Veränderungen durch technische Neuerungen
Die Welt lebt in einer stetigen Veränderung. Die Megatrends Digitalisierung und Technisierung sind laut Möller wesentliche Faktoren und Treiber immer kürzerer Entwicklungszyklen. Im Jahr 2033 werden größte Teile der Gesundheitsförderung und Krankenversorgung über digitale Services organisiert. Datenanalyse werden zunehmend von KI und Maschine Learning durchgeführt und beeinflussen die Versorgung, wobei menschliche Kontrolle zu diesem Zeitpunkt nach Ansicht Möllers weiter gegeben sein wird. Der demografische Wandel zahlt auf diese Entwicklung ebenfalls ein.1
1 Vgl. Möller (2024), S. 22–25
Die Trends Digitalisierung und Technisierung
Möller führt zu den beiden Trends folgende Inhalte aus:
- Digitalisierung: Der Begriff meint die Umwandlung von analogen Informationen in digital Formate, um diese dort zu erfassen, speichern, verarbeiten oder übertragen.
- Technisierung: Technisierung beschreibt die Automatisierung von Aufgaben mit welchen die Effizienz verbessert und Lösungen für komplexe Probleme gefunden werden. Es umfasst sämtliche fortschrittlichen Technologien wie z. B. Roboter oder Automatisierungssysteme.
Digitalisierung legt somit die Grundlage für eine sinnvolle und wirkungsvolle Technisierung.2
2 Vgl. Möller (2924), S. 26
Extended Reality (XR) – die Möglichkeiten digitaler Unterstützung
Als Grundlage werden kurz die Begriffe, die unter XR zusammengefasst sind, nach Definition von Wösser aufgeführt:
- Augmented Reality (AR): Die reale Welt und Umgebung werden durch virtuelle Inhalte angereichert, sie wird erweitert. Dies dient der eindrücklicheren Visualisierung von Sachverhalten und Inhalten.
- Mixed Reality (MR): Virtuelle Inhalte werden auch hier über reale Inhalte gelegt. Dies geschieht jedoch nicht statisch via Bildschirm, sondern interaktiv wie z. B. mit der Hololens von Microsoft.
- Virtual Reality (VR): Die VR ist von zwei wesentlichen Eigenschaften geprägt: Der Immersion (dem Eintauchen in die virtuelle Welt) und der Interaktion. Dabei gilt: Je mehr Interaktion möglich ist, desto mehr wird in die virtuelle Welt eingetaucht. Die Realumgebung wird durch eine simulierte Umgebung ersetzt.3
3 Vgl. Wössner (2018)
Anwendungsgebiete – Beispiele aus der Praxis
„Die einzige Quelle des Wissens ist die Erfahrung“ (Albert Einstein)
Wie von dieser Annahme auch Menschen mit Beeinträchtigungen und Erkrankungen profitieren, zeigen folgende Beispiele:
- Der Einsatz von VR wird in der Kinderfachklinik Bad Sassendorf zur Angsttherapie eingesetzt. Das Eintauchen in die simulierte Umgebung, in welcher sich die angstauslösenden Reize befinden, ist so virtuell möglich. „Dieser Eindruck wird einerseits durch die Interaktivität der Simulation und andererseits durch die Einbeziehung vieler Sinneskanäle geschaffen. Die virtuelle Situation ermöglicht, die Angst in einem sicheren Rahmen zu spüren und die Auslöser und den Umgang mit der Angst besser zu bewältigen“.4;5
- „Barrierefreie virtuelle Räume als Sinnbild für eine inklusive Gesellschaft“6 so die Überschrift des Artikels von Gotz in der Zeitschrift des Paritätischen BW. Hier arbeiten Menschen mit Mobilitätseinschränkungen gemeinsam in einer virtuellen Welt, in welcher ihr Handicap nicht vorhanden ist, an der Entwicklung barrierefreier Umgebung wie z. b. eines Spielplatzes oder des ÖPNV. Die daraus gewonnenen Expertisen geben Sie dann an Entscheidungsträger vor Ort weiter und fördern so aktiv eine inklusive Umgebung. Durch den Einsatz von VR sind ortsunabhängige Verbindungen und Austausch möglich und wichtige soziale Beziehungen entstehen.7
- Förderung Chancengleichheit in der Bildung: Moritz beschreibt, dass „[…] der Einsatz von Virtual Reality auf die Inklusions- und Integrationsansprüche dieser Zeit […]“8 einzahlt. Durch maßgeschneiderte Lösungen können Sprachbarrieren überwunden und Lerninhalte individuell auf kognitive Besonderheiten angepasst werden. Ebenso ist es möglich, dass Menschen mit Körperbehinderung virtuell am Sportunterricht teilnehmen oder interaktive und visuell-anschauliche Module den Zugang zum Fächerkanon erleichtern.9
- Von der Komplexität von Arbeitsschritten zu einer individuelle Prozessgestaltung: Arbeitsprozesse können leicht zur Überforderung führen. Komplexe Anforderungen des Produktes stellen uns vor Herausforderungen. AR kann diesen Prozess unterstützen, indem die einzelnen Arbeitsschritte je nach Nutzeranforderung in einzelne Schritte unterteilt, erklärt und in der realen Welt digital angezeigt werden. Arbeitsprozesse können so Schritt für Schritt unter virtuell angepasster Anleitung bis hin zur Qualitätsprüfung erfolgen.
4 Böker (2022)
5 Vgl. Böker (2022)
6 Goetz (2024)
7 Vgl. Goetz (2024)
8 Moritz (2024)
9 Vgl. Moritz (2024)
Interpretation – kritische Betrachtung
Smarte technische Innovationen haben nicht nur Vorteil. Ihr Nutzen hängt wesentlich von der Fähigkeit der Bediener ab. Fisseler beschreibt, dass die Disability Studies Technologien kritisch betrachten, da sie „[…] einer der wesentlichen Gründe für das Erleben einer Behinderung […]“10 sind. Neue Technologien können je nach Fähigkeit des Nutzenden Barrieren schaffen, eine Beeinträchtigung kann aber auch Motor für neue Entwicklungen sein. Die Disability Studies fordern eine differenzierte Betrachtung und Abwägung in Bezug auf technische Neuerungen und Beeinträchtigungen. Shew hat den Begriff des Technoableism geprägt. Dieser sagt aus, dass Technologien das Ziel verfolgen, ein „[…] funktionieren des Individuums […]“11 zu erreichen.12 Dieser Argumentation folgend wäre eine Teilhabe nach dem bio-psycho-sozialen Modell der ICF nicht zu erreichen, da die multiplen Wechselwirkungen und deren Einfluss nicht berücksichtigt wären. Das Individuum wäre weiterhin für seine Teilhabe verantwortlich.
Weiterhin ist der Einsatz von XR noch sehr vom Faktor Mensch geprägt. Die Wartung und Programmierung erfordert Fachwissen und auch die Nutzerfreundlichkeit muss an die jeweiligen Fähigkeiten angepasst werden. Die dafür vorhandenen Ressourcen müssen somit bei zunehmender Nutzung von XR mitbedacht werden.
Der Einsatz von neuen Technologien bedarf daher für eine nachhaltige erfolgreiche Wirksamkeit gründlicher Bewertung aller Faktoren und den Einbezug künftiger Nutzender.
10 Fisseler/Björn (2023), S. 317
11 Fisseler/Björn (2023), S. 318
12 Vgl. Fisseler/Björn (2023), S. 317-318
Nachweise
Literaturverzeichnis
Böker, F. (2022), Angsttherapie mittels virtual Reality, in: https://www.johanniter.de/johanniter-kliniken/kinderfachklinik-bad-sassendorf/behandlungskonzept/therapie/therapie-mittels-virtual-reality/, abgerufen am 12. 9. 2024.
Fisseler/Björn (2023), Künstliche Intelligenz, Behinderung und Technoableism. In: Witt, C. de/Gloerfeld, C./Wrede, S. E. (Hrsg.), Künstliche Intelligenz in der Bildung, Wiesbaden, Heidelberg, S. 313–330.
Goetz, S. (2024), Mit Virtual Reality gemeinsam Grenzen überwinden. Barrierefreie virtuelle Räume als Sinnbild für eine inklusive Gesellschaft, Paritätinform – Das Nachrichtenmagazin des Paritätischen Baden-Württemberg, Dez23/Jan24, ISSN: 2198-9575, S. 25.
Möller, C. (2024), Wie beeinflusst der technologische Fortschritt die Gesundheitsversorgung der Zukunft? In: Pfannstiel, M. A. (Hrsg.), Technologien und Technologiemanagement im Gesundheitswesen. Potenziale nutzen, Lösungen entwickeln, Ziele erreichen, Wiesbaden, S. 21–40.
Moritz, J.-P. (2024), Zeitenwende in der Schulbildung – vom Lehren und Lernen mit Virtual Reality. Bildung mit neuer Perspektive – dank Virtual Reality, in: https://www.lehrer-news.de/blog-posts/zeitenwende-in-der-schulbildung—vom-lehren-und-lernen-mit-virtual-reality, abgerufen am 13. 9. 2024.
Wössner, S. (2018), Begriffsklärungen: Was bedeuten Begriffe wie VR, AR und mehr?, Virtual und Augmented Reality: Grundlagen., in: https://www.lmz-bw.de/medienbildung/themen-von-f-bis-z/virtual-und-augmented-reality/begriffsklaerungen-was-bedeuten-begriffe-wie-vr-ar-und-mehr, abgerufen am 12. 9. 2024.
Titelbildquelle
designed by freepik, Der Mann mit der Brille der virtuellen Realitität. Zukünftiges Technologiekonzept, von master1305, www.freepik.com, abgerufen am 13.09.2024 unter https://de.freepik.com/fotos-kostenlos/der-mann-mit-der-brille-der-virtuellen-realitaet-zukuenftiges-technologiekonzept_9669190.htm#fromView=search&page=1&position=18&uuid=604c5d1e-f339-4d4f-8e7f-b7246cf77cf7