By Published On: 5. April 2017Categories: Wirtschaft

Vor ziemlich genau einem Jahr platzte eine große Bombe in der Steuer- und Finanzwelt und machte über Nacht einen kleinen zentralamerikanischen Staat weltberühmt. Es geht um Panama und die dazugehörigen Panama Papers. Dabei kam es zu gigantischen Enthüllungen über globale Steuerschlupflöcher, Steueroasen und Briefkastenfirmen.[1] Damit kam endlich wieder ein Thema auf die politische Agenda, das jedes Jahr weltweit Staaten um zig Milliarden an Steuereinnahmen bringt. Was hat sich seitdem getan? Wie geht Deutschland damit um? Und wo gehen die zukünftigen Entwicklungen hin? Suchen wir Antworten.

 

Exotische Steueroasen

Bereits vor dem Bekanntwerden der Panama Papers schwirrten durch die Finanz- und Steuerwelt zwei sperrige Begriffe, die in Teilen eine Revolution für die weltweite Besteuerung von Unternehmen und das Ende von Steueroasen bedeuten könnten. Über die „Base Erosion and Profit Shifting“ wurde bereits seit einigen Jahren verhandelt, die „Destination-Based Cash Flow Tax“ dagegen landete erst vor wenigen Wochen wieder in den Schlagzeilen der Medien. Was verbirgt sich dahinter?

Leider gibt es viele „Panamas“. Sie heißen Schweiz, Hong Kong, Macao, Cayman Islands oder Luxemburg. Was diese Länder mit Panama verbindet: Alle stehen auf den Spitzenplätzen des Schattenfinanzindex aus dem Jahr 2015 und zählen damit zu den attraktivsten Steueroasen der Welt.[2] In diesen Ländern lassen sich Vermögen in einem hohen Masse intransparent, anonym und ohne große Gefahren geheim halten. Zusätzlich werden dort keine oder sehr niedrige Steuern für nichtansässige Personen bzw. ausländische Einkünfte erhoben.[3] Damit soll Schluss sein – Dank BEPS.

BEPS

Quelle: Bundesfinanzministerium

BEPS ist die Abkürzung für den sperrigen Begriff der „Base Erosion and Profit Shifting“ und bezeichnet auf Deutsch so viel wie „Gewinnkürzung und Gewinnverlagerung“. Mit dem OECD-Projekt sollen schädlicher Steuerwettbewerb zwischen Staaten und aggressive Steuerplanung internationaler Großkonzerne eingedämpft werden. Dem allen liegt der prägende Gedanke zugrunde, dass die Gewinne multinationaler Konzerne dort besteuert werden, wo er tatsächlich entsteht[4], oder im Wortlaut: „…where economic activities take place and value is created“[5].

An diesem Mammut-Projekt haben 62 Staaten mitgewirkt, darunter alle Staaten der OECD und der G20.[6] Die Ziele wurden in einem Aktionsplan festgelegt und nehmen drei Hauptthemen ins Visier:[7]

  1. Steuerschädliche Regelungen, mit denen die Steuerbasis aus anderen Ländern abgezogen wird
  2. Nichtbesteuerung von Unternehmensgewinnen, die durch cleveres Nutzen steuerlicher Schlupflöcher entstehen
  3. Künstliche Gewinnverlagerungen bei mobilen Einkünften wie Zinsen, Dividenden und Lizenzen

Das laut Bundesfinanzministerium wichtigste Instrument zur Bekämpfung von Steueroasen lässt sich mit einem Wort zusammenfassen: Transparenz – je globaler desto besser.[8]

Seit Januar 2016 sind über 90 Länder im sog. Inclusive Framework (IF) miteinander vernetzt. Das Netzwerk soll die BEPS-relevanten Themen voranbringen.[9] Denn das BEPS hat nur einen initiativen Charakter. Die tatsächliche Umsetzung des vereinbarten Aktionsplans geschieht auf nationaler Ebene und in nationalen Gesetzen. Nur geht hier leider nur partiell bei einigen Staaten etwas vorwärts.

 

Deutschland geht voran

Was macht BEPS nun mit Deutschland? Oder umgekehrt: Was macht Deutschland aus BEPS? Kurz gesagt: Deutschland geht vorbildlich voran, zumindest im Vergleich zu zahlreichen anderen Ländern, die im Inclusive Framework vertreten sind. Am 9. März wurde ein Gesetzentwurf im Bundestag vorgelegt, der sich auf eines der drei Hauptthemen bezieht, die künstliche Gewinnverlagerung.[10] Mit diesem Gesetzt möchte die Bundesregierung dem Steuerwettbewerb durch die künstliche Gewinnverlagerung bei immateriellen Wirtschaftsgütern einen Riegel vorschieben.

Quelle: BT-Drucksache

Damit sind z. B. sog. Patentboxregelungen gemeint. [11] Patente haben den „Vorteil“, dass sie völlig mobil sind, also problemlos auch in Steueroasen wandern (bzw. verbucht) werden können. Das nutzen einige Staaten aus, indem sie die Besteuerung von Patenten sehr niedrig ansetzen. Die Unternehmen wiederum nehmen diese „Einladung“ herzlich gerne an und verlagern die Lizenzeinkünfte für die Patente in die Niedrigsteuer-Oasen. Zu welchen Abweichungen es hier alleine innerhalb von Europa kommt, verdeutlicht die Grafik ganz gut.[12]

Allerdings warnen nicht wenige vor einem allzu voreiligen Voranschreiten Deutschlands. Denn die BEPS-Initiative bringt nur dann etwas, wenn zumindest die im Inclusive Framework vertretenen Staaten sich daran beteiligen. Vor den Auswirkungen für den deutschen Staat und deutsche Unternehmen warnt in diesem Zusammenhang der Journalist Jörg von Rohland vom Bayernkurier und spricht dabei von einem „Bumerang für Deutschland“.[13] Denn die geplanten Änderungen könnten zu Steuerausfällen für den Staat und Wettbewerbsnachteilen für deutsche Konzerne führen. Auch die Welt warnt im Zusammenhang mit BEPS vor Gefahren für den Wirtschaftsstandort Deutschland.[14] Und spricht damit den deutschen Wirtschaftsverbänden aus der Seele, die bereits große monetäre Summen in Schwellen- und Entwicklungsländer abwandern sehen.[15]

 

Folgen von BEPS

Sieht man sich die Ziele an, die mit BEPS verfolgt werden, dann kann die Sorge der Unternehmen durchaus nachvollzogen werden. Denn die deutschen Unternehmen sind keinesfalls Unschuldslämmer. Nahezu alle DAX- und größere Familienunternehmen sind in Steueroasen bzw. Schattenfinanzplätzen vertreten und sind somit vor härteren Regeln im Steuerwettkampf direkt betroffen.[16] Die Einführung härterer Regeln unterstützt auch das Netzwerk Steuergerechtigkeit. Denn die bisherige Praxis der Steueroasen betrifft vor allem die ärmeren Länder aufgrund deren stärkeren Abhängigkeit von Unternehmenssteuern.[17] Aber auch der Bund erhofft sich steuerliche Mehreinnahmen und unterstützte das Projekt von Anfang an ausdrücklich.[18] Hochrechnungen gehen von weltweiten Mehreinnahmen in Höhe von 4-10% des Körperschaftsaufkommens aus, sollten die Vorhaben konsequent umgesetzt werden. Das würde die reinste Geldschwemme für die beteiligten Staaten bedeuten. Auch wenn es schwer ist an gesicherte Zahlen und Fakten zu kommen, kann man auch für Deutschland eine Prognose abgeben. Demnach könnte der Bund mit Steuermehreinnahmen i. H. v. 30 Mrd. Euro pro Jahr rechnen.[19]


Ein neuer Player im Rennen

Womit die Initiatoren von BEPS nicht gerechnet haben: Donald Trump! Denn mit ihm und insbesondere auch mit Paul Ryan, Sprecher des Repräsentantenhauses der USA, kam ein zweiter klobiger Finanzbegriff wieder in die Welt – die „Destination-Based Cash Flow Tax“ oder kurz DBCFT.[20]

Donald Trump und Paul Ryan

Zu Deutsch lässt sich das am ehesten mit „bestimmungsland-orientierter Zahlungsüberschuss-besteuerung“ übersetzen.[21] Oder vereinfacht gesagt: Eine Art Mehrwertsteuer, die auf jedes Produkt in den USA erhoben wird. Allerdings mit dem Unterschied, dass die Unternehmen die in den USA gezahlten Löhne steuerlich absetzen können. Im Ergebnis sollten die Exporte steigen, die Importe sinken und sich die defizitäre Leistungsbilanz der USA folgerichtig erholen.[22]

Maßgeblich entwickelt und erdacht wurde die DBCFT von dem US-Ökonom Alan Auerbach von der Universität Berkeley und seinem britischen Kollegen Michael Devereux aus Oxford.[23] Es würde wohl – sofern es globale Anwendung fände – zur Austrocknung aller Steueroasen führen.[24] Denn damit würden den Konzernen die Anreize genommen über raffinierte Umbuchungen ihrer Gewinne in Länder mit geringen Steuern zu verbuchen. Damit wäre kein Profit mehr zu machen. Die Konzerne müssten dort Steuern zahlen, wo die Kunden sind. Und die lassen sich schlecht in Steueroasen schicken. Auch wenn es sicher unattraktivere Gegenden als Macao oder die Cayman Islands gibt.

 

Kritik aus und für Deutschland

Der Ansatz verfolgt also in sehr ähnlicher Art und Weiße die Ziele, die auch mit dem BEPS Aktionsplan niedergeschrieben wurden. Allerdings in einer deutlich radikaleren Form. Und eben diese radikalen Pläne werden kaum global durchsetzbar sein, könnten also „nur“ auf die USA bezogen Anwendung finden. Die Krux dabei: Mit dem BEPS, das lediglich eine Veränderung der bestehenden Steuerstrukturen bedeutet, ist das DBCFT nicht kompatibel. Der Steuerexperte Becker von der Uni Münster spricht in der ZEIT von einem „totalen Chaos“ und einem „Dämpfer für die Weltwirtschaft“, sollten beide Vorhaben umgesetzt werden.[25]

Allerdings sollte sich Deutschland mit zu voreiliger Kritik zurückhalten. Denn eine Art DBCFT „light“ Reform gab es auch hierzulande vor einigen Jahren. Vor ziemlich genau 10 Jahren wurde der Mehrwertsteuersatz von 16 auf 19 % erhöht und gleichzeitig der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung von 6,5 auf 4,2 % gesenkt. Dies hat zu den deutschen Leistungsbilanzüberschüssen sicherlich einen guten Teil beitragen, den europäischen Nachbarländern aber einen Wettbewerbsnachteil beschert.

 

Aussicht: Es bleibt stürmisch

Trotzdem bleibt natürlich eine gewisse Unsicherheit, die durch die Ankündigungen aus Übersee entstanden ist. Die USA waren genauso an BEPS beteiligt wie Deutschland und alle anderen großen Wirtschaftsnationen. Und letztlich kann es nur dann zu globalen Verbesserungen und zur Austrocknung von Steueroasen kommen, wenn alle beteiligten Nationen die vereinbarten Spielregeln umsetzen. Gehen die USA dennoch einen eigenen Weg, dann ist tatsächlich ein ziemliches Chaos zu erwarten. Denn auch wenn über flexible Wechselkurse etwas Wind aus den Segeln genommen werden könnte, wird die See um die Steueroasen erstmal ziemlich rau bleiben.

 

[1] https://www.bayernkurier.de/ausland/12698-austrocknen-der-steueroasen/ (letzter Zugriff: 05.04.2017)

[2] http://www.vidc.org/themen/wirtschaft/wirtschaftspolitik/schattenfinanzindex-2015/ (letzter Zugriff: 05.04.2017)

[3] http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/FAQ/2013-04-17-faq-steueroase.html;jsessionid=483CE5B4A30C8157BE8D95518FDC1F11 (letzter Zugriff: 05.04.2017)

[4] https://www.haufe.de/steuern/gesetzgebung-politik/die-auswirkungen-von-beps-fuer-deutsche-unternehmen_168_287908.html (letzter Zugriff: 05.04.2017)

[5] https://bepsmonitoringgroup.files.wordpress.com/2015/10/general-evaluation.pdf (letzter Zugriff: 05.04.2017)

[6] http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/FAQ/2014-06-05-faq-beps.html (letzter Zugriff: 05.04.2017)

[7] http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/FAQ/2013-04-17-faq-steueroase.html;jsessionid=FE6EFCC01F3812DAD768C5C724F35840#doc30716bodyText5 (letzter Zugriff: 05.04.2017)

[8] http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/FAQ/2013-04-17-faq-steueroase.html#doc30716bodyText4 (letzter Zugriff: 05.04.2017)

[9] http://www.oecd.org/tax/beps/beps-about.htm (letzter Zugriff: 05.04.2017)

[10] http://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2017/kw10-de-steuerpraktiken/493956 (letzter Zugriff: 05.04.2017)

[11] https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/FAQ/2014-06-05-faq-beps.html#doc21004bodyText4 (letzter Zugriff: 05.04.2017)

[12] http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/012/1801238.pdf (letzter Zugriff: 05.04.2017)

[13] https://www.bayernkurier.de/wirtschaft/10150-bumerang-fuer-deutschland/ (letzter Zugriff: 05.04.2017)

[14] https://www.welt.de/print/wams/wirtschaft/article151675881/BEPS-der-Bumerang.html (letzter Zugriff: 05.04.2017)

[15] https://www.welt.de/print/wams/wirtschaft/article151675881/BEPS-der-Bumerang.html (letzter Zugriff: 05.04.2017)

[16] https://netzwerksteuergerechtigkeit.files.wordpress.com/2016/06/nwsg_2016_anhc3b6rung-fa-zu-beps.pdf (letzter Zugriff: 05.04.2017)

[17] https://netzwerksteuergerechtigkeit.files.wordpress.com/2016/06/nwsg_2016_anhc3b6rung-fa-zu-beps.pdf (letzter Zugriff: 05.04.2017)

[18] https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/FAQ/2014-06-05-faq-beps.html#doc21004bodyText4 (letzter Zugriff: 05.04.2017)

[19] Zucman, G.: Steueroasen, Suhrkamp Verlag, Berlin (2014)

[20] http://blog.handelsblatt.com/steuerboard/2017/02/08/destination-tax-die-amerikanischen-steuerplaene-und-ihre-folgen-fuer-europa/ (letzter Zugriff: 05.04.2017)

[21] Süddeutsche Zeitung, Nr. 72, W.F. Richter (27.3.2017) S. 16

[22] Süddeutsche Zeitung, Nr. 72, W.F. Richter (27.3.2017) S. 16

[23] DIE ZEIT, Nr. 9 (23.2.2017), S. 25

[24] DIE ZEIT, Nr. 9 (23.2.2017), S. 25

[25] DIE ZEIT, Nr. 9 (23.2.2017), S. 25

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