By Published On: 29. Juni 2019Categories: Gesundheit, Pädagogik, Psychologie

Die heiße Jahreszeit wird gerne mit Urlaub verbunden. Zur Urlaubsplanung gehört in jede Reisetasche eine Reiseapotheke, welche die wichtigsten Utensilien wie Wundschnellverbände, Kopfschmerztabletten, aber auch Medikamente gegen Reiseübelkeit oder Diarrhoe[1] enthalten. Die aufgeführten Utensilien sind alle freiverkäuflich in den Apotheken und somit primär ohne Rücksprache mit dem Hausarzt und ohne Rezept erwerblich. Die Apotheke vor Ort informiert über Medikamenteninhalte, Einnahme und Wechselwirkungen der erworbenen Medikamente. Doch wie erhält man genau diese wichtigen Informationen, wenn man sich die Produkte über Online-Versandapotheken kauft? Wie vielen Personen ist klar, dass ein vermeintlich harmloses, weil freiverkäufliches Produkt, gegen Diarrhoe tatsächlich ein Opioid[2] enthält und ohne vorherige Untersuchung auf bakterielle Infektion durch einen Arzt bei Einnahme sogar zur lebensgefährlichen Sepsis führen kann? Wie vielen Personen ist bewusst, dass ein gängiges Präparat gegen Magenschmerzen Schöllkraut enthält, was hochtoxisch ist und zu schweren Leberschäden führen kann?[3]

Informationsbeschaffung auf allen Wegen

Eigene Darstellung: Beipackzettel

Die beigefügten Beipackzettel müssen alle Bestandteile der Produkte enthalten, jedoch nicht detailliert aufführen, welche Schäden durch welchen Bestandteil entstehen können. Zum anderen stellt sich jedoch auch die Frage, ob man tatsächlich detailliert wissen möchte, welche Nebenwirkungen ein Medikament haben kann. Die Kosten-Nutzen-Frage und Abwägung der möglichen Risiken erscheint im akuten Beschwerdefall wohl eher nebensächlich, bedenkt man, dass die Medikamente wohl erst eingesetzt werden, wenn der eigene Urlaub gefährdet scheint und man möglichst schnell wieder beschwerdefrei sein möchte. Hat man also via Internet bezogene Medikamente keine intensive Selbstrecherche über sämtliche Bestandteile getätigt und sich über deren Nebenwirkungen informiert, wird man wohl eher besorgnislos zu dem Produkt greifen und hoffen, dass es die Beschwerden schnell lindert. Grundsätzlich ist dieses selbstständige Handeln gewünscht, denn im §1 SGB V[4] wird schon die Eigenverantwortlichkeit des Versicherten für seine Gesundheit angesprochen. Dazu zählt auch die Informiertheit des Patienten, welche auch unter dem Begriff shared-decision making bezüglich der Arzt-Patienten-Beziehung zu finden ist. Dies ist nur möglich, wenn der Patient bereits einen gewissen Informiertheitsgrad vorzuweisen hat. Diese Informiertheit sollte generell für Medikamente vorliegen, um etwaige Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten zu vermeiden. Besonders diese Situationen bergen ein Risiko, in welchen Freunde, Bekannte oder Familienangehörige mit Medikamenten aushelfen möchten, und der Patient nicht weiß, ob dieses Medikament aufgrund möglicher Wechselwirkungen mit seiner regulären Medikation kompatibel ist.

Und was, wenn etwas passiert?

Für den Notfall im Urlaub gewappnet zu sein, scheint selbstverständlich. Eine gute Reiseapotheke sollte daher nur Medikamente enthalten, deren Inhaltsstoffe man tatsächlich kennt. Aus meiner Sicht ist es sinnvoll, dass der Hausarzt einen Überblick über die Medikamente hat, welche man sich selbst gekauft hat und er im Bedarfsfall eine Änderung vornehmen kann und auch explizit auf mögliche Risiken hinweisen kann, sollte dies bisher nicht von einem Apotheker geschehen sein. Auch dieses Verhalten gehört zum shared-decision-making dazu, da der Arzt einen Überblick über Medikamente bekommt, welche der Patient im Bedarfsfall einnehmen möchte und der Patient erhält im Gegenzug wichtige Informationen. Dies kann bereits vor dem Kauf der Medikamente geschehen, wenn der Patient den Arzt über sein Vorhaben informiert. So entstehen nicht unnötige Kosten für den Patienten und er ist auf der sicheren Seite.

Fazit: Bei Käufen von Medikamenten und deren eigenmächtigen Einnahme werden alle Formen der Gesundheitskompetenz benötigt, da der Käufer in schriftlicher Form über das Medikament mit seinen Eigenschaften mittels Beipackzettel informiert wird und diese Informationen verstehen muss. Die interaktive Form mittels Rücksprache mit seinem behandelnden Hausarzt, um mögliche Wechselwirkungen zu vermeiden, ist dabei für seinen Schutz unerlässlich. Auch die Abwägung von Kosten-Nutzen eines Medikaments wird hier in kritischer Form der Gesundheitskompetenz benötigt. Um unerwünschte Nebenwirkungen von Medikamenten zu vermeiden und sich nicht unabsichtlich zu schädigen, sollte Rücksprache mit dem Hausarzt gehalten werden.

 

Quellenangaben


[1] Umgangsprachlich Durchfall
[2] Loperamid verursacht Verstopfung bei Fehldosierung
[3] Vgl.https://www.bfarm.de/
[4] Vgl. Becker, U., Kingreen, T., §1 SGB V

Literaturverzeichnis

Quelle: Becker, U., Kingreen, T.: Sozialgesetzbuch, 46. Auflage, München 2017

Internetquellenverzeichnis

https://www.bfarm.de/SharedDocs/Downloads/DE/Arzneimittel/Pharmakovigilanz/Risikoinformationen/RisikoBewVerf/s-z/schoellkraut_feststellungsbescheid-20181002.pdf;jsessionid=E87AB41EFE058A8D8B26783D53A7C772.2_cid344?__blob=publicationFile&v=1

Titelbild: Eigene Darstellung

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