Zur Reform der Psychotherapieausbildung – Anmerkungen und Kritik
Nach langjähriger Diskussion hat der Gesetzgeber Ende 2019 eine Reform der Ausbildung von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten verabschiedet, die zum 1. September 2020 in Kraft treten wird.[1] Dabei soll der Wechsel vom alten in das neue System mittels einer zwölfjährigen Übergangsfrist gewährleistet werden. Diesem Gesetzesbeschluss folgend wurde am 14. Februar des laufenden Jahres vom Bundestag die neue Approbationsordnung beschlossen, die mittlerweile auch veröffentlicht worden ist. Für das kommende Jahr wird erwartet, dass die Psychotherapeutenkammern die Musterweiterbildungsordnung zur Verfügung stellen.[2] Im Folgenden sollen einige wichtige Änderungen dieser weitreichenden Reform kritisch beleuchtet werden. Die Approbation - künftig schneller als bisher, aber dafür ohne die [...]
Beratung, Coaching, Supervision – babylonische Sprachverwirrung?
Coaching in der Küche, im Kinder- oder Schlafzimmer - es scheint für jede (un-)passende Gelegenheit mittlerweile den richtigen Coach, die richtige Beraterin oder den richtigen Supervisor zu geben. Kein Wunder, denn das Geschäft mit der professionellen Beratung hat 2016 nach konservativen Schätzungen einen Umsatz von einer halben Milliarde Euro erreicht.[1] Allein die Zahl der Coaches in Deutschland liegt laut Branchen-Angaben bei rund 9000.[2] Nimmt man diejenigen dazu, die unter den Begriffen Beratung oder Supervision agieren, steigt die Zahl sicher über die 10 Tausend-Marke. Grund genug, ein wenig Ordnung in die Vielzahl der Begrifflichkeiten zu bringen. Soll man sich mit seinem [...]
Neid: Wenn das Gras woanders grüner ist
Wenn Individuen Neid empfinden, dann erscheint das Gras auf der andere Seite des Zaunes oft grüner, satter, gepflegter, hochwertiger und gesünder. Unsere eigene Wiese kann nicht mithalten, obwohl wir uns das anders wünschen würden. Mit Neid werden in der Bevölkerung überwiegend unangenehme und geächtete Gefühle und Verhaltensweisen assoziiert.[1]Auch Schimmel sagt: „Neid ist die Qual, wenn wir registrieren, dass andere Menschen Dinge, Güter oder Qualitäten besitzen, die wir selber nicht haben, aber unser eigen nennen möchten“.[2] Die Emotionspsychologie beschäftigt sich seit den 1990er Jahren intensiver mit dem Gefühl des Neides und kam zu der Erkenntnis, dass Neid keine von uns Menschen [...]
Was ist die „Motivierende Gesprächsführung“?
Die motivierende Gesprächsführung ist im englischen Sprachraum unter dem Begriff „Motivational Interviewing“ (MI) bekannt und wurde von den amerikanischen Psychologen Wiliam R. Miller und seinem britischen Kollegen Stephen Rollnick in den frühen 1980er Jahren entwickelt.[1] Zu Millers und Rollnicks Zeiten herrschte im therapeutischen Setting ein konfrontativer Beratungsstil vor, der es dem Patienten ermöglichen sollte sein Problem zu erkennen und aus der Selbsterkenntnis, die nötige Veränderungsmotivation zu erhalten. In seiner Arbeit mit Suchterkrankten geriet Miller mit dieser Technik jedoch immer häufiger an seine Grenzen.[2] Daraufhin fing der amerikanische Psychologe an seine Patienten mit dem damals neuen klientenzentrierten Ansatz von Carl [...]
Welche psychischen Folgen hat Perfektionismus?
Perfektionismus beschreibt die Überzeugung von Individuen, dass es im Leben perfekte Zustände gibt, die es zu erreichen gilt.[1] Shafran, Egan und Wade (2018) definieren Perfektionismus als Gruppe von „beliefs that perfection can, and should be, attained“.[2] Die Überzeugung treibt Perfektionisten dazu an in bestimmten oder gar allen Lebensbereichen erfolgsorientiert und möglichst fehlerlos zu handeln. Zusätzlich handeln sie häufig aktivitätsorientiert und werden als „Workaholics“ beschrieben, indem sie sich ständig in Bewegung halten.[3] Die perfektionistischen Verhaltensweisen können als eine Art Persönlichkeitseigenschaft verstanden werden, die hauptsächlich durch das Erziehungsverhalten der Eltern geprägt wird. Dieser Umstand erklärt auch, warum nicht alle Menschen gleichermaßen [...]