Einleitung
Wenn es keine Geschlechterrollen geben würde, wie würden sich Menschen dann in welcher Rolle identifizieren? Woher können sie wissen, ob sie sich eher als hetero, bi, homosexuell oder als transsexuell identifizieren? Diese Rollen werden in Schubladen gesteckt, um den Menschen, die sich nicht identifizieren können, zu zeigen, wohin sie gehören.[1] Transsexuelle haben mit Vorurteilen zu kämpfen, was meist nur Negatives für den Betroffenen in dieser Gesellschaft heißt. Es ist als unnormal angesehen und eine Gesellschaftsabweichung für die Menschen, die sich selbst als hetero bezeichnen. Menschen, die sich mit diesem Thema nicht auseinandersetzen, würden vielleicht sogar so weit gehen, dass sie es als eine psychische Störung bezeichnen.[2] In dem folgenden Blogbeitrag wird erklärt, was transsexuell überhaupt bedeutet und inwiefern es eine Gesellschaftsabweichung darstellt bzw. ob Transsexuelle sogar mit einer psychischen Störung zu kämpfen haben.
Transsexualität
Als transsexuell werden diejenigen bezeichnet, die zwar biologisch gesehen einem Geschlecht angehören, sich subjektiv jedoch einem anderen Geschlecht zugehörig fühlen. Dabei handelt es sich bei dem Betroffenen um eine absolute Gewissheit, dem Gegengeschlecht anzugehören. Wird es von dem Betroffenen wahrgenommen, dass sie sich unwohl in ihrem eigenen Körper fühlen und begreifen, dass sie lieber dem anderen Geschlecht angehören möchten, dann wollen sie dies im ersten Schritt nicht wahrhaben. Sie versuchen dagegen anzugehen, indem sie eine Beziehung eingehen, heiraten und Kinder bekommen, um den Schein des Normalsein zu bewahren. Dadurch wächst jedoch das innere Unbehagen immer mehr, bis es unerträglich ist. Die meisten Transsexuellen unterziehen sich eine chirurgische und hormonelle Umwandlung des eigenen Körpers, um deren Wunschgeschlecht zu erlangen.[3]
Psychische Störung und Gesellschaftsabweichung
Hierbei stellt sich die Frage: Wo ist die Grenze zwischen Normalität und Störung? Eine psychische Störung wird definiert als „abweichendes, beeinträchtigendes und dysfunktionales Muster von Gedanken, Gefühlen oder Verhalten.“[4] Abweichendes Verhalten unterscheidet sich von Kultur zu Kultur und von Kontext zu Kontext. Zum Beispiel war es im Mittelalter üblich, Menschen zu töten, indem sie diese mitten in der Öffentlichkeit stranguliert haben. Heutzutage wäre dies undenkbar bzw. eine Abweichung der Norm. Zu einer Störung gehört jedoch mehr als nur eine Abweichung. Die Angst vor Insekten beispielsweise ist abweichend, wenn diese Angst jedoch nicht den Alltag und das Leben des Betroffenen beeinträchtigt, stellt es keine Störung dar.[5] Die Dysfunktionalität stellt in diesem Beitrag eine wichtige Komponente dar. Wenn bei der Transsexualität der Betroffenen keine Beeinträchtigung vorliegt, dann liegt eine Normabweichung vor, jedoch keine psychische Störung.
Transsexualität als Geschlechtsidentitätsstörung
Bei der ICD-10 fällt die Transsexualität unter einer der mehreren Geschlechtsidentitätsstörungen, welche wiederum unter die Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen fallen. Hierbei werden drei Kriterien beachtet. Erstens der Wunsch nach einem anderen Geschlecht, zweitens die Nichtzugehörigkeit eines Geschlechts und der Wunsch nach einer operativen und hormonellen Behandlung.[6] Den Betroffenen wird eine spezialisierte, psychotherapeutische Behandlung geboten, bei welcher der Wunsch nach einer Geschlechtsumwandlung jedoch nicht umgekehrt, sondern bestärkt wird. Das heißt, dass dem Betroffenen die Möglichkeit gegeben wird, sich mit dem Thema Geschlechtsidentität für einen längeren Zeitraum auseinanderzusetzen. Dadurch wird die Möglichkeit geboten, sich in den sozialen Bereichen mit dem eigentlich empfundenen Geschlecht auszuprobieren. Dabei können die erlebten Ereignisse, Erfahrungen und Gefühle mit Experten besprochen und verarbeitet werden. Nachdem die Patienten mindestens ein Jahr in der Rolle des gewünschten Geschlechts gelebt haben, kann eine Geschlechtsumwandlung erfolgen.[7]
Fazit
Transsexuelle Individuen sind immer mehr verbreitet, da es unter anderem in der heutigen Zeit eher toleriert wird, sich zu outen. Ob die Transsexualität nun eine psychische Störung darstellt oder nicht, ist von Fall zu Fall anders. Wie oben schon erwähnt, ist eine Störung nur dann vorhanden, wenn das Leben bzw. der Alltag des Betroffenen eingeschränkt wird. Da jedes Individuum unterschiedlich ist, können die Einschränkungen variieren oder auch nicht vorhanden sein. Wenn es jemandem leichtfällt, sich in das andere Geschlecht umzuwandeln, gibt es auch keine Einschränkungen. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass es von Fall zu Fall unterschiedlich ist. Es wird als Gesellschaftsabweichung angesehen, kann jedoch auch mit einer psychischen Störung einhergehen.
[1] Meyer und Northridge (2007). S.3
[2] Vetter (2007). S.17-18
[3] Senf (2008). S.317
[4] Myers (2014). S.654
[5] Myers (2014). S.654-655
[6] Nieder et al. (2014). S.233
[7] Beier und Loewit (2011). S.51-53
Literatur
Beier, Klaus M.; Loewit, Kurt (2011): Praxisleitfaden Sexualmedizin. Von der Theorie zur Therapie. Berlin: Springer.
Meyer, Ilan H.; Northridge, Mary E. (2007): The Health of Sexual Minorities. Public Health Perspectives on Lesbian, Gay, Bisexual and Transgender Populations. Boston, MA: Springer Science+Business Media, LLC.
Myers, David G. (2014): Psychologie. [Place of publication not identified]: Springer.
Nieder, Timo O.; Briken, Peer; Richter-Appelt, Hertha (2014): Transgender, Transsexualität und Geschlechtsdysphorie: Aktuelle Entwicklungen in Diagnostik und Therapie. In: Psychotherapie, Psychosomatik, medizinische Psychologie 64 (6), S. 232–245. DOI: 10.1055/s-0033-1336970.
Senf, Wolfgang (2008): Transsexualität. In: Psychotherapeut 53 (5), S. 316–327. DOI: 10.1007/s00278-008-0622-x.
Vetter, Brigitte (2007): Sexualität. Störungen, Abweichungen, Transsexualität ; mit 30 Tabellen. Stuttgart, New York: Schattauer.
Bildquelle:
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