Bestimmt haben Sie den folgenden Satz schon öfter gesagt bekommen oder selbst verwendet:
„Wenn alle anderen von der Brücke springen, springst du dann auch hinterher?“
Doch was veranlasst uns überhaupt dazu einen solchen Satz zu sagen?
Es gibt häufig Situationen bei denen wir uns denken „warum macht die Person X das, obwohl sie eigentlich nicht so handeln würde?“ Und aus welchem Grund verhält sich jemand bei der Anwesenheit einer bestimmten Person völlig anders als normal?
Wir Menschen sind uns dessen kaum bewusst, in welchem Ausmaß uns andere Mitmenschen beeinflussen. Ob die Beeinflussung dabei subtil oder auffällig, bewusst oder unbewusst statt findet, spielt häufig gar keine Rolle. Auch die Situation in der wir uns gerade befinden wird deutlich unterschätzt.
Im Folgenden soll dargestellt werden, weshalb es überhaupt möglich ist uns von Gruppen und anderen Individuen derart beeinflussen zu lassen, welche Arten der Beeinflussung finden statt und drei Experimente, die uns verdeutlichen sollen, wie extrem der soziale Einfluss werden kann.
Der fundamentale Attributionsfehler
Wenn wir Menschen andere Personen beobachten und versuchen deren Verhaltensweisen zu erklären, führen wir dies meist auf die Persönlichkeit zurück. Das Hauptproblem hierbei ist jedoch die Überschätzung des Persönlichkeitseinflusses und die Unterschätzung der Situation. Dies wird als fundamentaler Attributionsfehler bezeichnet. Betrachten wir eine Person in der Arbeit, die meistens sehr ruhig ist und sich kaum auffällig verhält. Daraus schließen wir auf Introvertiertheit oder auch Schüchternheit. Beobachten wir jedoch die gleiche Person beim Sport oder auf einer Party, kann es passieren, dass diese sich nun aufbrausend und sehr extrovertiert verhält. [1]
Der Einfluss anderer Menschen
Das Verhalten eines Menschen wird stark durch die Anwesenheit anderer Personen beeinflusst. Die Anwesenheit anderer wirkt sich allerdings nicht nur auf unser Verhalten aus, sondern auch auf unsere Gefühle, unsere Meinungsbildung und unsere Denkweisen. Der Effekt ist außerdem nicht abhängig von der tatsächlichen Anwesenheit einer Person. Allein die Vorstellung über die Anwesenheit wirkt sich auf unser Verhalten aus. [2]
Grundlegend kann hier zwischen der sozialen Erleichterung und der sozialen Hemmung unterschieden werden. Bei sozialer Erleichterung wird das Absolvieren einer Aufgabe erleichtert. Die Leistung nimmt zu. Dies geschieht bei leichten oder routinemäßigen Aufgabenstellungen. Bei schwierigen Aufgaben führt die Anwesenheit anderer Personen zu sozialer Hemmung. Die Aufgabe wird schwieriger zu erledigen und die Leistung nimmt ab. [3]
Mehr- und Minderheiten
Mehrheiten genießen oft einen höheren sozialen Status. Aus diesem Grund sind Menschen dazu bestrebt sich auch mit der Mehrheit zu identifizieren. Ein Abweichen vom Konsens wird als negativ bewertet und steht der Zugehörigkeit zur Mehrheit entgegen. Deshalb schließen sich Menschen häufig der Meinung der Gruppe an, auch wenn sie selbst nicht vollkommen davon überzeugt sind. [4]
Minderheiten hingegen können nur dann einen Einfluss bewirken, wenn sie ihre Stellung über eine längere Zeitdauer und über unterschiedliche Situationen hinweg konsistent halten. [5]
Experiment der Konformität
Betrachten Sie folgendes Bild:
Der Psychologe Asch wollte mit seinem Experiment herausfinden, wie sich die Probanden unter dem Einfluss anderer Menschen verhalten. Die Frage zu dem Experiment lautet: Welche Linie (a, b oder c) ist exakt gleich lang wie die Linie x? Hierbei fand Asch heraus, dass es einen großen Einfluss auf die Antworten hatte, wenn die Probanden Ihre Meinung alleine äußerten, oder erst nachdem die Gruppe geantwortet hat. Die Gruppenteilnehmer waren im Vergleich zum Probanden natürlich in das Experiment eingeweiht und gaben entweder die richtige Antwort oder bewusst eine falsche Antwort. Je nach Gruppenaussage beeinflusste das die Antwort des Probanden massiv. [6]
Folgendes Video gibt einen genaueren Einblick in das Experiment:
psychologie group-forced/ Psychologie Gruppenzwang
Milgram – Experiment
Die Teilnehmer des Experiments waren bis auf die Testperson eingeweiht. Dem Probanden wurde gesagt, dass das Ziel die Wirkung von Bestrafung auf den Lernerfolg sei. An dem Experiment nahmen ein Proband, ein Versuchsleiter und ein Schauspieler teil. Bei jeder falsch beantworteten Frage, sollte der Proband dem „Schüler/Schauspieler“ einen Elektroschock zufügen. Nach jedem weiteren Fehler wird die Stromstärke um 15 Volt erhöht. Natürlich wurden in dem Experiment keine echten Stromschläge verabreicht, der Proband sollte nur in diesem Glauben handeln. Auch wenn der Schüler darum bat aufzuhören, bestand der Versuchsleiter darauf mit dem Experiment fortzufahren. [7]
Kein einziger Proband brach das Experiment ab. Sogar über 50 Prozent der Teilnehmer fuhren erschreckender Weise bis 450 Volt fort. [8]
Folgendes Video gibt einen genaueren Einblick in das Experiment:
Das Milgram Experiment
Stanford – Prison – Experiment
Einen noch größeren Einfluss zeigt das Stanford – Prison – Experiment. Das Experiment von Zimbardo verdeutlicht die Wirkung von sozialen Rollen und Normen auf unser Verhalten. Es wurde eine Simulation von einem Gefängnis kreiert und den Versuchsteilnehmern entweder die Rolle des Insassen oder des Gefängniswärters zugeteilt. Innerhalb kürzester Zeit übernahmen die Probanden die Verhaltensweisen ihrer zugeteilten Rollen. [9]
Ursprünglich sollte der Versuch über zwei Wochen lang beobachtet werden. Die Verhaltensmuster arteten jedoch in einer so extremen Weise aus, dass das Experiment bereits nach sechs Tagen abgebrochen wurde. Obwohl sich alle Teilnehmer der Simulation bewusst waren, herrschten Demütigung, Depression, Angstzustände und verbale Belästigung. [10]
Folgendes Video gibt einen genaueren Einblick in das Experiment:
The Stanford Prison Experiment
Fazit
Die beschriebenen Experimente zeigen auf, wie sehr wir Menschen uns beeinflussen lassen können. Doch ist es gezwungenermaßen so, dass wir immer zu einem Tyrannen werden, nur weil wir eine bestimmte Rolle einnehmen? Nur weil uns jemand sagt „Das muss so sein, machen Sie weiter.“? Die Antwort darauf lautet „nein.“.
Das Fachmagazin „PLoS Biology“ bringt neue Erkenntnisse im Bezug auf die Ergebnisse der durchgeführten Experimente. Die Probanden handelten stets im Glauben etwas Gutes zu tun. In Vergleichsstudien fand man heraus, dass die Teilnehmer bei Anweisungen wie „Das ist wichtig für das Experiment.“ ihre Handlungen fortführten. Bei Aufforderungen wie „Machen Sie weiter, Sie haben keine Entscheidungsmöglichkeit“ stagnierten die Teilnehmer und weigerten sich weiter zu machen. Diese Erkenntnisse zum Milgram-Experiment kann man auch auf das Stanford-Prison-Experiment übertragen. Zimbardo teilte den Probanden vor dem Experiment seine Erwartungen im Bezug auf die verschiedenen Rollen mit. Die Teilnehmer wollten diese lediglich erfüllen. [11]
Abschließend ist zu sagen, dass wir deshalb unser Verhalten öfter reflektieren sollten. Warum handeln wir gerade auf die Art und Weise, wie wir es tun? Oder werden wir momentan unbewusst beeinflusst? Ein Bewusstmachen der Situation, kann häufig zu einer Veränderung unseres Verhaltens führen.
Literaturnachweis:
Orth, H./ Koch, Prof. Dr. A.: Sozialpsychologie, SRH FernHochschule Riedlingen, 1. Auflage, 2010
Myers, D. G.: Psychologie, Springer Verlag, 3. Auflage, 2015
Hintergrundwissen „ Sozialer Einfluss/Externe Einflussnahme“, URL:
Thoben, D. F./ Erb, H. P.: Wie es euch gefällt: Sozialer Einfluss durch Mehrheiten und Minderheiten, URL:
http://de.in-mind.org/article/wie-es-euch-gefaellt-sozialer-einfluss-durch-mehrheiten-und-minderheiten (09.11.2016)
Rettig, D.: Das Konformitätsexperiment – so entsteht Gruppenzwang, URL:
http://www.alltagsforschung.de/das-konformitatsexperiment-so-entsteht-gruppenzwang/ (09.11.2016)
Das Milgram-Experiment, Ablauf, URL:
http://www.milgram-experiment.com/ablauf.shtml (09.11.2016)
Das Milgram-Experiment, Ergebnisse, URL:
http://www.milgram-experiment.com/ergebnisse.shtml (09.11.2016)
Fischer, P./ Asal, K./ Krueger, J. I.: Sozialpsychologie für Bachelor: Lesen, Hören, Lernen im Web, Springer-Verlag, 2013
Aronson, E./ Wilson, T. D./ Akert, R. M.: Sozialpsychologie, Pearson Deutschland GmbH, 2008
Hauschild, J.: Psychologie, Blinder Gehorsam erklärt nicht alles, URL:
http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/psychologen-deuten-experimente-von-milgram-und-zimbardo-neu-a-868461.html (09.11.2016)
Fußnoten:
[1] Vgl. Myers, D. G.: 2015, S. 597 [2] Vgl. http://www.imageberater-nrw.de/ib-kompetenzbereiche/psychologie/hintergrundwissen-sozialer-einfluss-externe-einflussnahme/ (09.11.2016) [3] Vgl. Orth, H./ Koch, Prof. Dr. A.: 2010, S. 105 [4] Vgl. Thoben, D. F./ Erb, H. P.: http://de.in-mind.org/article/wie-es-euch-gefaellt-sozialer-einfluss-durch-mehrheiten-und-minderheiten (09.11.2016) [5] Vgl. Orth, H./ Koch, Prof. Dr. A.: 2010, S. 108 [6] Vgl. Rettig, D.: http://www.alltagsforschung.de/das-konformitatsexperiment-so-entsteht-gruppenzwang/ (09.11.2016) [7] Vgl. http://www.milgram-experiment.com/ablauf.shtml (09.11.2016) [8] Vgl. http://www.milgram-experiment.com/ergebnisse.shtml (09.11.2016) [9] Vgl. Fischer, P./ Asal, K./ Krueger, J. I.: 2013, S. 4 [10] Vgl. Aronson, E./ Wilson, T. D./ Akert, R. M.: 2008, S. 277 [11] Vgl. Hauschild, J.: http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/psychologen-deuten-experimente-von-milgram-und-zimbardo-neu-a-868461.html (09.11.2016)
Videoquellen:
1) psychologie group-forced/ Psychologie Gruppenzwang, URL:
2) Das Milgram Experiment, URL:
3) The Stanford Prison Experiment, URL:
Bildquellen:
Abbildung 1: Eigene Darstellung