By Published On: 18. Februar 2025Categories: Inklusion, Pädagogik

Menschen im Erwachsenenalter gehen im Allgemeinen einer Beschäftigung nach. Dafür besuchen Menschen mit komplexen Behinderungen meist eine Tagesförderstätte. Je nach Träger ist diese eigenständig, an den Arbeitsbereich oder das Wohnen angeschlossen. Hier werden unter anderem Beschäftigungsangebote gemacht, die mit Arbeitsaufträgen zusammenhängen können. Jedoch findet, aus unterschiedlichen Gründen, keine Inklusion in den Sozialraum statt. Darüber hinaus gibt es auch Menschen mit Behinderung, die diese Angebote nicht besuchen können. Gründe dafür können im Verhalten liegen oder dass es keine freie Plätze gibt. Das stellt die Tagesförderstätten vor besondere Herausforderungen. In den letzten Jahren haben sich innovative Ansätze entwickelt, die die gesellschaftliche Teilhabe für diese Menschen fördern.

Aufgaben und Wahrnehmung im Sozialraum

Es zeigt sich immer noch, dass  Menschen, deren Handlungen nicht koordinierbar und planbar scheinen, vom Recht auf die Teilhabe am Arbeitsleben ausgeschlossen sind (Arbeiter-Samariter-Bund Gesellschaft für soziale Hilfen mbH Tagesförderstätte, o. J.). Für komplex behinderte Menschen besteht häufig kein Anspruch auf Teilhabe am Arbeitsleben oder beruflicher Bildung. Sie erbringen nicht das Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarere Arbeitsleistung. Es besteht jedoch die Möglichkeit diese Menschen nicht nur in isolierten Sondereinrichtungen zu betreuen, sondern auch Teilhabeangebote im Sozialraum zu ermöglichen. Dabei geht es nicht um ständiges Fördern, sondern personenbezogenes Inkludieren. Es gibt dabei unterschiedliche Angebote von der Entsorgung von Kunststofffolie in einer Gärtnerei, über das Heraussuchen von Plastikkorken aus der Altkorkensammlungen bis hin zum Karton zerkleinern in einem Fahrradladen. (Becker, 2024, S. 10–11). Häufig werden die Wege zu den Angeboten mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt, dies ermöglicht bereits Berührungspunkte mit der Umgebung und dem Sozialraum (Juterczenka & Wilken-Dapper, 2024, S. 18). Die Menschen werden durch die Angebote, außerhalb der Tagesförderstätte, im entsprechenden Sozialraum tätig. Sie kommen dabei in den Austausch mit ihren Mitmenschen. Durch ihre Tätigkeiten werden sie nicht mehr nur als Menschen wahrgenommen, die spazieren gehen, sondern als aktiver Teil des Sozialraums, der Aufgaben übernimmt. (Becker, 2024, S. 12). Um dies zu erreichen, müssen auch einige Herausforderungen gemeistert werden.

Unter dem Aspekt der Sozialraumorientierung werden immer mehr Arbeitsangebote zur Teilhabe am Arbeitsleben für komplex behinderte Menschen angeboten. Jedoch stehen die Mitarbeiter vor der Aufgabe Barrieren zu überwinden und die Umweltfaktoren für die Personen entsprechend zu gestalten (Hoffmann & Becker, 2023). Nur so kann das Angebot auf Dauer gelingen. Neben den komplex behinderten Menschen in den Tagesstätten gibt es auch jene, die diese aus unterschiedlichen Gründen nicht besuchen können. Dies kann daran liegen, dass sie selbst diese Form nicht besuchen möchten. Weiter könnte ein herausforderndes Verhalten vorliegen, das im Gruppenangebot nicht betreut werden kann. Wie kann diesen eine Tagesstruktur und Sozialraumorientierung angeboten werden?

Individuelle Betreuungsangebote im Sozialraum

Es gibt die Möglichkeit für einzelne Personen ein eigenes Teilhabeangebot aufzubauen, das vollständig ambulant stattfindet und eine sinnvolle Tages- und Wochenstruktur bietet (Blesinger, 2017, S. 59). Solch ein Betreuungsangebot gibt es mit „In Betrieb“ in Hamburg. Es ist die Ergänzung zu den zuvor beschriebenen Betreuungsangebote die stundenweise die Tagesstätte verlassen, um in verschiedenen Betrieben zu arbeiten. Die Mitarbeiter fahren zu den Menschen mit Behinderung nach Hause. Dort beginnen und beenden sie das Angebot. Die Interessen und den Orten, an denen sie sich gern aufhalten, werden herausgearbeitet. Hieraus wird eine Aufgabe im Sozialraum erstellt. So werden durch diesen Ansatz die Arbeitsangebote in den Wohnraum gebracht. Dabei werden nicht nur Arbeitsangebote unterbreitet, sondern es können auch Beschäftigungen aus der Arbeitsfreien Zeit angeboten werden. Dazu zählen Bewegungsangebote oder Bildungsangebote durch Besuche in Museen. Die betreuten Menschen befinden sich häufig in Krisensituationen und benötigen daher Stabilität. Aus diesem Grund wird „In Betrieb“ in einer verlässlichen 1:1 Begleitung für wenige Stunden durchgeführt. Dafür sind immer mehrere Mitarbeiter eingearbeitet. Lange Angebote am Stück oder eine Ganztagesbetreuung in einer Gruppe ist meist nicht sinnvoll. In der restlichen Zeit werden sie von ihrem Wohnumfeld betreut. Das Angebot richtet sich an Menschen mit Behinderungen, die beispielsweise herausforderndes Verhalten zeigen, Schwierigkeiten mit dem Transport haben oder ihr Wohnumfeld nur schwer verlassen können. Ebenso kann zu Grunde liegen, dass Lärm sie überfordert oder der Wunsch besteht, keine Tagesförderstätte zu besuchen (53° NORD, 2023). Für alle diese Angebote müssen Nischen gefunden werden, in denen die Menschen mit Behinderungen ihren sinnvollen Beitrag zur Gesellschaft leisten können. Dabei geht es nicht um ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis (Becker, 2024, S. 11–12). Die Zusammenarbeit mit Unternehmen erfolgt meist unproblematisch. Jedoch ist ihnen wichtig, dass die Angebote zuverlässig stattfinden (53° NORD, 2023).

Fazit

Es gibt innovative Ansätze für die Betreuung von komplex behinderten Menschen, außerhalb der bekannten klassischen Tagesförderstätten. Dabei ist eine individuelle Ausrichtung des Angebotes an den Bedürfnissen und Fähigkeiten der Betroffenen wichtig. Es geht nicht um ein lebenslanges Fördern, sondern um ein Inkludieren in die Gesellschaft. Durch die Sichtbarkeit der Menschen mit komplexen Behinderungen im Sozialraum und der Übernahme von Aufgaben darin, wird der Weg in diese Richtung eingeschlagen. Menschen mit herausforderndem Verhalten kann, durch eine 1:1 Betreuung, ein sinnvolles Angebot im Sozialraum gemacht werden. Häufig ist hierdurch ein Herausführen aus einer Krisensituation der Menschen möglich. Wie sich an den Aussagen zeigt, sind die Unternehmen zur Zusammenarbeit bereit. Es ist wichtig die Mitarbeiter in den Tagesförderstätten zu begeistern, dass sie diesen Weg mitgehen und für eine Zuverlässige Wahrnehmung der Angebote sorgen. Bisher gibt es diese Ansätze hauptsächlich in Großstädten, daher ist es wichtig diese Angebote auch in ländlich geprägten Regionen zu installieren. Für alle Menschen das richtige Angebot zu finden, wird seine Zeit dauern. Dennoch lohnt es sich diesen Weg zu gehen, da diese Ansätze eine inklusivere Gesellschaft für Menschen mit komplexen Behinderten fördern, in der sie selbstbestimmt leben und teilhaben können.

Literaturverzeichnis

53° NORD (53° NORD Agentur und Verlag, Hrsg.). (2023). Tagesförderung ohne Tagesstätte – kann das gehen?, Zugriff 04.12.2024. Verfügbar unter: https://www.53grad-nord.com/klarer-kurs/artikel/tagesfoerderung-ohne-tagesstaette-kann-das-gehen

Arbeiter-Samariter-Bund Gesellschaft für soziale Hilfen mbH Tagesförderstätte. (o. J.). bei der Arbeit… -Tagesförderstätte. 2 Teilhabe am Arbeitsleben in der ASB-Tagesförderstätte, Zugriff 01.12.2024. Verfügbar unter: https://www.asb-bremen.de/application/files/5615/2845/6513/SOHI_Broschure_bei_der_Arbeit_2017-04-12_0.5_Seiten.pdf

Becker, H. (2024). Es geht! Betriebliche Teilhabe am Arbeitsleben von Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf ist hier und jetzt möglich. Das Band, 55(3), 10–12. Verfügbar unter: http://heinz-becker-bremen.de/wp-content/uploads/2024/11/2024-Es-geht-Das-Band.pdf

Blesinger, B. (2017). „Zeit für Arbeit – mittendrin!“. Leitfaden zum Aufbau von arbeitsweltbezogenen Teilhabeangeboten in Betrieben und im Sozialraum für Menschen mit komplexem Unterstützungsbedarf. Hamburg: Bundesarbeitsgemeinschaft für Unterstützte Beschäftigung e.V. Verfügbar unter: https://daten2.verwaltungsportal.de/dateien/seitengenerator/2dfbfa463a4d7f71be425968cfed6a22203482/arbeitshilfe_zeit_fuer_arbeit_am.pdf

Hoffmann, J. & Becker, H. (2023). Selbstwirksam und aktiv sein außerhalb und innerhalb von Förderstätten. Teilhabe am Arbeitsleben für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf, Zugriff 01.12.2024. Verfügbar unter: https://qualitaetsoffensive-teilhabe.de/nachrichten-termine/tagung-selbstwirksam-und-aktiv-sein-ausserhalb-und-innerhalb-von-foerderstaetten-teilhabe-am-arbeitsleben-fuer-menschen-mit-hohem-unterstuetzungsbedarf/

Juterczenka, W. & Wilken-Dapper, S. (2024). Teilhabe braucht Angebotsvielfalt. Das Band, 55(3), 17–19

Titelbildquelle

Titelbild „Männer und Frauen Warten An Bushaltestelle“ von Ernst-Günther Krause veröffentlicht am 16.03.2023 über https://www.pexels.com/de-de/foto/manner-und-frauen-warten-an-bushaltestelle-15965909/, abgerufen am 16.02.2025

Nutzungsbedingungen unter https://www.pexels.com/de-de/lizenz/, abgerufen am 16.02.2025

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