By Published On: 13. August 2019Categories: Pädagogik, Psychologie

Bereits seit Jahrtausenden besteht das Verlangen der Menschen, sich mit Tieren verschiedener Art anzufreunden und diese zu domestizieren. So wurde der Wolf vor etwa 15 000 bis 20 000 Jahren zum treuen Begleiter des Menschen und der Haushund entwickelte sich.[1] Während Tiere bis vor rund 20 Jahren jedoch noch hauptsächlich aufgrund ihres Nutzens allgemeine Beachtung fanden, ist heutzutage ihre psychische Wirkung unumstritten.[2] Eine Studie aus dem Jahr 1985 von Lang zeigte, dass bereits im Kindesalter der Haustierwunsch eine große Sehnsucht darstellt. Dabei wurde festgestellt, dass Kinder, die selbst keine Haustiere besaßen und nur einen einzigen Wunsch äußern durften, zu 82 % einen tierischen Begleiter wollten.[3] Doch woher kommt diese Anziehung zu Tieren und welchen Einfluss haben sie auf die Entwicklung von Kindern?

 

Die Liebe zum Lebendigen – die Biophilie

Warum sich der Mensch so zu Tieren hingezogen fühlt, ist bis heute noch nicht vollständig erforscht. Der Biologe Edward O. Wilson stellte allerdings die Hypothese auf, dass es eine genetisch bedingte menschliche Affinität zur Natur und all ihren Lebewesen gibt. Dabei handelt es sich um eine physische, kognitive und emotionale Anziehung.[4] Begründet wird diese Theorie dadurch, dass sich Menschen und Tiere im Zuge der Evolution gemeinsam weiterentwickelt haben, sowohl morphologisch und physiologisch als auch sozial und psychisch, und daher eine natürlich fundierte Sympathie des Menschen zur Natur entwickelt wurde. Die Neigung zu nicht-menschlichen Lebewesen zeigt sich einerseits durch Neugierde, Empathie und Nutzen, andererseits auch durch die Angst vor Andersartigem (Biophobie).[5]

 

Die pädagogische Rolle der Tiere

Dass der Kontakt zur Natur und zu Tieren eine bedeutende Rolle für die geistige und emotionale Entwicklung von Kindern spielt, kann von keinem Wissenschaftler mehr widerlegt werden. So wurde festgestellt, dass Personen, die in einer städtischen und technologischen Umgebung aufwachsen, denjenigen kognitiv und emotional unterlegen sind, die schon früh mit tierischen Lebewesen in Kontakt treten.[6] Außerdem wird von einigen Wissenschaftlern, unter Berücksichtigung des biogenetischen Grundgesetzes nach Haeckel, behauptet, dass Kinder eine tiefere Verbindung zu Tieren verspüren als zu Erwachsenen, mit Ausnahme der eigenen Mutter. [7] Im biogenetischen Grundgesetz soll der Zusammenhang zwischen der Keimesentwicklung (Ontogenese) und Stammesentwicklung (Phylogenese) erklärt werden, um aus embryonalen Merkmalen evolutionäre Verwandtschaftsbeziehungen herzuleiten.[8]

In der folgenden Tabelle werden einige psychische Wirkungen von Tieren erläutert:

Wirkungsebene Wirkungsspektrum
Geistige Anregung und Aktivierung Anregung des Gedächtnisses durch Lernen über Tiere und durch Austausch mit anderen
Stabilisierung der Befindlichkeit Bedingungslose Akzeptanz und Liebe führt zu Bestätigung, Stärkung und Anerkennung
Erhöhung des Selbstbewusstseins Gefühl des Gebrauchtwerdens und Verantwortung sorgen für ein positives Selbstbild und ein Erleben der Selbstwirksamkeit
Begünstigung der Umwelt- und Selbstkontrolle Durch Pflege, Führung und Gehorsamkeitserziehung entsteht Selbstkontrolle und ein Sensibilisieren der persönlichen Bedürfnisse

Tabelle 1 Psychische Wirkung von Tieren (Eigene Darstellung in Anlehnung an Christiansen (2016), S.51)

 

Aufgrund dieser Wirkungsebenen werden immer mehr tiergestützte pädagogische Interventionen eingesetzt, um die alten psychosozialen Handlungsstrategien zu ergänzen. Dabei sollen mit speziell ausgewählten Tieren Lernprozesse angeregt werden, die zu einer Förderung der emotionalen und sozialen Intelligenz führen. Lernen funktioniert allerdings nur, wenn die Situation als positiv bewertet wird. Dafür sorgen die Tiere, weil sie bei den meisten positive Emotionen hervorrufen. Des Weiteren können tierische Lebewesen helfen, Bindungsängste oder -probleme zu verringern oder zu beseitigen, da sie Empathie wecken und ein pro-soziales Verhalten verursachen. Neben dem Grundbedürfnis nach Bindung kann auch die Identitätsfindung begünstigt werden. So können Kinder im Umgang mit Tieren ihre eigenen Fähigkeiten und Persönlichkeitsmerkmale entdecken und stärken und auch die Selbstwirksamkeit wird gefördert. Dadurch, dass die Interaktion mit Tieren mehrere Sinne beansprucht und auch die Umwelt aktiv miteinbezogen wird, entsteht ein natürlicher mehrdimensionaler Lernraum, der förderlich für das Lernverhalten von Kindern ist. [9]

 

Fazit

Zwischen Tieren und Menschen besteht eine tiefe Verbindung, die bis heute noch nicht vollständig erklärt werden kann. Zahlreiche Theorien und Erkenntnisse sorgen aber dafür, dass Tiere nicht mehr nur als Nutzobjekt, sondern als Subjekt betrachtet werden. Vor allem für die Entwicklung von Kindern haben sie einen hohen Stellenwert: Unter anderem entdecken Kinder ihre Stärken, werden selbstbewusster und lernen, Verantwortung zu tragen. Es gilt allerdings zu beachten, dass ein Haustier kein Ersatz für die fehlende Zeit der Eltern sein sollte und diesen die Rolle des Erziehers nicht abnehmen können.

 

Fußnoten

[1] Vgl. Potjans (2019)

[2] Vgl. Otterstedt/ Rosenberger (2009), S. 7

[3] Vgl. Gebhard (2009), S. 129

[4] Vgl. Stemmler (2009), S. 2

[5] Vgl. Schöll (2015), S. 6-7

[6] Vgl. Schöll (2015), S. 7

[7] Vgl. Gebhard (2009), S. 131

[8] Vgl. Neukamm (o.A.), S. 1

[9] Vgl. Christiansen (2016), S. 42-43

 

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Psychische Wirkung von Tieren, Eigene Darstellung in Anlehnung an Christiansen, A. (2016), Tiergestützte Arbeit in der Traumabewältigung von Kindern und Jugendlichen, Hamburg.

 

Literaturverzeichnis

Christiansen, A. (2016), Tiergestützte Arbeit in der Traumabewältigung von Kindern und Jugendlichen, Hamburg.

 

Gebhard, U. (2009), Kind und Natur, 3. Auflage, Wiesbaden.

 

Otterstedt, C./ Rosenberger, M. (Hg.) (2009), Gefährten – Konkurrenten – Verwandte, Göttingen.

 

Schöll, C. (2015), Tiergestützte Pädagogik und Therapie, Hamburg.

 

Internetquellen

Neukamm, M. (o.A.), Ernst Haeckels Biogenetisches Grundgesetz und das Konzept der ontogenetischen Rekapitulation [PDF], http://ag-evolutionsbiologie.net/pdf/2007/ernst-haeckels-biogenetisches-grundgesetz.pdf, abgerufen am 07.08.2019.

 

Potjans, M. (2019), Hunde, https://www.planet-wissen.de/natur/haustiere/hunde/index.html, abgerufen am 07.08.2019.

 

Stemmler, B. (2009), Biophilie – eine unwiderlegbare Hypothese? [PDF], file:///C:/Users/acer/Downloads/Biophilie.pdf, abgerufen am 07.08.2019.

 

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