Dass Lachen ansteckend ist, ist weitläufig bekannt. Auch von den Experimenten mit einem Stift zwischen den Zähnen, wird schon der eine oder andere gehört haben. Haben unsere eigenen Gesichtsbewegungen auch einen Einfluss darauf, wie wir die Emotionen anderer Menschen wahrnehmen? Hemmt eine Gesichtsbehandlung mit beispielsweise Botox gar das Empathievermögen?
„Pen-in-the-teeth“ und „Pen-in-mouth“
Die Studie von Blaesi & Wilson (2010) untersuchte, ob Emotionen besser, schlechter oder gleichbleibend erkannt werden, wenn ein Stift zwischen den Zähnen gehalten wird. Durch diese Haltung werden Muskeln aktiviert, welche auch zum Lächeln oder Lachen gebraucht werden. Es entsteht ein verdecktes (covert) Lächeln. Es stellt sich heraus, dass die Schwelle, ein Gesicht als fröhlich einzuordnen, sinkt, sofern das Individuum selbst verdeckt lächelt. Marmolejo-Ramos et al. (2020) stützten sich auf das Untersuchungsvorgehen von Blaesi & Wilson und entwickelten die Experimente weiter. Zusätzlich zur „Pen-in-the-teeth“-condition wurde ein zweiter Ablauf mit „Pen-in-mouth“-condition durchgeführt. Es wurden Bilder von Gesichtern mit verschiedenen Emotionen gezeigt, außerdem „point-light biological walkers“ (Mamolejo-Ramos et al.), also laufende Schemen eines Menschen, welche durch Lichtpunkte dargestellt werden. Die entsprechenden Kontrollgruppen hatten dabei keinen Stift zwischen den Zähnen oder im Mund. Das Ergebnis des „Pen-in-the-teeth“-Experiments, bei dem die Probanden verdeckt durch diese Haltung zu einem Lächeln bewegt wurden, war, dass die Probanden mit einem Stift zwischen den Zähnen ein Gesicht schneller als fröhlich einstuften als die Kontrollgruppe. Gleiches gilt für die aus Leuchtpunkten zusammengesetzten leuchtenden Figuren biologischen Bewegungs-Stimuli. Wird ein Stift dagegen zwischen den Lippen gehalten, gehen die Mundwinkel nicht nach oben und die Lippen werden angespannt. Das Ergebnis des „Pen-in-mouth“-Experiments ist, dass Menschen Gesichter und Bewegungen schneller als fröhlich einstufen, wenn sie einen Stift zwischen den Zähnen halten, als wenn sie einen Stift zwischen den Lippen halten.
Das Experiment von Marmolejo-Ramos et al. (2020) zeigt, dass die Aktivierung der Gesichtsmuskeln die motorischen Systeme außerhalb des Gesichts beeinträchtigen und zudem Einfluss auf Körperbereiche haben, welche implizit mit dem emotionalen Zustand zusammenhängen. Die Emotion, impliziert durch die verdeckte Mimik, scheint auf viele motorische Systeme Einfluss zu nehmen, welche im Ganzen für den aktuellen Emotionszustand repräsentativ sind.
Der Effekt von Botox
Die James-Lange-Theorie postuliert, dass Emotionen durch das kardiovaskuläre, das viszerale und das muskuläre Feedback unterdrückt oder intensiviert werden (James, 1890). 2003 wurde diese Theorie überprüft und bestätigt, indem Probanden aufgetragen wurde, Gesichtszüge zu imitieren, welche die neurale Aktivität im limbischen System bzw. in der Amygdala triggern (Carr et al.).
Hennenlotter et al. (2009) knüpften in einer Versuchsreihe an dieser Studie an. Jeweils zwei Wochen vor und nach einer kosmetischen Behandlung mit Botulinumtoxin (Botox), welches die Muskelkontraktionen hemmt, wurden die Patienten gebeten, wütende Gesichtszüge zu imitieren. Es gelang den Patienten, wie erwartet, nicht mehr, die Stirn zu runzeln, was dafür sorgte, dass die Aktivierung der linken Amygdala während der Imitation reduziert wurde.
Baumeister et al. studierten 2016 ebenfalls den Effekt von Botox-Injektionen im Gesicht in Bezug auf die Verarbeitung von Emotions-Stimuli. Die Hypothese, dass Botox die Verarbeitung von leichten Emotions-Stimuli und weniger von sehr emotionalen oder neutralen Stimuli stört, wurde weitgehend bestätigt. Botox-Nutzer schätzten leichte emotionale Sätze und Mimik, im Gegenzug zu sehr emotionalen oder neutralen Sätzen und Gesichtszügen, als weniger stark emotional ein. Des Weiteren wurden sie bei der Kategorisierung von leichten emotionalen Gesichtszügen unter Zeitdruck langsamer.
Amygdala
„Die Amygdala verarbeitet also äußerliche Impulse und die daraus resultierenden körperlichen Reaktionen“ (Medlexi, 2019). Emotionen wie Wut, Angst oder Freude können durch die Amygdala verstärkt werden. Das ist vielfach an die (Wieder-)Erkennung schon erlebter Situationen geknüpft. Eine aktuelle Situation wird beständig mit schon erlebten und gespeicherten Erlebnissen verglichen. Findet eine Übereinstimmung statt, werden hormonelle und körperliche Reaktionen ausgelöst (Medlexi, 2019).
Grundsätzlich sind funktionelle Unterschiede zwischen der linken und der rechten Amygdala aufzuzeigen. Die rechte Seite ist vorwiegend für negative Emotionen wie Traurigkeit und Angst zuständig, während die linke Amygdala sowohl mit unangenehmen Emotionen wie Furcht, Traurigkeit oder Angst als auch mit angenehmen Emotionen wie Freude in Verbindung steht. Auch das Belohnungssystem ist bei der linken Amygdala von Relevanz. Auch wenn jeder Seite der Amygdala eine spezifische Funktion innewohnt, etwa wie Emotionen wahrgenommen und verarbeitet werden, und beide Seiten über unabhängige Gedächtnissysteme verfügen, so arbeiten beide Hälften dennoch bei der Speicherung, Kodierung und Interpretation von Emotionen zusammen (Psylex, 2017).
Diskussion
Die vorgestellten Studien machen deutlich, dass emotionale Gesichtszüge, seien sie nun verdeckt oder nicht, einen Einfluss auf die empfundenen Emotionen und damit auch auf den gesamten Organismus haben. Das kardiovaskuläre, viszerale und muskuläre Feedback kann durch Botox unterdrückt oder intensiviert werden. Die linke Amygdala, welche unter anderem für das Empfinden von Freude verantwortlich ist, wird gehemmt und damit die Wahrnehmung und Interpretation eines leichten Ausdrucks von Emotionalität in Gesichtern erschwert.
Sind nun Individuen mit einem durch Botox gestrafften und versteiften Gesicht weniger empathisch? „Empathie beschreibt die Bereitschaft und die Fähigkeit einer Person, sich in die Lage, Einstellung und emotionale Befindlichkeit einer anderen Person einzufühlen“ (Neues Wort, n. d.). Sicherlich ist es bei der Beurteilung der emotionalen Konstitution seines Gegenübers von Vorteil, auch kleinste Veränderungen im Gesicht und in der Sprache interpretieren zu können. Die Studien sagen nichts darüber aus, ob die Empathie eines Individuums durch eine Behandlung mit Botulinumtoxin geringer wird. Allerdings ist davon auszugehen, dass eine erschwerte und verlangsamte Wahrnehmung von leichten Emotionen im Gesicht und der Sprache das Empathievermögen ein Stück weit beeinträchtigt.
Literatur
- Baumeister, J.-C., Papa, G. & Foroni, F. (2016). Deeper than skin deep – The effect of botulinum toxin-A on emotion processing. Toxicon, 118, S. 86-90. doi:10.1016/j.toxicon.2016.04.044
- Blaesi, S. & Wilson, M. (2010). The mirror reflects both ways: Action influences the perception of others. Brain and Cognition, 72, S. 306-309. doi:10.1016/j.bandc.2009.10.001.
- Carr, L., Iacoboni, M., Dubeau, M. C., Mazziotta, J. C. & Lenzi, G. L. (2003). Neural mechanisms of empathy in humans: A relay from neural systems for imitation to limbic areas. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 100, S. 5497-5502. doi:10.1073/pnas.0935845100.
- Hennenlotter, A., Dresel, C., Castrop, F., Ceballos-Baumann, A. O., Wohlschläger, A. M. & Haslinger, B. (2009). The link between facial feedback and neural activity within central circuitries of emotion – New insigths from boulinum toxin-induced denervation of frown muscles. Cerbral Cortex, 19, S. 537-542. doi:10.1093/cercor/bhn104.
- James, W. (1890). The Principles of Psychology. New York: Holt.
- Marmolejo-Ramos, F., Murata, A., Kyoshiro, S., Yamada, Y., Ikeda A., Hinojosa, J. A., Watanabe, K., Parzuchowski, M., Tirado, C. & Ospina, R. (2020). Your face and moves seems happier when I smile. Experimental Psychologie, 67, S. 14-22. doi.org/10.1027/1618-3169/a000470.
- Medlexi (2019). Amygdala. Aufgerufen am 18.08.2021. https://medlexi.de/Amygdala#Funktion_.26_Aufgaben.
- Neues Wort (n. d.) Empathie. Aufgerufen am 18.08.2021.https://neueswort.de/empathie/#wbounce-modal.
- Psylex. (September 2017). Amygdala (Gehirn, Psychologie). https://psylex.de/psychologie-lexikon/gehirn/anatomie/amygdala/. doi:10.1038/s41598-017-12046-7.
- Beitragsbild (24.09.2021). laptop-3087585_1920. Bild von Jan Vašek auf Pixabay