Im Jahr 2012 arbeiteten in Deutschland 59,7% (23,8 Millionen) der erwerbstätigen Bevölkerung permanent, regelmäßig oder ab und zu in Wochenend-, Nacht- oder Wechselschichtarbeit. Die wesentlichste Rolle spielt dabei die Wochenendarbeit mit 30,1%. Im Jahr 1991 lag der Anteil der Wochenend-, Nacht- oder Wechselschichtarbeit noch bei 41%.[1] Durch ökonomische und gesellschaftliche Veränderungen sowie aufgrund technologischer, wirtschaftlicher und versorgungstechnischer Gründe werden die Arbeitszeiten der Arbeitnehmer, insbesondere im Gesundheitswesen, im Gastgewerbe, im produzierenden Gewerbe, im Bereich der öffentlichen und privaten Dienstleistungen und im Verkehr, immer weiter in die Abend- und Nachtstunden sowie die Wochenenden ausgedehnt.[2] Die Schichtarbeit wird als eine Form der Tätigkeit mit Arbeit zu wechselnden Zeiten (Wechselschichtsystem) oder konstant ungewöhnlicher Zeit (dauerhafte Schichtsysteme) beschrieben. Um den Arbeitsplatz über die Arbeitszeit des Einzelnen hinaus besetzen zu können, müssen sich mehrere Arbeitnehmer an einem Arbeitsplatz abwechseln. Schichtarbeit erfolgt in der Regel als Früh-, Tages-, Spät- oder Nachtschicht. Diese wiederum treten allgemein als 2- oder 3-Schichtsysteme auf (z. B. 3-Schichtsytem: regelmäßige Abfolge von Früh-, Spät- und Nachtschicht).[3]
Die innere Uhr des Menschen
Von Natur aus ist der Mensch ein tagaktives Lebewesen. Unser Körper ist tagsüber automatisch auf Aktivität und nachts auf Ruhe eingestellt. Der Hell-Dunkel bzw. Tag-Nacht-Rhythmus bestimmt unseren Tagesablauf. Innerhalb unseres circadianen Systems/Rhythmus – entspricht ungefähr einem Tag (vom lateinischen circa = ungefähr und dies = Tag) – werden Herzschlag, Verdauung, Stoffwechsel, Atmung etc. gesteuert und unsere Körperfunktionen der Tageszeit und den damit verbundenen Anforderungen angepasst. Normalerweise findet der Schlaf eines gesunden Menschen innerhalb einer bestimmten Phase dieses Systems statt. Unsere innere Uhr ist angeboren. Sie lässt sich nicht einfach abschalten. Sie bleibt immer gleich und kann lediglich unsere Körperrhythmen mit der aktuellen Umwelt synchronisieren. Daher ist es für den Menschen schwierig, sich an Nacht- und Wechselschichtarbeit anzupassen. Die Folge ist ein Konflikt mit unserem Biorhythmus. Während durch den Schichtplan Aktivität gefordert wird, signalisiert die Umwelt eine Ruhephase. Der Schlaf am Tag muss dann erzwungen werden, obwohl der Körper auf Wachsein eingestellt ist. Der Mensch ist in der Lage selbst zu entscheiden, ob er seine innere Uhr ignorieren und nachts aktiv werden will. Doch der Biorhythmus lässt sich nicht so einfach austricksen.[4] Die Belastung für Wechselschichtarbeiter (vor allem das Arbeiten zu sehr frühen Frühschichten und Nachtschichten) besteht darin, dass sie durch das Arbeiten zu wechselnden Zeiten zeitversetzt zu ihrer inneren Uhr aktiv sein respektive schlafen müssen.[5]
Insbesondere die schnelle Rotation der Frühschichten und die Nachtschichten in einem Schichtsystem führen zu einer Verkürzung der Schlafdauer von zwei bis vier Stunden. Handelt es sich bei der Frühschicht um eine „Fast – Nachtschicht“, welche um 5 Uhr beginnt, müssen manche Arbeitnehmer bereits um 3 Uhr aufstehen. Dadurch wird der Rhythmuswechsel innerhalb der Wechselschicht erschwert. Spätschichten hingegen verlängern die Schlafdauer.[6] Nicht nur die innere Uhr, auch der Alltagslärm hindert den Nachtschichtarbeiter am Ein- und Durchschlafen am Tag. Dadurch ist der Schlaf am Tag störanfälliger, immer wieder von Unterbrechungen bedroht und auch nicht so tief wie der Nachtschlaf. Die dadurch entstehenden Risiken sind vielfältig.[7]
Auswirkungen von Schichtarbeit
Obwohl sich die Erkrankungen von Schichtarbeitern (insbesondere Nachtarbeitnehmern) eher als unspezifisch erweisen, gibt es dennoch schichtarbeitstypische Beschwerden.[8] Eine wesentliche Folge von Schichtarbeit sind Schlafprobleme respektive Schlafstörungen. Schichtarbeiter klagen insgesamt häufiger als Tagarbeiter über Schläfrigkeit während ihrer Arbeitsphase oder über Schlaflosigkeit während ihrer Hauptschlafphase am Tag. Diese treten in der Regel in Form von nichterholsamen Schlaf, Ein- und Durchschlafstörungen, Schlaf-Wach-Rhythmusstörungen und/oder Tagesschläfrigkeit auf.[9]
Im Rahmen einer DAK-Bevölkerungsbefragung[10] konnte festgestellt werden, dass der Anteil der Personen mit hochgradigen Schlafproblemen etwa 5% der Gesamtbevölkerung ausmacht. Innerhalb dieser 5% beträgt der Anteil der Schichtarbeiter mit geringen Schlafproblemen 17,5%. Beachtlich ist, dass dieser auf 34,1% bei den Schichtarbeitern mit hochgradigen Schlafproblemen ansteigt. Zu den Menschen mit hochgradigen Schlafproblemen zählen demnach mehr als ein Drittel der Schichtarbeiter. Dies wird in der nachfolgenden Abbildung verdeutlicht.[11]
Abbildung: Schlafprobleme – Anteil von Schichtarbeitern in Deutschland 2009 (Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an DAK Gesundheitsreport 2010)
Schlafstörungen sind jedoch nur eine Auswirkung der Schichtarbeit. Als Folge der Schlafstörungen treten auch eine erhöhte Müdigkeit mit verminderter Leistungsfähigkeit während der Arbeit auf. Die Reaktionsfähigkeit, Belastbarkeit und Konzentration werden durch die Schichtarbeit ebenfalls beeinträchtigt. Auch Befindlichkeitsstörungen können als Folge der Schichtarbeit auftreten. Häufig treten auch Beschwerden im Magen-Darmbereich auf. Oftmals handelt es sich bei Mahlzeiten, die in der Nacht eingenommen werden um unausgewogene und hochkalorische Mahlzeiten. Als Folge treten nicht selten eine Fehlernährung und Übergewicht auf. Im Rahmen epidemiologischer Studien konnte ebenfalls ein Zusammenhang zwischen der Schichtarbeit und der Bildung einer Herz-Kreislauferkrankung nachgewiesen werden. Hierbei scheinen diverse Faktoren in ihrem Zusammenspiel eine Rolle zu spielen. Auch steigt das Unfallrisiko, je länger die einzelnen Schichten dauern. Schichtarbeit steht in der Regel ebenfalls im Widerspruch zu den Gewohnheiten des sozialen Umfelds eines Schichtarbeiters. Die Arbeit innerhalb eines Schichtsystems erschwert durch ihre zeitlichen Vorgaben die Teilnahme an sportlichen, gesellschaftlichen, kulturellen und auch familiären Aktivitäten.[12] Schichtarbeiter fühlen sich oft ausgeschlossen, da das öffentliche Leben am Rhythmus der Tagesarbeit angelehnt ist. Dies kann zu Frustration führen. Die Lebensqualität kann dadurch ebenfalls beeinträchtigt werden.[13] Aufgrund der durch Schichtarbeit bedingten Störungen des circadianen Systems besteht nach der Internationalen Agentur für Krebsforschung die Wahrscheinlichkeit, dass Schichtarbeit krebserregend ist.[14]
Fazit
Durch die unregelmäßigen Arbeitszeiten sind Schichtarbeiter vielfältigen Belastungen ausgesetzt. Ein Schichtarbeiter kann sich diesen Belastungen jedoch nicht entziehen. Er kann lediglich versuchen, die Belastungen zu kompensieren, zu minimieren und versuchen positiv wirkende Bewältigungs-/Verhaltensstrategien zu entwickeln. Dabei kann es sich bereits um kleine Maßnahmen handeln, die dem Schichtarbeiter eine höhere Lebensqualität ermöglichen. Auch der Arbeitgeber ist an dieser Stelle gefordert. Durch eine adäquate Gestaltung der Schichtarbeit kann er dazu beitragen, die Belastungen für die Schichtarbeiter wesentlich zu reduzieren. Einige dieser Maßnahmen werdet Ihr in meinem Blog „Den Belastungen der Schichtarbeit trotzen“ kennenlernen.
[1] Vgl. Techniker Krankenkasse, Schichtarbeit, https://www.tk.de, S. 9, (Zugriff am 12.02.16).
[2] Vgl. Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung, http://www.dguv.de, (Zugriff am 12.02.16), Beermann, B.: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, http://www.baua.de, (Zugriff am 12.02.16), Angerer, P./Petru, R.: 2010, S. 88 f.
[3] Vgl. Angerer, P./Petru, R.: 2010, S. 88 f.
[4] Vgl. Techniker Krankenkasse, Schichtarbeit, https://www.tk.de, S. 11 ff, (Zugriff am 12.02.16), Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin, http://www.dgsm.de, (Zugriff am 13.02.16).
[5] Vgl. Angerer, P./Petru, R.: 2010, S. 88 f.
[6] Vgl. Angerer, P./Petru, R.: 2010, S. 89, Techniker Krankenkasse, Schichtarbeit, https://www.tk.de, S. 22 ff, (Zugriff am 13.02.16).
[7] Vgl. Techniker Krankenkasse, Schichtarbeit, https://www.tk.de, S. 22 ff, (Zugriff am 13.02.16).
[8] Vgl. Beermann, B: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, www.baua.de, (Zugriff am 12.02.16).
[9] Vgl. Angerer, P./Petru, R.: 2010, S. 88 f.
[10] Vgl. DAK-Gesundheit, https://www.dak.de, (Zugriff am 13.02.16).
[11] Vgl. DAK-Gesundheit, https://www.dak.de, (Zugriff am 13.02.16).
[12] Vgl. Angerer, P./Petru, R.: 2010, S. 89, Beermann, B: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, www.baua.de, (Zugriff am 12.02.16).
[13] Vgl. Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin, http://www.dgsm.de, (Zugriff am 13.02.16).
[14] Vgl. Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung, http://publikationen.dguv.de, S. 96, (Zugriff am 14.02.16).
Beitragsbild: https://www.pexels.com/photo/time-clock-sleep-count-34584/