Wenn Lügen, Enttäuschung, Abwertung, Affären und Ablehnung, die ständigen Beziehungsbegleiter werden, spricht man von einer toxischen Beziehung. Dabei werden selbstbewusste und starke Menschen zu hilflosen, zunehmend unsicher werdenden sowie sich-selbst-in-Frage-stellende Personen. Sie geben sich vollends auf, um dem Partner alles Recht zu machen und brechen ihre sozialen Kontakte ab, um sich ausschließlich auf den Narzissten konzentrieren zu können (Demming, 2021, S.9). Erschreckend: toxische Beziehungen sind keine Seltenheit.
Laut einer Umfrage der Online-Partnervermittlung Parship (2021) waren ca. 36% der Befragten bereits in einer toxischen Beziehung, wobei darunter ein Drittel Männer und 41% Frauen waren (Pawlik, 2021).
Narzissmus und toxische Beziehungen
Sigmund Freud führte den Begriff des Narzissmus ein, der sich auf der griechischen Sage des Jünglings Narcissus beruht, welcher sich in sein eigenes Spiegelbild verliebte (Häcker, Stapf, 2004, S. 631). Aufgrund unseres Selbsterhaltungstriebes, tragen wir alle narzisstische Anteile in uns, welche sich in Selbstliebe, Abgrenzung und den respektvollen Umgang mit der eigenen Person äußern. Sind diese Anteile massiv ausgeprägt, wird von einem gesunden Egoismus gesprochen. Letztendlich ist von einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung die Rede, wenn der Betroffenen ein persönliches Leiden entwickelt, was sich in einem Burn-out Syndrom, Depression, Suchtverhalten oder in einer hohen Selbstmordwahrscheinlichkeit äußert (Demming, 2021, S.14-15). Der DSM-IV, ein medizinisches Standardwerk für psychische Störungen weist 9 Kriterien auf, die dabei helfen eine narzisstische Störung zu diagnostizieren, wobei 5 erfüllt werden müssen (Tab.) (Tasche, 2016, S.42).
Kriterium | Beschreibung |
Kriterium 1 | Regelmäßige Überschätzung der eigenen Fähigkeiten und Übertreiben der eignen Leistungen. |
Kriterium 2 | Starke Beschäftigung mit Phantasien wie z.B. grenzenloser Erfolg, Macht, Schönheit, Glanz und ideale Liebe. |
Kriterium 3 | Der Glaube man sei etwas Besonderes mit der Erwartung einer entsprechenden Behandlung von anderen. |
Kriterium 4 | Das Verlangen nach übermäßiger Bewunderung aufgrund eines brüchigen Selbstwertgefühls. |
Kriterium 5 | Ein überzogenes Anspruchsdenken und die Erwartung einer regelmäßig bevorzugten Behandlung. |
Kriterium 6 | Anspruchshaltung in Verbindung mit dem Mangel an Sensibilität gegenüber den Wünschen und Bedürfnissen anderer. |
Kriterium 7 | Schwierigkeiten beim Erkennen der Wünsche, subjektive Erfahrungen und Gefühle anderer. |
Kriterium 8 | Der Neid auf andere, und der Glaube dass andere neidisch auf das eigene Selbst sind. |
Kriterium 9 | Snobistische, verächtliche und herablassende Haltung. |
Vor allem zu Beginn einer Beziehung zeigen sich Narzissten charismatisch, eloquent und charmant, um kritiklose Bewunderung von ihrem Gegenüber zu erlangen (Hager, 2020, S.51). Nach dieser Idealisierungsphase, genannt „Lovebombing“ beginnen die Abwertungen und Beleidigungen (Arabi, 2016, S.9).
Unter einer toxischen (giftigen) Beziehung wird eine Verbindung verstanden, die mehr Kraft kostet, als sie gibt, die ständigen Streitereien unterliegt sowie uns traurig und unzufrieden, anstatt glücklich macht. Hierbei stehen die Bedürfnisse eines Partners im Vordergrund, während die Aufgabe des Anderen ist, diese zu erfüllen (Rettig, 2021, S.2). Außerdem werden toxische Beziehungen von Manipulation und emotionalen Missbrauch geprägt (Hartmann, 2022). Ein Partner versucht Macht und Kontrolle auszuüben und der andere unterwirft sich bis zur Selbstaufgabe. Vor allem Narzissten zeigen offen ihre Gleichgültigkeit ihrem Gegenüber, da sie sich intensiv mit sich selbst beschäftigen und den Partner komplett ausblenden bzw. vergessen (Demming 2021, S.53). Herdwart (2019, S 7-14) listet einige Merkmale auf, die eine toxische Beziehung kennzeichnen können:
- Mangelnder Respekt gegenüber dem Partner: Beleidigungen sowie das Nichtanerkennen der Meinung des Gegenübers.
- Ständige und starke Beleidigungen: Trotz des mehrmaligen Hinweisens, hinsichtlich der verletzenden Äußerungen, werden z.B. der Körper, die Intelligenz oder die Meinung kritisiert oder beleidigt.
- Körperliche Gewalt: Vollziehen von Gewaltakten, welche trotz weinen und flehen nicht gestoppt werden.
- Drohungen: Androhen von Gewalttaten und Demonstrieren der Abhängigkeit des Partners.
- Demütigungen: Genießen, den Partner leiden zu sehen. Fehler und Missgeschicke werden zur Unterhaltung anderer verwendet.
- Liebesentzug: Zuneigung wird entzogen, wenn der Partner gegen den eigenen Willen handelt.
- Benutzen des Partners: Für den eigenen Vorteil, wird der Partner, gegen seinen Willen gezwungen, bestimmte Dinge zu tun.
- Der Körper leidet: Der enorme Stress in der Partnerschaft kann zu Gewichtsveränderung, Schlappheit, Depression und zum beschleunigtem Altern führen.
Der Prozess des Loslassens
Um eine toxische Beziehung zu verlassen ist es ratsam zunächst Selbstbewusstsein und innere Stärke aufzubauen. (Demmin, 2021, S.92). Für die gesunden eigenen Grenzen, sollte ein Gefühl entwickelt und sich mit der Situation intensiv auseinandergesetzt werden (Oschmann, 2021, S.37). Des Weiteren ist die Ablösung aus der Abhängigkeit unabdingbar, d.h. Vorsorge für ein neues Zuhause und ein Einkommen zu sichern. Zur Unterstützung kann es von Bedeutung sein, sich Menschen zu suchen, die helfen können. Wird der Narzisst dabei misstrauisch, wird er entweder erneut versuchen Liebe und Nähe aufzubauen oder zu provozieren und zu schwächen. Besonders nach der Trennung werden Ängste und Sorgen, Liebessehnsucht und Angst vor der Einsamkeit ausgelöst. Dabei gilt jeder Gedanken dem Narzissten, wobei die Situation sowie der Trennungsentschluss dauernd hinterfragt werden. Hier ist es wichtig, den Kontakt vollends abzubrechen und sich auf keinen Streit bzw. Provokation des Narzissten einzulassen. Geeignet ist dabei die „Grey Rock Methode“ bei der man sich wie ein grauer Stein verhält, sobald der Narzisst Kontakt aufnimmt, d.h. keine Reaktionen, Rechtfertigungen und Gefühle bietet, die als Angriffsfläche genutzt werden könnten. Durch die Nichtbeachtung kann eine Ablösung erfolgen, da der Narzisst keine Zufuhr erhält. In Verbindung mit gemeinsamen Kindern sollten ebenfalls klare Regeln aufgestellt und für die konsequente Einhaltung gesorgt werden. Typisch für den Trennungsprozess ist es, mehr in der Vergangenheit als in der Zukunft zu leben, weshalb alle Erinnerungsstücke der Partnerschaft entfernt werden sollten (Demming, 2021, S.93-96, S.98, S.100-101, S.103). Wichtig ist auch, eine unterstützende Betreuung durch einen Psychologen, um nach der psychischen Misshandlung zurück ins Leben zu finden. Des Weiteren helfen soziale Kontakte, Sportaktivitäten, Entspannungstechniken wie Yoga und Meditation, neue Hobbies zu finden, Tagebuch zu schreiben sowie die Nähe zu anderen Opfern, z.B. in Selbsthilfegruppen aufzusuchen (Herdwart, 2019, S.30-36).
Fazit
Niemand ist sicher vor einer toxischen Beziehung. Vor allem heutzutage, in der digitalen Welt, ist es leicht sein Gegenüber zu blenden und emotional an sich zu binden. Ist man gegenüber narzisstischen Persönlichkeitszügen sensibilisiert, kann dies schützen, in eine solche Beziehung hinein zu geraten. Doch auch wenn man schon mitten in einer solchen Partnerschaft lebt, ist es niemals zu spät die Reißleine zu ziehen und sich selbst wieder zu finden. Dabei ist es wichtig konsequent zu bleiben und trotz anfänglichen Trennungsschmerzes sich allein auf sich zu konzentrieren. Vor diesem Hintergrund ist v.a. bei Narzissten Trennungsvorbereitungen unabdingbar, um sich Hindernissen und Manipulationen entgegenstellen zu können. Präventiv kann gesunde Selbstliebe und Selbstvertrauen vor den Fängen eines Narzissten Schutz bieten.
Literatur
Arabi, S. (2016). 20 Ablenkungstaktiken von hoch manipulativen Narzissten, Soziopathen, und Psychopathen, um Dich zum Schweigen zu bringen. Abgerufen am 15.08.2022 unter httsp:// tour41.net/wp-content/uploads/2019/05/20-Ablenkungstaktiken-von-hoch-manipulativen-Narzissten.pdf.
Demming, K. (2021). Raus aus der narzisstischen Beziehung. Wie es dir gelingt, dich aus deiner emotionalen Abhängigkeit zu befreien. Hannover: Humboldt Verlag.
Häcker H.O., Stapf, K. H. (Hrsg.)(2004). Dorsch – Psychologisches Wörterbuch. 14. Auflage. Bern: Verlag Hans Huber.
Hager, A. (2020). Crashtests der Liebe. In: Profil 7, 9. Februar 2020, 49-56.
Hartmann C. (2022). Gift für die Seele. Toxische Beziehungen. Abgerufen am 15.08.2022 unter https:// www.spektrum.de/news/toxische-beziehungen-gift-fuer-die-seele/2007208.
Herdwart, J. (2019). Toxische Beziehungen & emotionaler Missbrauch: Wie du emotionale Erpressung in der Partnerschaft erkennst und ungesunde Beziehungen beendest – emotionale Abhängigkeit überwinden & selbstbestimmt leben. Madorn Publishing.
Pawlik, V.(2021). Umfrage in Deutschland zum Führen einer toxischen Beziehung 2021. Abgerufen am 12.08.2022 unter https:// de.statista.com/statistik/daten/studie/1222243/umfrage/umfrage-in-deutschland-zum-fuehren-einer-toxischen-beziehung/.
Rettig, G. (2021). Toxische Beziehungen. REALationsships – Gesunde Beziehungen leben. Predigt Chrischona Amriswil.
Oschmann, A. (2021). Bleiben? Gehen? In: bewusster leben 4/2021, 36-37.
Tasche, J. (2016). Körperpsychotherapie zwischen Bioenergetik und Psychoanalyse. Zum Zusammenwirken von Reife und Lebendigkeit. Wiesbaden: Springer Fachmedien.
Beitragsbild
Altmann, G. (2019). Abgerufen am 08.08.2022 unter https://pixabay.com/de/illustrations/streit-mann-frau-silhouetten-4033280/.