Der deutsche Sänger Daniel Kaiser-Küblböck (33) oder der amerikanische Rapper Mac Miller (26) – zwei viel diskutierte Selbstmorde diesen Jahres. Suizid erfährt in den Medien stets größte Aufmerksamkeit, insbesondere bei Personen des öffentlichen Lebens. Überwiegend negative Assoziationen werden mit einem selbstbestimmten Abtreten (insbesondere in vergleichbar jungen Jahren) in Verbindung gebracht. Bemühungen der Prävention und Heilung von suizidalen Tendenzen, Vorstellungen und Versuchen werden gegenüber dem Wunsch nach dem Tod aus freiem Willen zu einem selbst gewählten Zeitpunkt offener thematisiert, sowohl hinsichtlich sterbenskranker, als auch nicht-klinischer Patienten. In diesem Zusammenhang soll im Folgenden die Erlösungsfunktion eines Suizids betrachtet werden. Thematisch verwandte Begrifflichkeiten werden inhaltlich voneinander getrennt und Beispiel-Fälle vorgestellt, anhand derer ein Diskurs der positiven Eigenschaften eines Suizids ermöglicht werden soll. Dazu gilt es anzumerken, dass kein primärer Bezug auf Menschen mit lebensbedrohlichen Krankheiten oder anderweitig in größerem Maße psychisch/physisch-beeinträchtigten Personen erfolgen soll, sondern der Wunsch nach einem selbstbestimmten Tod aus freiem Willen bei vollem kognitiven Bewusstsein bei Menschen generell sowie deren Recht auf ein würdevolles, autonomes Entscheiden über das eigene Abtreten thematischer Mittelpunkt sein wird.
Wichtige Begriffserklärungen:
Begriff | Definition |
Euthanasie | -aus dem Griechischen („eu“ bedeutet gut, „thanatos“ bedeutet Tod) |
freiwillige Euthanasie | -Ausführung mit Einwilligung des Patienten
-Respektieren der Wünsche und Autonomie der Betroffenen als fundamentaler Zweck |
nicht freiwillige Euthanasie | -die betroffene Person ist nicht dazu fähig Einwilligung abzugeben
-hier ist es schwerer zu argumentieren, dass die Autonomie des Patienten respektiert wird |
unfreiwillige Euthanasie | -die Person wird gegen ihren ausgedrückten Willen oder mindestens ohne ihr Einverständnis getötet |
aktive Euthanasie | -eine dritte Person (gewöhnlich ein ärztlich Professioneller) tut wissentlich etwas, dass den Tod des Patienten bewirkt “act of commission” |
passive Euthanasie | -etwas wird nicht getan, wodurch der Tod des Patienten bewirkt wird (z.B. ein Patient, der lebenserhaltende medizinische Behandlung verweigert) “act of omission”
-die Betroffenen wollen sterben |
Orthothanasie | -aus dem Griechischen „normaler Tod“
-bezieht sich auf das Recht einer Person Behandlung zu verweigern, selbst wenn dies zu ihrem Tod führt -die Betroffenen wollen, per se, nicht sterben, jedoch lieber mit den negativen Wirkungen oder Konsequenzen ihrer Behandlung oder ihres Zustands umgehen |
Dysthanasie | -aus dem Griechischen „schlechter Tod“
-bezieht sich beispielsweise auf die Situation, in der das Leben einer Person vielleicht gegen ihren Willen verlängert wird, wodurch (dies kann als unverhältnismäßiges Mittel angesehen werden) einer Person in unheilbarem Zustand zusätzliches und unnötiges Leid zugefügt wird |
Suizid | -die Handlung, sich selbst absichtlich zu töten[1]Vgl. Oxford University Press (2018) https://en.oxforddictionaries.com/definition/suicide, abgerufen am 28.09.2018 |
Ärztlich-assistierter Suizid | -ein Arzt stellt jene Mittel zur Verfügung, um das Leben eines Patienten zu beenden
-der Doktor nimmt nicht an der Administration dessen teil, dies bleibt dem Patienten selbst überlassen |
Tabelle 1: Wichtige Begriffserklärungen (Quelle: Eigene Darstellung), in inhaltlicher Anlehnung an den Artikel von Ricou/Wainwright (2018)[2]Vgl. Ricou/Wainwright (2018), S. 2-4
Gibt es Voraussetzungen für das Begehen eines Suizids?:
Nennenswert ist hier die bewiesene Konstruktvalidität von Furchtlosigkeit gegenüber dem Tod, welche für das Entwickeln des Imstande seins einen Suizid begehen zu können von Wichtigkeit ist. Schmerztoleranz konnte ebenfalls partiell damit assoziiert werden. Diese Komponenten des Imstande seins sind differenzierbar.[3]Vgl. Ribeiro et al. (2014), S. 125 Ribeiro et al. generierten in ihrer Studie mit jungen Erwachsenen (Studenten: 17 – 45 Jahre) und psychiatrisch-stationären Patienten (18 – 62 Jahre)[4]Vgl. Ribeiro et al. (2014), S. 117-121 Ergebnisse hinsichtlich Furchtlosigkeit gegenüber dem Tod, die in Verbindung mit Schmerzwahrnehmung stehen (selbstwahrnehmende Fähigkeit physischen Beschwerden sowie Angst vor physischen Schmerzen standzuhalten; Verhaltensbeurteilung von Schmerztoleranz).[5]Vgl. Ribeiro et al. (2014), S. 124 Ebenso kann die Ansicht, dass die reale Situation nicht mit der erwünschten übereinstimmt, eine Lücke zwischen dem idealen Zustand des Selbst (ideal self-state) und dem sich gegensätzlich entwickelnden Leben entstehen lassen, welche jemanden in das Gefühl der Macht- sowie Wertlosigkeit drängen kann. Wenn die Selbstwertschätzung zusätzlich von diesem idealen Zustand abhängig ist, kann dies jemanden dazu bringen Selbstmord zu begehen.[6]Vgl. Rurup et al. (2011), S. 211 zitiert nach Ronningstam/Weinberg/Maltsberger (2008), S. 169–182
Inwiefern kann ein Suizid positiv sein?:
Sofern man die Meinung vertritt, dass die Option bestehen sollte, das eigene Leben zu einem eigens gewählten Zeitpunkt beenden zu können, so kann der Gedanke an das Bestehen dieser Möglichkeit (unabhängig davon, ob auf diese zurückgegriffen wird oder nicht) beruhigend sein.[7]Vgl. Parsons (2011), S. 15 Victor Thuronyi, ein Myelom-Patient, berichtete in einem Artikel der The Washington Post von 2016, dass er die Option des beschleunigenden Todes durch voranschreitende Behandlung oder Zunahme der Schmerzmittel (hastened death) haben möchte.[8]Vgl. The Washington Post (2016) “[…] I may or may not use it depending on the circumstances. Having this tool available is part of sensible end-of-life planning.”[9]Vgl. The Washington Post (2016) zitiert nach Thuronyi (2016) Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod zu einem Zeitpunkt, an dem man selbst noch vollste Kontrolle hat, ist hilfreich. Das Regeln der Wichtigkeiten rund um den eigenen Tod erfordert in jedem Erwachsenenalter Kraft und Mut, jedoch kann diese Kontrolle über das eigene Leben Erleichterung hervorrufen. In einem Artikel der Mail on Sunday von 2012, Meinungen bezüglich der Debatte der Würde der Sterbenden veröffentlichend, äußerte sich Tom Day (55) zu diesem Aspekt wie folgt:“I am a healthy, fit, 55-year-old [m]an who loves life. I have no condition that threatens my life and dignity, but I am about to complete an advance directive to try to ensure my wishes are observed should that situation change. I wish more people would talk about death, their wishes and thoughts, so that the pressure to change the law might increase.”[10]Vgl. Hunter/Hunter (2012), S. 93 zitiert nach Day (2012) Der Tod ist Teil unseres Lebens, und so wie wir das Recht besitzen unser Leben zu planen, so sollte es uns ebenso gestattet sein unseren Tod nach unseren Wünschen zu gestalten. Resultate einer Studie von Gerstorf et al. zeigten, dass das Wahrnehmen von größerer persönlicher Kontrolle über das eigene Leben mit einem höheren late-life well-being, weniger schweren late-life Verschlechterungen sowie einem späteren Beginn terminaler Verschlechterungen verbunden ist.[11]Vgl. Gerstorf et al. (2014), S. 612 Individuen differieren voneinander in Bezug auf den Zeitpunkt des Übergangs in die terminale Verschlechterung (terminal decline). In ihrer Studie konnte dieser Übergang im Durchschnitt vier Jahre vor dem Tod festgestellt werden.[12]Vgl. Gerstorf et al. (2014), S. 613 Von Natur aus interessante Aufgaben sowie Zugang zu Autonomie-unterstützenden Situationen, fördern das Erfahren des Leistens bedeutungsvoller Beiträge. Selbstkontrolle spielt dabei ebenso eine Rolle und ist von großem Wert, um nicht in nicht-inspirierenden Umständen festzusitzen.[13]Vgl. Converse/Juarez/Hennecke (2018), S. 18 Die Qualität der Motivation (als Schlüsselfaktor hinsichtlich des Erfolgs der Zielverfolgung, der Bedürfniserfüllung sowie des Wohlergehens) kann durch Selbstkontroll-Prozesse bestimmt werden, die vom Individuum initiiert werden.[14]Vgl. Converse/Juarez/Hennecke (2018), S. 17
In Bezug auf die Palliativpflege sterbenskranker Menschen, ist die Rede des pensionierten Urologen und Chirurgen Dr. Rodney Syme (DWDV[15]Siehe dazu Dying With Dignity Victoria https://www.dwdv.org.au/ Vizepräsident), ein langjähriger Befürworter des freiwilligen assistierten Sterbens, als lesenswert zu nennen. Er kritisiert diese als Pflegemodell, welches mehr und mehr so definiert und spezialisiert worden ist, dass sich der Patient einfügen muss.[16]Vgl. Syme (2015), S. 204 “I support the open and frank communication between dying patient and doctor, of supporting your patient to go as far with their life as possible, and encouraging the acceptance of the reality of dying, the maximal relief of pain and suffering, giving them a sense of control over the end of their lives, respect for patient autonomy and encouraging dialogue between dying patient and family with the important object of allowing them to say goodbye — all good palliative principles. But I do not accept the rigid imposition of a particular model of care, and a limited choice at the end of life which condemns some people to die in a way that is anathema to them, in order to satisfy the moral view of their doctor.”[17]Syme (2015), S. 205 In diesem Zusammenhang äußerte sich auch Dr. Phil Whitaker in einer Zeitschrift und mahnte, dass es in der Palliativpflege auch reichlich schlimme Sterbensgeschichten von Patienten gibt: Ärzte, die verleugnen und mit aktiver Behandlung fortfahren, obwohl der Pflegefokus längst woanders hätte liegen sollen. Akzeptanz käme zu spät oder gar nicht, Möglichkeiten der Verabschiedung gingen infolgedessen verloren. Dr. Whitaker berichtete, dass Verwandte in Fällen darauf plädierten, den Tod eines geliebten Menschen zu beschleunigen, mit dem Argument, dass wir unseren Haustieren einen solchen Weg ersparen würden.[18]Vgl. Whitaker (2015), S. 79 “A good death is one with dignity. […] Open discussion is the only way to break the conspiracy of denial that still adversely affects too many who are terminally ill. This may transform even greater numbers of “unassisted” deaths, facilitating acceptance, leave-taking and optimization of palliative care.”[19]Whitaker (2015), S. 79 Umfangreiche Services, die sich auf end-of-life Planung spezialisiert haben, gibt es bereits als Smartphone-App (sowohl kostenlos, als auch kostenpflichtig). Diese sind äußerst vielfältig aufgestellt und ermöglichen beispielsweise das Speichern autobiographischer Daten (Fotos, Videos, Sprachnotizen), die nach dem Tod über Jahre hinweg verfügbar gemacht und an geliebte Leute geschickt werden können; das Speichern der Gesundheitsdaten, auf die ein Arzt zugreifen kann; die Speicherung der wichtigsten Dokumente (Testament, Passwörter, Finanzunterlagen, Instruktionen für die Haustierpflege u.a.) sowie das Speichern von Wünschen hinsichtlich der Beerdigung oder medizinischer Präferenzen. Beispiele sind CAKE, everplans, myDirectives, AfterSteps, SAFEBEYOND oder eterniam.[20]Vgl. BusinessWest (2017), S. 30-47 Weltbild beispielsweise bewirbt ‚Die Vorsorge-Mappe‘ für Testamente, Vollmachten und Verfügungen, die an Angehörige ausgehändigt werden kann. All dies vereint an einem Ort, der autorisierten Personen zugänglich gemacht wird, kann Erleichterung verschaffen und dabei helfen, den Tod als Teil des Lebens zu akzeptieren sowie in eigenem Tempo zu planen, womit man sich wohl fühlt. “Each and every one of us should have a say in how we live our lives, from beginning to end (and even beyond) […] Gift your loved ones with the information of what you would want, and how you want to be remembered. […] It can put things in perspective and give you and your loved ones more peace of mind. It is a very considerate act to let your loved ones know what you would want. You can go at your own pace, and plan as much as feels right to you.”[21]Chen/Zhang (2017), S. 30
Rurup et al. widmeten sich in einer Interviewstudie dem verstehen, weshalb ältere Menschen einen Todeswunsch entwickeln. Lediglich eine Minderheit derjenigen mit Todeswunsch (20%) litt unter einer depressiven Störung.[22]Vgl. Rurup et al. (2011), S, 204 “The practical implications of this study are that clinicians should realize that only a minority of people with a wish to die have a depressive disorder, and most people with a wish to die do not perceive depression as the primary cause of their wish to die.”[23]Rurup et al. (2011), S. 212 Die meisten Befragten hegten über viele Jahre den Wunsch zu sterben, kämpften mit dem ursprünglichen Trigger* und fanden sich daraufhin in einer für sie inakzeptablen Situation wieder. Dieser Kampf schien sie jedoch nicht konstant zu der Frage zu veranlassen, ob sie ihr Leben beenden sollen oder nicht, und auch schienen sie sich nicht an der Tatsache zu stören, dass sie einen Todeswunsch hegen.[24]Vgl. Rurup et al. (2011), S 212
[*Trigger, die sich aus den Interviews ergaben, waren:- traumatische Lebensereignisse in jungen Jahren (Erfahrungen in japanischen Konzentrationslagern/im Krieg; sexueller Missbrauch)
- traumatische Lebensereignisse im späteren Leben (Tod des Partners; Scheidung; Arbeitslosigkeit, aufgrund von Pensionierung oder Krankheit)
- Empfinden eines Lebens geprägt von Unglück und Nöten
- schlechte Lebensqualität als Konsequenz des Alterns oder Krankheit (Abhängigkeit; physische Beeinträchtigungen)
- wiederkehrende Episoden von Depression oder Burnout
- Lücke zwischen der erwünschten, gegenüber der realen Situation (das Gefühl, nicht die Kontrolle über das eigene Leben zu haben/ein Opfer der eigenen Situation zu sein; keine Zufriedenheit, auch nicht in Verbindung mit positiven Aspekten des eigenen Lebens)
- das Gefühl der Nutzlosigkeit (Schwierigkeiten, einen Grund für das Weiterleben zu finden)
- hohe Erwartung an andere, in Bezug auf das Leisten von Hilfe (keine regelmäßigen Besuche von Freunden und Familie; scheinbares Desinteresse von Seiten eigener Kinder; Erwarten des Verstehen der Wichtigkeit der Hilfeleistung und Gesellschaft der Familie/Freunde ohne dies mitzuteilen)
- Mangel an sozialen Kontakten (Einsamkeit durch Witwenschaft/Tod von Familie, Freunden, Bekannten/Langeweile)][25]Vgl. Rurup et al. (2011), S. 207-209
Das Entwickeln von Gedanken an den Tod als etwas Positives oder die Erlösung von Problemen, stellte für die Älteren der Studie einen Weg dar, Kontrolle zurückzuerlangen. Als Hauptgrund für den Todeswunsch wurde die Erlösung von den oben aufgeführten Problemen genannt. Einige Befragten äußerten positive Assoziationen mit dem Tod, aufgrund des Glaubens an ein Leben nach dem Tod sowie der Freude auf ein Wiedersehen mit geliebten Menschen. Andere sahen den Tod als etwas Wunderschönes (ohne den Glauben an ein Leben nach dem Tod), da sie ihn mit Frieden oder dem Ende des Leidens assoziierten. Wieder andere sehnten sich nach einem würdevollen Tod, wie sie ihn bei Nahestehenden erlebt hatten.[26]Vgl. Rurup et al. (2011), S. 210
“Their life was below the norm of what they considered acceptable, even if they did realize they had no choice but to accept it.”[27]Rurup et al. (2011), S. 208 Mit einer Legalisierung des freiwilligen assistierten Suizids, unabhängig des Bestehens einer Depression oder anderweitigen Krankheit, müssten Volljährige und ältere Erwachsene nicht in einem für sie unzumutbaren Leben festhängen oder Angst davor haben, einen Suizid aus eigener Kraft nicht richtig zu vollziehen und/oder Schmerzen sowie negative Folgen zu erleiden, da eine autorisierte Person ihnen dies abnehme. “Most respondents considered the practical side of dying as the most negative. Most had rejected suicide as an option, either because they thought this was just unacceptable, or because they were afraid of doing it or surviving with injuries. And most had concerns for their loved ones and/or people who would see them or find them. Some were scared of death or dying, or were afraid of “not existing” or described an “instinct” to want to continue living despite problems. Some were scared about not being found soon after death, although others did not care at all about the how and when and simply longed for death, but did not end their life for their children or other relatives.”[28]Rurup et al. (2011), S. 210 Wie die Studie von Rurup et al. aufwies, können Menschen eine Balance zwischen dem Wunsch zu sterben und dem Wunsch zu leben erreichen. Warum kann man nicht jenen, die dies nicht können oder wollen, in Form des Freitods Abhilfe schaffen? (Es gilt hier selbstverständlich anzumerken, dass diese Thematik für ihre ethisch-korrekte Umsetzung klarer Regeln und definiert-politischer Auseinandersetzung im jeweiligen Land bedarf!)
Abbildung 1: Hände in Handschellen, gezeichnet (Quelle: Eigene Darstellung)
Beispiel-Fälle:
Die Zeitschrift Daily Mail berichtete 2017 in einem Artikel von dem Briten Dr. Michael Irwin (86), einem Hausarzt im Ruhestand, der an progressivem Nierenversagen leidet. Er möchte auf legalem Wege seinen eventuellen Tod planen und entschied sich für die Hilfe des schweizerischen Vereins der DIGNITAS,[29]Siehe dazu http://www.dignitas.ch/ welcher ihm einen Freitod (assistierter Suizid) ermöglichen kann. Er äußerte: “I don’t want to hang on getting more and more decrepit, I’ve no desire to be in a nursing home. It’s a life I do not want. It’s a question of planning ahead. […] Dignitas is a possibility. The trouble is you have to make the journey, it’s nice if one could stay at home.”[30]Vgl. Bever (2018) zitiert nach Goodall (2018) Ein weiterer, wohl bekannterer Fall, ist der des australischen Botanikers und Ökologen David Goodall (104). Er litt unter keiner unheilbaren Krankheit (terminally ill), entschied jedoch für sich, dass seine Zeit gekommen war und reiste in eine Klinik in der Schweiz, die assistierten Suizid auch für nicht sterbenskranke Menschen ermöglichte.[31]Vgl. Bever (2018) Gegenüber dem australischen Rundfunk ABC sagte er, er bedauere es sehr dieses Alter erreicht zu haben und nicht etwa 20 oder 30 Jahre jünger gestorben zu sein. Er fügte hinzu, dass er nicht glücklich sei und sterben wolle, dies seine eigene Entscheidung sei und er dem entgegensehe. Dies sei nicht traurig, traurig sei es, jemandem diese Entscheidung zu verwehren, sagte Goodall.[32]Vgl. Bever (2018) zitiert nach Goodall (2018) Auf seiner letzten Pressekonferenz in Basel trug er ein T-Shirt mit der Aufschrift “Ageing Disgracefully” (schmachvoll alternd). Wie auch Dr. Irwin, merkte Goodall an, dass er es präferieren würde in seinem eigenen Land abzutreten. “This country is my home. I’m sorry to have to go a long way away in order to end my life.”[33]Vgl. Bever (2018) zitiert nach Goodall (2018) Goodall hoffe, dass seine Geschichte Gesetzgeber dazu ermutigt, es in Betracht zu ziehen, anderen wie ihm das Treffen eigener Entscheidungen über den eigenen Tod zu gestatten. Zusätzlich würde er gerne als ein Instrument in Erinnerung bleiben, dass die Älteren befreit ihren eigenen Tod zu wählen.[34]Vgl. Bever (2018) “At my age, and even rather less than my age, one wants to be free to choose the death and when the death is the appropriate time […]”[35]Vgl. Bever (2018) zitiert nach Goodall (2018) Warum also ist es nicht für Erwachsene jeden Alters, welche kognitiv Imstande sind über ihren Tod zu entscheiden, unabhängig von Krankheit gestattet, über ihr Schicksal, frei von den Bestimmungen und Wünschen anderer, selbstbestimmt einen Beschluss zu fassen? Ich persönlich sehe eine große Wichtigkeit darin, unabhängig von Krankheit jeglicher Art, die Möglichkeit haben zu müssen, ab dem Erreichen des Erwachsenenalters jederzeit selbstbestimmt und aus freiem, eigenen Willen (ausschließlich bei vollem Verstand) für sich entscheiden zu können, dass diese Welt nicht oder nicht mehr diejenige ist, zu der man gehört oder gehören möchte, unabhängig der eigenen Überzeugung. Hiermit ist nicht die Aufopferung für jemanden oder etwas gemeint, oder das Handeln aus einer Laune heraus, sondern einzig der durchdachte, tiefgründige Wunsch nach dem Tod, in der Hoffnung auf eine Zukunft, in der man als die Person, die man zu sein glaubt oder die man sich zu sein wünscht, an einen Ort gelangt, an dem man eben diese zu sein vermag.
Es gilt abschließend anzumerken, dass die Meinungen hinsichtlich dessen, was und ob etwas mit einem selbst nach dem Tod passiert, was Tod und Sterben für einen individuellen Wert haben, und inwieweit man sich damit auseinandersetzen und Vorkehrungen treffen möchte, selbstverständlich variieren und subjektiver Natur sind. Dieser Beitrag soll lediglich zu einem Diskurs anregen, der in der Öffentlichkeit auch heutzutage noch nicht oft geführt wird, und nicht etwa den Glauben, die Denkweise oder Lebensart anderer Menschen verurteilen. Man kann sich nie vollständig sicher sein, ob eine Person (krank oder nicht) aus reiner Eigenmotivation sterben will. Jemandem diesen Wunsch aus dieser Ungewissheit heraus prinzipiell zu verwehren, kann jedoch nicht die Lösung sein. “The best law needs to take account of the possible consequences of the different possible choices.”[36]Ricou/Wainwright (2018), S. 5
Literaturquellen:
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Chen, S./Zhang, M. (2017), Passing Interest: Web Services Take End-of-Life Planning into the Smartphone Age, BusinessWest, Vol. 34, Issue 11, S. 30-47.
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Gerstorf, D./Heckhausen, J./Ram, N./Infurna, F.J./Schupp, J./Wagner, G.G. (2014), Perceived Personal Control Buffers Terminal Decline in Well-Being, Psychology and Aging, Vol. 29, No. 3, S. 612–625.
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Irwin, M. (2017), Right-to-die GP plans own death, Daily Mail, 03077578.
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Ribeiro, J.D./Witte, T.K./Van Orden, K.A./Selby, E.A./Gordon, K.H./Bender, T.W./Joiner Jr., T.E. (2014), Fearlessness About Death: The Psychometric Properties and Construct Validity of the Revision to the Acquired Capability for Suicide Scale, Psychological Assessment, Vol. 26, No. 1, S. 115–126.
Ricou, M./Wainwright, T. (2018), The Psychology of Euthanasia: Why There Are No Easy Answers, European Psychologist, 1-14.
Rurup, M.L./Pasman, H.R.W./Goedhart, J./Deeg, D.J.H./Kerkhof, A.J.F.M./ Onwuteaka-Philipsen, B.D. (2011), Understanding Why Older People Develop a Wish to Die: A Qualitative Interview Study, Crisis: The Journal of Crisis Intervention and Suicide Prevention, Vol 32, No. 4, S. 204-216.
Syme, R. (2015), Palliative Care: The gap between rhetoric and reality, Vital Speeches of the Day, Vol. 81 Issue 7, S. 202-205.
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Thuronyi, V. (2016). Options near the end of life. The Washington Post.
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Whitaker, P. (2015), Health Matters: The defeat of the Assisted Dying Bill leaves us all at the whim of the law, New Statesman, Vol. 144, Issue 5280, S. 79.
Tabellen und Abbildungen:
Tabelle 1: Wichtige Begriffserklärungen (Quelle: Eigene Darstellung), in inhaltlicher Anlehnung an den Artikel von Ricou/Wainwright (2018)
Abbildung 1: Hände in Handschellen, gezeichnet (Quelle: Eigene Darstellung)
Beitragsbild: Kopf, gezeichnet (Quelle: Eigene Darstellung)
References
↑1 | Vgl. Oxford University Press (2018) https://en.oxforddictionaries.com/definition/suicide, abgerufen am 28.09.2018 |
---|---|
↑2 | Vgl. Ricou/Wainwright (2018), S. 2-4 |
↑3 | Vgl. Ribeiro et al. (2014), S. 125 |
↑4 | Vgl. Ribeiro et al. (2014), S. 117-121 |
↑5 | Vgl. Ribeiro et al. (2014), S. 124 |
↑6 | Vgl. Rurup et al. (2011), S. 211 zitiert nach Ronningstam/Weinberg/Maltsberger (2008), S. 169–182 |
↑7 | Vgl. Parsons (2011), S. 15 |
↑8 | Vgl. The Washington Post (2016 |
↑9 | Vgl. The Washington Post (2016) zitiert nach Thuronyi (2016 |
↑10 | Vgl. Hunter/Hunter (2012), S. 93 zitiert nach Day (2012 |
↑11 | Vgl. Gerstorf et al. (2014), S. 612 |
↑12 | Vgl. Gerstorf et al. (2014), S. 613 |
↑13 | Vgl. Converse/Juarez/Hennecke (2018), S. 18 |
↑14 | Vgl. Converse/Juarez/Hennecke (2018), S. 17 |
↑15 | Siehe dazu Dying With Dignity Victoria https://www.dwdv.org.au/ |
↑16 | Vgl. Syme (2015), S. 204 |
↑17 | Syme (2015), S. 205 |
↑18 | Vgl. Whitaker (2015), S. 79 |
↑19 | Whitaker (2015), S. 79 |
↑20 | Vgl. BusinessWest (2017), S. 30-47 |
↑21 | Chen/Zhang (2017), S. 30 |
↑22 | Vgl. Rurup et al. (2011), S, 204 |
↑23 | Rurup et al. (2011), S. 212 |
↑24 | Vgl. Rurup et al. (2011), S 212 |
↑25 | Vgl. Rurup et al. (2011), S. 207-209 |
↑26 | Vgl. Rurup et al. (2011), S. 210 |
↑27 | Rurup et al. (2011), S. 208 |
↑28 | Rurup et al. (2011), S. 210 |
↑29 | Siehe dazu http://www.dignitas.ch/ |
↑30, ↑32, ↑33, ↑35 | Vgl. Bever (2018) zitiert nach Goodall (2018 |
↑31, ↑34 | Vgl. Bever (2018 |
↑36 | Ricou/Wainwright (2018), S. 5 |