerk unseres Biorhythmus vorstellen kann.[1]
Dieses – auch zirkadianisches System genannte Uhrwerk – steuert unter anderem alle wichtigen Körperfunktionen wie Herzschlag, Stoffwechsel, Atmung, Verdauung und noch einige mehr.
Beeinflusst wird das zirkadianische System – neben den molekularen Faktoren – sowohl durch endogene Faktoren, wie zum Beispiel den jeweiligen Chronotyp oder auch das Alter. Andererseits spielen exogene Faktoren – wie vor allem das Tageslicht (Tag / Nacht – Wechsel), eine entscheidende Rolle.
Gerät dieses System aus dem Takt, wie beispielsweise durch regelmäßige Schichtarbeit, drohen körperliche und auch psychische Erkrankungen.[2]
Ein Beispiel:
Die Nachtbesatzung eines Rettungswagens wird nach Mitternacht zu einem Notfall alarmiert.
„Schwerer Verkehrsunfall mit Personenschaden“ lautet die Einsatzmeldung.
Während der Biorhythmus der Rettungskräfte den Körperzellen längst signalisiert hat, alle Prozesse auf Schlaf auszurichten, wird der Organismus nun plötzlich mit einer potenziellen Stresssituation konfrontiert.
Folgerichtig wird Adrenalin und Cortisol ausgeschüttet. Während also die Biorhythmus Mechanismen bereits Stoffwechsel, Herzschlag und die Atmung auf Schlaf und Ruhe einstellen, wird dieser Prozess neben dem schichtbedingt fehlenden Schlaf zusätzlich durch Stressoren manipuliert. Hinzu kommen dann noch die körperlichen und kognitiven Herausforderungen, den Verunglückten effizient zu helfen.
Es wird deutlich, wie schnell daraus eine belastende Situation für den Körper entstehen kann.
Wie bereits erwähnt, bestimmt unsere „Innere Uhr“ den Schlaf – Wach Zyklus. Genau dieser wird bei Schichtarbeitern gestört. Das liegt überwiegend an den untypischen Belastungen, die vor allem bei Nachtarbeit entstehen. Der Körper stellt sich auf Schlaf ein, der aber nicht erfolgt. Hinzu kommt, dass der nachgeholte Schlaf am Tag weder die Qualität noch die Quantität des nächtlichen Schlafes erreicht, da er beispielsweise durch den täglichen Lärm gestört wird.
„Eulen“ und „Lerchen“
Erwähnt wurde in diesem Zusammenhang auch die Bedeutung des jeweiligen Chronotyps. Dieser spielt bei Schichtarbeitern eine entscheidende Rolle. Daher empfiehlt es sich, den eigenen Chronotyp zu kennen.
Allgemein wird zwischen so genannten „Eulen“ oder „Lerchen“ Persönlichkeiten unterschieden.
Als Lerchen bezeichnet man die Personen, die früher zu Bett gehen und morgens wiederum früher aufstehen können.
Es fällt ihnen schwer, vor allem nach hinten verzögerten Schlaf auszugleichen und sie besitzen ein höheres Risiko, durch Nachtarbeit Schlafstörungen zu entwickeln.
Die Eulen hingegen kommen morgens schwer aus dem Bett und werden wiederum häufig erst am späten Abend richtig aktiv. Für sie stellen vor allem Frühschichten eine Belastung dar.
Schlafdefizite zeigen sich häufig durch Symptome wie Nervosität, innere Unruhe, Konzentrationsstörungen oder auch vorzeitige Ermüdung. Daraus resultiert häufig ein erhöhtes Unfallrisiko, verringerte Leistungsfähigkeit und eine Art chronische Schläfrigkeit. Häufig fehlt es an der nötigen Energie, um alltägliche Aufgaben auszuführen, geschweige denn sozialen Verpflichtungen nachzugehen. Sozialer Rückzug kann dadurch ebenfalls verstärkt werden.
Menschen, die generell unter Schlafstörungen leiden, besitzen ein noch höheres Risiko, die Schlafstörungen durch regelmäßige Nachtarbeit weiter zu verkomplizieren.[3]
Erschwerend wirkt sich dies auch auf das soziale Umfeld des Arbeitnehmers aus und bildet somit häufig eine weitere Belastungsquelle, nämlich fehlende Zeit durch Wechseldienste und fehlende Energie für gemeinsame Aktivitäten.
Um den Biorhythmus trotz Wechselschichten nicht zu überlasten, empfiehlt es sich, sich bestimmte Regelmäßigkeiten anzueignen. Das bedeutet, je nach Schicht sollten feste Uhrzeiten eingeplant werden, wann man zu Bett geht und wieder aufsteht. Außerdem sollte nach der letzten Nachtschicht ein möglichst kurzer Tagschlaf gewählt werden, damit man abends zu einer normalen Uhrzeit wieder einschlafen kann.
Für das allgemeine Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit, benötigt der Mensch etwa sieben Stunden Schlaf. Kurze „Power naps“ von etwa 20 Minuten können hierbei bereits förderlich sein.[4]
Erhöht Schichtarbeit das Entstehungsrisiko von bestimmten Krankheiten?
Gesundheitsorientierte Schichtarbeit erfordert eine hohe individuelle Organisationsbereitschaft sowohl des Arbeitnehmers – als auch des Arbeitgebers, dies trägt erheblich zu Gesundheitsförderung und der Erhaltung der Gesundheit bei.
Jeder Mensch besitzt unterschiedliche Ressourcen und Strategien, daher ist es schwer, die Auswirkungen von Schichtarbeit zu verallgemeinern. Es sind viele Faktoren, die darüber entscheiden, wie schädlich die Auswirkung von Schichtdienst ausfällt. Vor allem der Biorhythmus selbst scheint dabei tragendes Fundament zu sein, auf dem sich weitere Gesundheitsmerkmale aufbauen.
Als mögliche körperliche Beschwerden sind in Bezug auf Schichtarbeit vor allem häufige gastrointestinale Beschwerden, ausgelöst durch die unter anderem untypische Nahrungsaufnahme in den verschiedenen Schichten und dem dadurch veränderten Essverhalten zu nennen. Die häufigsten Auswirkungen zeigen sich durch Appetitverlust, Verdauungsstörungen, Sodbrennen und Bauchschmerzen. Desweiteren weisen Schichtarbeiter häufig ein erhöhtes Risiko für Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre, Übergewicht, Diabetes Mellitus aber auch das Reizdarmsyndrom auf.[5]
Eine Empfehlung lautet hier, mindestens drei, besser fünf kleine Mahlzeiten pro Tag zu sich nehmen. Als Zwischenmahlzeit eignen sich zum Beispiel Müsli, Joghurt mit Obst oder Nüssen, Brot mit Ei oder Gemüsebeilage oder Salate. Als Hauptmahlzeit werden vor allem Nudeln oder Reis und vor allem Gemüse empfohlen.[6]
Ein weiterer Punkt, der immer wieder diskutiert wird, ist eine steigende Krebsgefahr und kardiovaskuläre Folgen durch Schichtarbeit. Bisher konnten diese zwar nicht validiert werden, ferner ist aber davon auszugehen, dass ihre Entstehung vor allem durch ungesundes Verhalten, wie schichtbedingte Mangelernährung, Mangelbewegung, übermäßiger Alkohol-/ Tabak-/ Drogenkonsum zusätzlich gefördert wird.[7]
Diese Annahmen rücken die Notwendigkeit sportlicher Aktivitäten in den Vordergrund. Zum einen, weil Sport nachweislich Stress und Stoffwechselrückstände abbaut und zum anderen, weil sich Sport positiv auf den Kreislauf auswirkt.
Schichtarbeiter sollten bevorzugt Sportarten wählen, durch die gleichzeitig auch soziale Kontakte aufrechterhalten werden können. Alternativ bietet sich aber natürlich auch regelmäßiges Training in Fitnessstudios an, die häufig mit langen Öffnungszeiten immer die Chance bieten, regelmäßig zu trainieren.
Auch im Alltag gibt es einige kleine Tricks, um den Kreislauf nicht absinken zu lassen. Zum Beispiel die Treppe anstatt den Fahrstuhl wählen, einfache Gymnastikübungen, die jederzeit umsetzbar sind oder gleich mit dem Fahrrad anstatt dem Auto zur Arbeit fahren.[8]
Fazit und Möglichkeiten
Es wird deutlich, dass regelmäßige und vor allem langjährige Schichtarbeit eine Belastung für den Körper darstellt. Dabei ist nicht auszuschließen, dass sie zu physischen und auch psychischen Beeinträchtigung oder sogar Erkrankungen führen kann. Es scheint so, als spiele dabei vor allem der individuelle Biorhythmus eine wichtige Rolle. Wird dieser aus dem Gleichgewicht gebracht, kann der Organismus leichter anfällig für Krankheiten werden.
Des weiteren spielen „Work – Life – Balance“ und spezielle Verhaltensweisen wie zum Beispiel die Ernährung ebenso wichtige Rollen bei der Prävention und Gesundheitsförderung. Langjährige Schichtarbeiter passen sich in der Regel individuell an die Belastung an, allerdings oft ohne Beratung und Trainings und somit häufig falsch und ineffizient, was so zu einer zusätzlichen Bedrohung werden kann. Daher sollten Unternehmen sowohl Verhaltens- als auch Verhältnispräventiv – eine schichtdienstbezogene Gesundheitsförderung umsetzen. Diese beginnt bestenfalls schon bei der Ausbildung und der Einarbeitung von neuen Mitarbeitern, um auf die Risiken von Wechseldiensten aufmerksam zu machen und gleichzeitig diese zu reduzieren.
Denn die gute Nachricht ist: Gefahren der Schichtarbeit für gesundheitliche Beeinträchtigungen können reduziert werden!
Schichtdienst – Prävention und Gesundheitsförderung beginnt bei den Arbeitgebern, die professionelle, berufsspezifische Präventionsmaßnahmen für Arbeitnehmer in ihre Unternehmensgestaltung einfließen lassen sollten.
Genau gesagt bestehen diese Maßnahmen vor allem aus:[9]
Der Schichtplangestaltung:
- Beschäftige sollen bei der Dienstplangestaltung beteiligt werden
- Mitarbeiter – Chronotypen erfassen und berücksichtigen
Aufklärungsarbeit:
- Arbeitsmedizinische Betreuung anbieten
- Gezielt Informationsveranstaltungen bewerben und anbieten
Ermunterung zur aktiven Prävention:
- Betriebssport anbieten/ fördern
- Gesunde Mahlzeiten und Möglichkeiten der Zubereitung vom Betrieb aus anbieten
Es ist also wichtig, dass der Arbeitgeber auf die Gefahren von Schichtarbeit hinweist, gleichzeitig aber auch Lösungsvorschläge bietet. Langfristig kann sich dies auch positiv auf krankheitsbedingte Fehlzeiten der Arbeitnehmer auswirken.
Natürlich sind die Arbeitnehmer aber selbst gefordert, ihre Gesundheit in die Hand zu nehmen, denn ohne ihre Bereitschaft ist eine effektive Umsetzung nicht möglich.
Arbeitnehmer finden vor allem in folgenden Aktivitäten Hilfe:
- Gesunde Ernährung
- Sport
- Angepasstes Schlafverhalten sowie auch eine angepasste Schlafumgebung
- Soziale Kontakte aufrechterhalten
Im Internet finden sich weitere Quellen zur Unterstützung und als Ratgeber für Schichtarbeiter. Vor allem die in den Quellen mehrfach zitierten Flyer der Techniker Krankenkasse wie auch der DGUV sind sehr informativ und aufschlussreich.
Gleichzeitig wird aber auch deutlich, dass es noch weiterer Forschung bedarf, um Schichtarbeit mit der Gesundheitsförderung und dem Gesundheitserhalt besser zu verknüpfen.
Warten Sie also nicht nur inaktiv auf die nächste Nachtschicht, sondern beginnen Sie, der Belastung durch Schichtarbeit aktiv entgegenzuwirken!
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[1] Vgl. Spiegel Online (www.spiegel.de)
[2] Vgl.: DGUV (www.dguv.de)
[3] Vgl.: DGUV (www.dguv.de)
[4] Vgl.: TK (www.tk.de)
[5] Vgl.: DGUV (www.dguv.de)
[6] Vgl.: AOK – Die Gesundheitskasse. (www.gesundheitsmanager.aok.de)
[7] Vgl.: DGUV (www.dguv.de)
[8] Vgl.: Techniker Krankenkasse (www.tk.de)
[9] Vgl.: DGUV (www.dguv.de)
Quellenverzeichnis:
AOK – Die Gesundheitskasse: Rezepte die munter machen. URL: https://gesundheitsmanager.aok.de/gesunde-ernaehrung-fuer-schichtarbeiter-15547.php?CurrentPage=2 (13.11.2017)
DGUV: Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung. Schichtarbeit – Rechtslage, gesundheitliche Risiken und Präventionsmöglichkeiten. URL: http://publikationen.dguv.de/dguv/pdf/10002/iag-schicht-1.2012.pdf (09.11.2017)
Die Techniker Krankenkasse: Wann ist Schicht? Tipps und Empfehlungen für Beschäftigte. URL: https://www.tk.de/centaurus/servlet/contentblob/48800/Datei/504/Schichtarbeit.pdf (09.11.2017)
Spiegel Online. Le Ker, H.: Nobelpreis für Medizin – Wie die innere Uhr tickt. 02.10.2017. URL: http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/nobelpreis-medizin-2017-wie-die-innere-uhr-tickt-a-1170901.html (08.11.2017)
Bildquelle:
Beitragsbild: Pixabay. URL: https://pixabay.com/de/gesicht-frau-maske-halten-zeit-1010206/ (26.11.2017)